China in grün?
Mit drastischen Zulassungsbeschränkungen für Fahrzeuge wollen die Behörden in Peking das Verkehrschaos in der Hauptstadt in den Griff bekommen. Weitere chinesische Metropolen könnten dem Beispiel folgen. Die Maßnahme passt zu den Bemühungen der chinesischen Führung, den Umweltschutz im ganzen Land voranzutreiben.
Es ist gar nicht so lange her, dass Peking als Fahrradstadt galt. Tausende Menschen, die jeden Morgen auf ihren Rädern aus den Außenbezirken zur Arbeit in die Stadt fuhren, prägten das Bild von Chinas Hauptstadt. Doch dieses Bild ist verblasst. Peking ist fest in der Hand der Automobile. Rund fünf Millionen Fahrzeuge quälen sich nach offiziellen Angaben durch die Straßen der Stadt. Jeden Tag werden etwa 2 000 neue Autos zugelassen. Längst steht der Straßenverkehr der Metropole mit annähernd 20 Millionen Einwohnern vor dem Kollaps. Meist nur noch im Schritttempo rollt die Blechlawine durch die Stadt. Staus und schlechte Luft – das ist die derzeitige Realität. Deshalb sehen sich die Behörden der Hauptstadt nun zum Handeln gezwungen. Für das neue Jahr hat Pekings Stadtrat in der letzten Woche eine drastische Beschränkung der Fahrzeugzulassungen beschlossen. 2011 soll es in der Hauptstadt demnach nur noch 240 000 neue Zulassungen geben, das zusätzliche Verkehrsaufkommen um zwei Drittel reduziert werden. Schon jetzt ist ein neues System in Kraft getreten, nach dem im Lotterieverfahren Fahrzeugzulassungen verteilt werden. „Die Zahl der Autos in Peking ist aufgrund des Fortschritts und der Urbanisierung schnell gewachsen. Wenn wir jetzt nicht entschieden handeln, wird die Situation noch schlimmer“, sagte Zhou Zhengyu, Vize-Generalsekretär der Pekinger Stadtregierung laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Die Ankündigung der Behörde hat bei chinesischen aber auch bei internationalen Automobilkonzernen für Unruhe gesorgt. Vor allem, weil Peking ein Vorbild für weitere chinesische Millionenstädte sein könnte, die Fahrzeughersteller somit einen Rückgang der Verkaufszahlen befürchten müssen. Doch das Verkehrschaos in Chinas Metropolen und die damit einhergehende Umweltverschmutzung zwingt die Verantwortlichen zum Handeln. Zusätzlich zu den Zulassungsbeschränkungen für Autos, wurde das Pekinger U-Bahnnetz kontinuierlich ausgebaut. Noch diese Woche sollen fünf weitere U-Bahnlinien ihren Betrieb aufnehmen.
Allein aus den aktuellen Maßnahmen in der Hauptstadt zu schließen, dass die chinesische Regierung den Kampf gegen die immense Umweltbelastung im ganzen Land verstärkt, mag übertrieben sein. Doch es mehren sich die Anzeichen, dass China, noch Spitzenreiter beim Verursachen der Erderwärmung, endlich umweltfreundlicher werden will. Das stärkste Zeichen hierfür ist der neue Fünfjahresplan, der Anfang nächsten Jahres in Kraft treten soll. Der zwölfte Fünfjahresplan, mit dem Chinas Führung die politischen Richtlinien festlegt, soll den Weg des Landes in ein moderneres Wirtschaften ebnen. Mehrfach hat Premierminister Wen Jiabao in den letzten Wochen hervorgehoben, dass man ein ausgewogeneres und nachhaltigeres Wachstum anstrebe. Dafür will Chinas Führung in den nächsten fünf Jahren 300 Milliarden Dollar jährlich in Schlüsselindustrien wie Erneuerbare Energien und Informationstechnik anlegen. Weg von der Produktion von billigen Massenwaren, hin zur Fertigung von Spitzentechnologie. So soll bald auch umweltschonender produziert werden. Dafür ist unter anderem die Schaffung eines nationalen Klimagesetzes ist im Gespräch.
