Samstag, 4. Dezember 2010

Lauter leere Stühle

Peking fürchtet den Nobel-Festakt. Selbst Ai Weiwei, Chinas bekanntester Künstler, hat Reiseverbot.

Er ist wohl Chinas bekanntester Künstler. Vor allem in Europa, aber auch in Asien, den USA und in Australien werden seine Werke gezeigt. Dafür bereist Ai Weiwei die Welt. Doch damit ist es zumindest vorerst vorbei. Der 53-Jährige wollte am Donnerstag eigenen Angaben zufolge von Peking aus nach Südkorea und dann weiter nach Deutschland, Dänemark und in die Ukraine reisen. Doch die chinesische Grenzpolizei stoppte ihn etwa 30 Minuten vor seinem Abflug. „Eine Polizistin zeigte mir eine Anweisung des Büros für öffentliche Sicherheit, wonach meine Ausreise aus China die nationale Sicherheit gefährden könnte“, erklärte Ai Weiwei. Dabei habe er gar nicht geplant, nach Norwegen zu reisen. Dennoch geht Ai davon aus, dass sein Reiseverbot mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo zusammenhängt. Offenbar will die chinesische Regierung verhindern, dass Freunde und Mitstreiter Liu Xiaobos an der Preisverleihung am 10. Dezember in Oslo teilnehmen.

Denn Ai Weiweis Reiseverbot ist kein Einzelfall. Zahlreichen Aktivisten und Intellektuellen wurde in den vergangenen Wochen die Ausreise verweigert. Ein ähnliches Schicksal ereilte den angesehenen Ökonom Mao Yushi. Seine geplante Reise zu einer Konferenz nach Singapur endete ebenfalls Donnerstag am Pekinger Flughafen. „Ich habe noch nie Probleme gehabt, das Land zu verlassen“, sagte Mao dem US-Sender Radio Free Asia. Auch ihm wurde ohne weitere Erklärung der Behörden mitgeteilt, dass seine Ausreise die nationale Sicherheit gefährde. „Ich denke aber, das Verbot wird etwas damit zu tun haben, dass Liu Xiaobo den Friedensnobelpreis gewonnen hat“, sagte Mao, der zu den Unterzeichnern der von Liu initiierten „Charta 08“ für mehr Demokratie gehört. Mao Yushi erklärte, das Vorgehen der Behörden hätte ihn an die Kulturrevolution erinnert. „Sie sagten mir, ich wäre ein gefährliches Element“, so Mao weiter.

Sun Wenguang, ein pensionierter Professor der Universität in Nanjing und langjähriger Aktivist, muss seine Reisepläne ebenfalls auf Eis legen. Sein Antrag auf einen Reisepass wurde zu Beginn der Woche abgelehnt. Zuvor hatte er öffentlich angekündigt, dass er die Preisverleihung in Oslo besuchen wolle. „Liu Xiaobos Frau hat mir eine Einladung geschickt. Deshalb habe ich entschieden teilzunehmen“, sagte Sun Wenguang. Vor etwa drei Wochen waren bereits der Anwalt des Friedensnobelpreisträgers, Mo Shaoping, und der bekannte Jurist He Weifang am Flughafen daran gehindert worden, zu einer Tagung nach London zu fliegen. Auch ihnen hatte die Polizei erklärt, dass ihre Reise eine Bedrohung der nationalen Sicherheit Chinas darstelle.

Der diesjährige Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo war im Dezember 2009 wegen Untergrabung der Staatsgewalt zu elf Jahren Haft verurteilt worden und sitzt derzeit im Jinzhou-Gefängnis in der Provinz Liaoning. In der „Charta 08“ forderten Liu und seine Mitstreiter tiefgreifende politische Reformen. „Die Rückständigkeit des gegenwärtigen Systems ist an einem Punkt angekommen, an dem es ohne Reformen nicht mehr geht“, heißt es in dem Manifest, das bisher mehr als 10 000 Menschen unterschrieben haben. Liu hatte bereits wegen seines Engagements in der Demokratiebewegung von 1989 im Gefängnis gesessen. Nach der Bekanntgabe der Vergabe des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo im Oktober hatten die chinesischen Behörden dessen Frau unter Hausarrest gesetzt. Wie ihr Mann wird auch Liu Xia aller Wahrscheinlichkeit nach nicht an der Preisverleihung in Oslo teilnehmen können. Mit einigem Erfolg scheint China dafür zu sorgen, dass nicht nur die Stühle des Ehepaares leer bleiben.

China hatte mit harscher Kritik auf die Ehrung Liu Xiaobos mit dem Friedensnobelpreis reagiert. Chinas Führung bezeichnete Liu, der stets mit friedlichen Mitteln für Demokratie und Meinungsfreiheit eingetreten ist, als Kriminellen. Und die Regierung in Peking bekräftigte ihre Kritik am Nobelpreis für Liu. „Es geht bei Liu Xiaobo nicht um freie Meinungsäußerung oder Menschenrechte", so Außenamtssprecherin Jiang Yu. Vielmehr sei es eine „krasse Einmischung“ in die chinesische Justiz. Anfang November hatte China Regierungen in aller Welt vor einer Teilnahme an der Verleihungszeremonie in Oslo gewarnt. Vizeaußenminister Cui Tiankai drohte in Peking damals mit nicht näher definierten Konsequenzen.

(c) hao.de

News aus China

News, Berichte, Reportagen, Gedanken und Diskussionen über China

Aktuelle Beiträge

Gebaut wurde schon! Und...
Gebaut wurde schon! Und nach nicht einmal einem Jahr...
girico - 11. Jun, 14:41
Kim Jong Il: Das Phantom...
Kim Jong Il: Er war der "Irre mit der Bombe": allgegenwärtig...
sergiohh - 20. Dez, 08:06
Presseschau: 10/12/11
Kinderspielzeug und -kleidung aus China haben einen...
sergiohh - 10. Dez, 13:27
Presseschau: 26/11/11
„China gibt seine Klimaziele bekannt“ titelte am Mittwoch...
sergiohh - 26. Nov, 05:55
Presseschau: 19/11/11
20 Tote, 44 Verletzte bei Unfall mit Kindergartenbus Neun...
sergiohh - 19. Nov, 04:00

Links

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 5441 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 11. Jun, 14:42

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren