Montag, 21. Februar 2011

Proteste auch in China

Vereinzelte Demonstrationen - Chinesische Behörden ersticken Protest im Keim

Ein anonymer Internetaufruf zu Demonstrationen in China hat die Sicherheitsbehörden in der Volksrepublik aufgeschreckt. Offenbar in Anlehnung an die Volksaufstände in Ägypten und in anderen arabischen Ländern wurde im Internet zu einer „Jasmin Revolution“ und Demonstrationen in 13 chinesischen Städten aufgerufen. In Peking und Schanghai kam es daraufhin am Sonntagnachmittag zu Menschenansammlungen, die nach kurzer Zeit von der Polizei aufgelöst wurden. Mehrere Menschen wurden festgenommen. Wie viele Menschen dem Protestaufruf folgten, ist unklar. In Peking versammelten sich mehrere hundert Menschen in der beliebten Einkaufsstraße Wangfujing im Zentrum der Stadt. Unter den Demonstranten befanden sich einige bekannte chinesische Bürgerrechtler, zahlreiche Schaulustige sowie offenbar auch Mitglieder der Staatssicherheit in Zivil. Die Demonstranten verhielten sich weitgehend ruhig. In Peking legte ein junger Chinese eine weiße Jasminblume vor einem Schnellrestaurant in der Wangfujing nieder, wo sich die Menschen versammelt hatten. Sicherheitsbeamte versuchten den Mann abzuführen, ließen ihn aber umringt von Journalisten letztlich laufen.

Dass die Resonanz auf den Protestaufruf eher gering ausfiel, lässt sich auch mit dem harten Vorgehen der chinesischen Sicherheitsbehörden erklären. Nach Angaben des Hongkonger Informationszentrums für Menschenrechte und Demokratie in China wurden bereits im Vorfeld der Proteste mehr als 100 chinesische Aktivisten unter Hausarrest gestellt oder in Polizeigewahrsam genommen. Eine große Anzahl an Polizisten in Uniform und in Zivil hatte sich außerdem schon vor dem geplanten Zeitpunkt der Proteste an den Versammlungsorten positioniert. In verschiedenen chinesischen Onlinediensten wurde das Suchwort „Jasmin“ geblockt, das auf den Umsturz in Tunesien anspielt.
Der Aufruf zu Demonstrationen wurde zuerst auf der ausländischen Webseite Boxun.com veröffentlicht. Darin wurden die Menschen aufgefordert, „wir wollen Essen, wir wollen Wohnungen und Gerechtigkeit“ zu skandieren. Die Proteste sollen laut dem Aufruf nun jeden Sonntag stattfinden. Die chinakritische Webseite wurde daraufhin von Hackern angegriffen und lahmgelegt. Der Aufruf zu Demonstrationen verbreitete sich aber dennoch über weitere Onlinedienste und Internetseiten weiter. Am Sonntag lief die Webseite Boxun.com behelfsmäßig wieder und verbreitete Augenzeugenberichte von Internetnutzern aus verschiedenen Städten Chinas. Die Urheber des Aufrufs sind nicht bekannt. Es wird aber vermutet, dass es sich um exilchinesische Gruppen handelt.

Noch am Samstag hatte Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao eine Rede vor hochrangigen Funktionären der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) gehalten, in der er diese aufforderte, die wichtigsten Probleme zu lösen, die eine Gefahr für die Harmonie und Stabilität der Gesellschaft darstellen. Neben der Verbesserung sozialer Leistungen für die Bevölkerung forderte Hu laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua auch, dass das Informationsmanagement des Landes im Internet optimiert werden müsse, um die öffentliche Meinung besser steuern zu können. Nach den Aufständen im arabischen Raum, bei denen Onlinedienste wie Twitter, Facebook oder YouTube eine wichtige Rolle gespielt haben, fürchtet das Regime in Peking offenbar um seine Meinungshoheit im Internet. Und Chinas Führung hat mit gravierenden Problemen zu kämpfen. Vor allem steigende Lebensmittel- und Immobilienpreise sowie Korruptionsfälle innerhalb der KPCh sorgen für Unmut in der Bevölkerung. Immer mehr Chinesen nutzen das Internet als Meinungs- und Informationsplattform, auch wenn die Behörden Internetforen zensieren. Ausländische Onlinedienste werden häufig vollständig blockiert. Doch eine steigende Zahl der 450 Millionen Internetnutzer greift auf sogenannte Proxyserver zurück, um Blockaden und Zensur zu umgehen. Diese werden die Chinesen auch benutzen müssen, wenn sie das traditionelle chinesischen Volkslied von der Jasminblume im Internet suchen wollen. Denn auch das fällt derzeit der Zensur zum Opfer. „Du wunderschöne Jasminblume, keine andere Blume ist so schön wie du. Ich möchte dich pflücken, doch ich habe Angst den Gärtner zu verärgern“, heißt es in dem Lied. Es könnte so ganz unverhofft zum Protestsong avancieren.

(c) hao.de

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