Doch neben diesen Absichtserklärungen unternimmt China schon jetzt einige Anstrengungen im Bereich der Umwelttechnologie. Neben China investiert nur Deutschland, berechnet nach seiner Wirtschaftskraft, noch etwas mehr in saubere Energieträger als die Volksrepublik. Der Energieverbrauch gemessen an der Wirtschaftsleistung hat sich seit 1980 um etwa 60 Prozent verringert. Nach Plänen der Regierung in Peking will China seine Energieeffizienz bis 2020 um 40 bis 45 Prozent gegenüber den Werten von 2005 verbessern. Eine Verdoppelung des Anteils der Erneuerbaren Energien auf 15 Prozent gehört ebenfalls zu diesen ambitionierten Zielen. „Uns beeindruckt Chinas pragmatisches Vorgehen beim Kampf gegen den CO2-Ausstoß im eigenen Land“, lobte Greenpeace-Chef Kumi Naidoo die chinesische Umweltpolitik am Rande des Klimagipfels im mexikanischen Cancún Anfang Dezember. Obwohl China nicht von seiner Position abwich, sich nicht zu rechtlich bindenden CO2-Einsparungen zu verpflichten, konnte die chinesische Delegation auf der Klimakonferenz mit konstruktivem Auftreten punkten. Hier für gab es von einigen Umweltorganisationen Lob. „Die chinesische Delegation hat einige positive Signale ausgesendet“, sagte Xiaojun Wang vom Ostasienbüro der Umweltorganisation Greenpeace kurz nach dem Ende der Klimakonferenz. So zeigte sich China bei der Frage der internationalen Überprüfung seiner Emissionsstatistiken offener als bisher. Zuvor hatte diese Forderung der westlichen Industrieländer für einigen Streit gesorgt.
Doch bei all dem Lob für die chinesischen Bemühungen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Volksrepublik weiterhin der weltweit größte Klimasünder ist. Noch immer ist das Land von Kohle als Energieträger abhängig. Über 70 Prozent der Energie aus China stammt weiterhin aus Kohlekraftwerken. Damit ist China ist der weltweit größte Kohleverbraucher. Zusätzlich heizt das rasante Wirtschaftswachstum den Energiehunger der zweitgrößten Wirtschaftsmacht weiter an. Ein Viertel aller Treibhausgase stammt heute aus China. Und das Land reduziert den Ausstoß seiner Treibhausgase eben nicht, sondern bremst nur ihren gewaltigen Anstieg. Schon deshalb muss China seine Bemühungen für eine umweltfreundlichere Gesellschaft verstärken. Dieser Notwenigkeit kann sich die chinesische Führung nicht dauerhaft verschließen. Sonst droht der Umwelt des Landes der Kollaps – ähnlich wie dem Straßenverkehr in Peking.
www.nzz.ch
Es ist gar nicht so lange her, dass Peking als Fahrradstadt galt. Tausende Menschen, die jeden Morgen auf ihren Rädern aus den Außenbezirken zur Arbeit in die Stadt fuhren, prägten das Bild von Chinas Hauptstadt. Doch dieses Bild ist verblasst. Peking ist fest in der Hand der Automobile. Rund fünf Millionen Fahrzeuge quälen sich nach offiziellen Angaben durch die Straßen der Stadt. Jeden Tag werden etwa 2 000 neue Autos zugelassen. Längst steht der Straßenverkehr der Metropole mit annähernd 20 Millionen Einwohnern vor dem Kollaps. Meist nur noch im Schritttempo rollt die Blechlawine durch die Stadt. Staus und schlechte Luft – das ist die derzeitige Realität. Deshalb sehen sich die Behörden der Hauptstadt nun zum Handeln gezwungen. Für das neue Jahr hat Pekings Stadtrat in der letzten Woche eine drastische Beschränkung der Fahrzeugzulassungen beschlossen. 2011 soll es in der Hauptstadt demnach nur noch 240 000 neue Zulassungen geben, das zusätzliche Verkehrsaufkommen um zwei Drittel reduziert werden. Schon jetzt ist ein neues System in Kraft getreten, nach dem im Lotterieverfahren Fahrzeugzulassungen verteilt werden. „Die Zahl der Autos in Peking ist aufgrund des Fortschritts und der Urbanisierung schnell gewachsen. Wenn wir jetzt nicht entschieden handeln, wird die Situation noch schlimmer“, sagte Zhou Zhengyu, Vize-Generalsekretär der Pekinger Stadtregierung laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Die Ankündigung der Behörde hat bei chinesischen aber auch bei internationalen Automobilkonzernen für Unruhe gesorgt. Vor allem, weil Peking ein Vorbild für weitere chinesische Millionenstädte sein könnte, die Fahrzeughersteller somit einen Rückgang der Verkaufszahlen befürchten müssen. Doch das Verkehrschaos in Chinas Metropolen und die damit einhergehende Umweltverschmutzung zwingt die Verantwortlichen zum Handeln. Zusätzlich zu den Zulassungsbeschränkungen für Autos, wurde das Pekinger U-Bahnnetz kontinuierlich ausgebaut. Noch diese Woche sollen fünf weitere U-Bahnlinien ihren Betrieb aufnehmen.
