Wie viele Chinesen gibt es wirklich?
In China hat die größte Volkszählung der Welt begonnen. Der Zensus stellt die Behörden des Landes vor einige Probleme.
Alles was in China geschieht, ist meist größer als man es andernorts gewohnt ist. Und wenn sich die Behörden in der Volksrepublik aufmachen, eine Volkszählung vorzunehmen, wird diese automatisch zur größten der Welt. Über sechs Millionen Volkszähler sind am Montag losgezogen, um innerhalb von zehn Tagen mehr als 400 Millionen Haushalte aufzusuchen. Umgerechnet etwa 850 Millionen Euro soll die Erhebung nach offiziellen Angaben kosten, die damit wohl auch zur teuersten Volkszählung aller Zeiten geraten dürfte. Neben der Frage, wie viele Einwohner China wirklich hat, erhoffen sich die Behörden vor allem neue Auskünfte über die Sozialstruktur des Landes. Diese dürfte sich mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Chinas und der fortschreitenden Urbanisierung der vergangenen zehn Jahre seit dem letzten Zensus dramatisch verändert haben. „Daten über die Bevölkerungsstruktur sind die wichtigsten Informationen für die wirtschaftliche Planung des Landes“, sagte der Direktor der nationalen Statistikbehörde Feng Nailin am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Peking.
Um die erwünschten Daten zu erhalten, müssen 90 Prozent der Befragten 18 Fragen beantworten - vom Namen und Geschlecht über die Ausbildung bis hin zur ethnischen Zugehörigkeit und Wohnortregistrierung (Hukou), die in China über den Zugang zu sozialen
Diensten oder den Schulbesuch der Kinder entscheidet. Zehn Prozent der Befragten müssen noch detailliertere Auskünfte geben. Sie müssen zusätzlich Fragen über ihre Wohnverhältnisse und zum Thema Gesundheit beantworten.
Obwohl die Behörden massiv für die Volkszählung geworben haben, stößt diese bei vielen Einwohnern auf Widerstand. Auch in China wird der Zensus mittlerweile als Eingriff in die Privatsphäre empfunden. Laut Meldungen chinesischer Staatsmedien hatten sich einige Bewohner schon in der Testphase des Zensus geweigert, den Volkszählern die Tür zu öffnen. Vor einigen Tagen sah sich der chinesische Vizeministerpräsident Li Keqiang deshalb genötigt, die Chinesen erneut zur Kooperation mit den Behörden aufzurufen. „Jeder Einwohner hat die Pflicht an der Volkszählung teilzunehmen, um exakte Ergebnisse erzielen zu können. Die Daten werden vertraulich behandelt“, erklärte Li gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Doch viele Familien versuchen, auch wegen der strengen Ein-Kind-Politik der Volkszählung zu entgehen. Denn häufig haben Familien ihre zusätzlichen Kinder gar nicht oder an anderen Orten angemeldet, um Strafen zu vermeiden.
Die größten Probleme bei der Durchführung des Zensus bereitet den Behörden allerdings das Heer von geschätzten 200 Millionen Wanderarbeitern, die keinen festen Wohnsitz haben. Das gibt auch Chinas oberster Bevölkerungsstatistiker Feng Nailin unumwunden zu. „Durch die wachsende Urbanisierung ist die Zahl der Wanderarbeiter deutlich angestiegen“, so Feng. Mittlerweile sind Millionen Chinesen aus ländlichen Gebieten in Großstädte abgewandert, um dort zu arbeiten. Doch das strenge Meldesystem der Volksrepublik erlaubt ihnen nicht, sich dort zu registrieren. Sie sind deshalb in ihren Heimatorten gemeldet, in denen sie aber nicht mehr anzutreffen sind – und damit schwer zu erfassen. Trotz der vielfältigen Probleme bei der Durchführung des Zensus gehen Chinas Behörden davon aus, aufschlussreiche Daten zu erhalten. Die sollen dann im April nächsten Jahres veröffentlicht werden.
