Samstag, 9. Oktober 2010

Liu, der unbeirrbare Kämpfer

Friedensnobelpreis: Peking verfolgt den Denker der chinesischen Demokratiebewegung schon seit zwei Jahrzehnten

"Einem wie mir, der in einem unmenschlichen System in Würde leben will, bleibt keine Wahl, als zu opponieren. Dafür ins Gefängnis zu kommen, ist Teil dieser Wahl", hat der inhaftierte Bürgerrechtler Liu Xiaobo einst im Vorwort eines Gedichtbands geschrieben. Es sind Zeilen wie diese, mit denen der erste chinesische Friedensnobelpreisträger die Regierung in Peking gegen sich aufbrachte. Sie zeigen das Selbstverständnis, mit dem der Schriftsteller über Jahrzehnte seinen friedlichen Kampf für mehr Demokratie in China geführt hat.

Liu Xiaobo, der sich immer nur mit Worten für Reformen eingesetzt hat, gilt der chinesischen Führung schon lange als Staatsfeind. Deshalb hat die Regierung die Verleihung des Friedensnobelpreises an den Bürgerrechtler scharf verurteilt, den 54-Jährigen als "Kriminellen" bezeichnet, der wegen Gesetzesverstößen durch chinesische Justizorgane verurteilt worden sei. Die Ehrung von Liu Xiaobo ist ein Schlag ins Gesicht der kommunistischen Führung. Und sie ist eine deutliche Aufforderung an Peking, die Menschenrechtslage in China zu verbessern.
Vater der "Charta 08"

Liu, Ehrenvorsitzender des chinesischen PEN-Clubs, zählt seit zwei Jahrzehnten zu den wichtigsten Denkern der chinesischen Demokratiebewegung. 2008 entwarf er mit anderen Bürgerrechtlern die "Charta 08". In dem Manifest wurde das Ende der Ein-Parteien-Herrschaft in China und Gewaltenteilung gefordert. "Die Rückständigkeit des gegenwärtigen Systems ist an einem Punkt angekommen, wo es ohne Reformen gar nicht mehr geht", heißt es zum Beispiel in der "Charta 08".

Den Appell veröffentlichten die Aktivisten aus Anlass des 60. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen im Dezember 2008. Über 10 000 haben ihn seither unterschrieben. Bewusst nahmen die Initiatoren des Appells das Risiko auf sich, verfolgt und inhaftiert zu werden. Und die Reaktion der chinesischen Behörden ließ nicht lange auf sich warten. Bereits Anfang Dezember 2008 hatten Polizisten Liu ohne Haftbefehl aus seiner Pekinger Wohnung verschleppt. Ohne Verfahren wurde er monatelang an einem geheimen Ort gefangen gehalten. Erst im Sommer 2009 wurde er offiziell festgenommen und dann am 25. Dezember 2009 wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" verurteilt.

Wie bedeutend Liu Xiaobo für die Demokratiebewegung ist und wie sehr Chinas Machthaber dessen Forderungen nach Reformen fürchten, lässt sich am harten Urteil gegen den Bürgerrechtler ablesen. Zu elf Jahren Haft wurde Liu verurteilt. So statuierten die chinesischen Behörden ein Exempel an der ohnehin schon stark dezimierten Demokratiebewegung. Das Urteil wurde weltweit mit Empörung aufgenommen.

Auch damals versuchte Chinas Führung, den Bürgerrechtler, der als besonnen und ruhig gilt, als Verbrecher darzustellen. Der Wortlaut des Urteils war nach dem Verfahren im Internet aufgetaucht. Liu Xiaobo sei ein "schwerer Verbrecher", der "die Staatsmacht der volksdemokratischen Diktatur untergraben wolle" und "Artikel von bösartigem Einfluss schrieb", erklärten die Richter darin. Doch der Propaganda der chinesischen Staatsmacht zum Trotz zeigte sich der Menschenrechtler auch während des Prozesses als friedlicher, aber unbeirrter Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte. Zwei Texte von Liu Xiaobo wurden damals öffentlich. "Opposition ist nicht das Gleiche wie Subversion", schreibt er damals. Er sei immer für eine "schrittweise, friedliche, geordnete und kontrollierbare" Reform Chinas gewesen. Er sei deshalb unschuldig, heißt es darin. In einer zweiten, persönlichen Erklärung spricht sich der Menschenrechtler gegen Hass aus.

Nicht zum ersten Mal ist Liu Xiaobo mit der chinesischen Führung in Konflikt geraten und im Gefängnis. Schon nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung von 1989 musste der damalige Literaturdozent 20 Monate in Haft. In der Nacht des Massakers vom 4. Juni 1989 hatte er mit Soldaten den Abzug von hungerstreikenden Studenten vom Tian'anmen-Platz ausgehandelt. Nach der Haftentlassung wurde Liu Xiaobo sofort wieder in der Dissidentenszene aktiv, was ihm 1996 drei weitere Jahre in einem Umerziehungslager einbrachte.

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