Allein aus den aktuellen Maßnahmen in der Hauptstadt zu schließen, dass die chinesische Regierung den Kampf gegen die immense Umweltbelastung im ganzen Land verstärkt, mag übertrieben sein. Doch es mehren sich die Anzeichen, dass China, noch Spitzenreiter beim Verursachen der Erderwärmung, endlich umweltfreundlicher werden will. Das stärkste Zeichen hierfür ist der neue Fünfjahresplan, der Anfang nächsten Jahres in Kraft treten soll. Der zwölfte Fünfjahresplan, mit dem Chinas Führung die politischen Richtlinien festlegt, soll den Weg des Landes in ein moderneres Wirtschaften ebnen. Mehrfach hat Premierminister Wen Jiabao in den letzten Wochen hervorgehoben, dass man ein ausgewogeneres und nachhaltigeres Wachstum anstrebe. Dafür will Chinas Führung in den nächsten fünf Jahren 300 Milliarden Dollar jährlich in Schlüsselindustrien wie Erneuerbare Energien und Informationstechnik anlegen. Weg von der Produktion von billigen Massenwaren, hin zur Fertigung von Spitzentechnologie. So soll bald auch umweltschonender produziert werden. Dafür ist unter anderem die Schaffung eines nationalen Klimagesetzes ist im Gespräch.
Doch neben diesen Absichtserklärungen unternimmt China schon jetzt einige Anstrengungen im Bereich der Umwelttechnologie. Neben China investiert nur Deutschland, berechnet nach seiner Wirtschaftskraft, noch etwas mehr in saubere Energieträger als die Volksrepublik. Der Energieverbrauch gemessen an der Wirtschaftsleistung hat sich seit 1980 um etwa 60 Prozent verringert. Nach Plänen der Regierung in Peking will China seine Energieeffizienz bis 2020 um 40 bis 45 Prozent gegenüber den Werten von 2005 verbessern. Eine Verdoppelung des Anteils der Erneuerbaren Energien auf 15 Prozent gehört ebenfalls zu diesen ambitionierten Zielen. „Uns beeindruckt Chinas pragmatisches Vorgehen beim Kampf gegen den CO2-Ausstoß im eigenen Land“, lobte Greenpeace-Chef Kumi Naidoo die chinesische Umweltpolitik am Rande des Klimagipfels im mexikanischen Cancún Anfang Dezember. Obwohl China nicht von seiner Position abwich, sich nicht zu rechtlich bindenden CO2-Einsparungen zu verpflichten, konnte die chinesische Delegation auf der Klimakonferenz mit konstruktivem Auftreten punkten. Hier für gab es von einigen Umweltorganisationen Lob. „Die chinesische Delegation hat einige positive Signale ausgesendet“, sagte Xiaojun Wang vom Ostasienbüro der Umweltorganisation Greenpeace kurz nach dem Ende der Klimakonferenz. So zeigte sich China bei der Frage der internationalen Überprüfung seiner Emissionsstatistiken offener als bisher. Zuvor hatte diese Forderung der westlichen Industrieländer für einigen Streit gesorgt.
Doch bei all dem Lob für die chinesischen Bemühungen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Volksrepublik weiterhin der weltweit größte Klimasünder ist. Noch immer ist das Land von Kohle als Energieträger abhängig. Über 70 Prozent der Energie aus China stammt weiterhin aus Kohlekraftwerken. Damit ist China ist der weltweit größte Kohleverbraucher. Zusätzlich heizt das rasante Wirtschaftswachstum den Energiehunger der zweitgrößten Wirtschaftsmacht weiter an. Ein Viertel aller Treibhausgase stammt heute aus China. Und das Land reduziert den Ausstoß seiner Treibhausgase eben nicht, sondern bremst nur ihren gewaltigen Anstieg. Schon deshalb muss China seine Bemühungen für eine umweltfreundlichere Gesellschaft verstärken. Dieser Notwenigkeit kann sich die chinesische Führung nicht dauerhaft verschließen. Sonst droht der Umwelt des Landes der Kollaps – ähnlich wie dem Straßenverkehr in Peking.
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sergiohh - 31. Dez, 02:43