02.11.2010 / Erschienen in der NRZ
Alles was in China geschieht, ist meist größer als man es andernorts gewohnt ist. Und wenn sich die Behörden in der Volksrepublik aufmachen, eine Volkszählung vorzunehmen, wird diese automatisch zur größten der Welt. Über sechs Millionen Volkszähler sind am Montag losgezogen, um innerhalb von zehn Tagen mehr als 400 Millionen Haushalte aufzusuchen. Umgerechnet etwa 850 Millionen Euro soll die Erhebung nach offiziellen Angaben kosten, die damit wohl auch zur teuersten Volkszählung aller Zeiten geraten dürfte. Neben der Frage, wie viele Einwohner China wirklich hat, erhoffen sich die Behörden vor allem neue Auskünfte über die Sozialstruktur des Landes. Diese dürfte sich mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Chinas und der fortschreitenden Urbanisierung der vergangenen zehn Jahre seit dem letzten Zensus dramatisch verändert haben. „Daten über die Bevölkerungsstruktur sind die wichtigsten Informationen für die wirtschaftliche Planung des Landes“, sagte der Direktor der nationalen Statistikbehörde Feng Nailin am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Peking.
Um die erwünschten Daten zu erhalten, müssen 90 Prozent der Befragten 18 Fragen beantworten - vom Namen und Geschlecht über die Ausbildung bis hin zur ethnischen Zugehörigkeit und Wohnortregistrierung (Hukou), die in China über den Zugang zu sozialen
Diensten oder den Schulbesuch der Kinder entscheidet. Zehn Prozent der Befragten müssen noch detailliertere Auskünfte geben. Sie müssen zusätzlich Fragen über ihre Wohnverhältnisse und zum Thema Gesundheit beantworten.
Obwohl die Behörden massiv für die Volkszählung geworben haben, stößt diese bei vielen Einwohnern auf Widerstand. Auch in China wird der Zensus mittlerweile als Eingriff in die Privatsphäre empfunden. Laut Meldungen chinesischer Staatsmedien hatten sich einige Bewohner schon in der Testphase des Zensus geweigert, den Volkszählern die Tür zu öffnen. Vor einigen Tagen sah sich der chinesische Vizeministerpräsident Li Keqiang deshalb genötigt, die Chinesen erneut zur Kooperation mit den Behörden aufzurufen. „Jeder Einwohner hat die Pflicht an der Volkszählung teilzunehmen, um exakte Ergebnisse erzielen zu können. Die Daten werden vertraulich behandelt“, erklärte Li gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Doch viele Familien versuchen, auch wegen der strengen Ein-Kind-Politik der Volkszählung zu entgehen. Denn häufig haben Familien ihre zusätzlichen Kinder gar nicht oder an anderen Orten angemeldet, um Strafen zu vermeiden.
Die größten Probleme bei der Durchführung des Zensus bereitet den Behörden allerdings das Heer von geschätzten 200 Millionen Wanderarbeitern, die keinen festen Wohnsitz haben. Das gibt auch Chinas oberster Bevölkerungsstatistiker Feng Nailin unumwunden zu. „Durch die wachsende Urbanisierung ist die Zahl der Wanderarbeiter deutlich angestiegen“, so Feng. Mittlerweile sind Millionen Chinesen aus ländlichen Gebieten in Großstädte abgewandert, um dort zu arbeiten. Doch das strenge Meldesystem der Volksrepublik erlaubt ihnen nicht, sich dort zu registrieren. Sie sind deshalb in ihren Heimatorten gemeldet, in denen sie aber nicht mehr anzutreffen sind – und damit schwer zu erfassen. Trotz der vielfältigen Probleme bei der Durchführung des Zensus gehen Chinas Behörden davon aus, aufschlussreiche Daten zu erhalten. Die sollen dann im April nächsten Jahres veröffentlicht werden.
02.11.2010 / Erschienen in der NRZ
sergiohh - 2. Nov, 08:01