Donnerstag, 31. März 2011

Keine leichten Aufgaben

Außenminister Westerwelle ist zu einem dreitägigen Besuch in Peking eingetroffen. Unterdessen hat sich die Menschenrechtslage in China spürbar verschlechtert.

Etwas Abstand von dem politischen Unwetter, das sich in Berlin zusammenbraut, kommt Außenminister Guido Westerwelle (FDP) vielleicht ganz gelegen. Die rund 7365 Kilometer, die zwischen Berlin und Peking liegen, verschaffen dem angeschlagenen FDP-Chef zumindest räumliche Distanz – auch zur eigenen Partei. Nach dem Wahldebakel der FDP vom Wochenende wächst der Druck auf Westerwelle auch innerhalb der eigenen Reihen. Zu den mildesten Forderungen gehört da, Westerwelle solle sich mehr auf sein Außenamt konzentrieren. Dazu hat der Minister mit seinem heute beginnenden Chinaaufenthalt direkt Gelegenheit. Doch zur Erholung von den innenpolitischen Strapazen eignet sich der Besuch in Peking nicht. Die Menschrechtslage in China hat sich in den letzten Wochen deutlich verschlechtert, erschwert die Reise des Außenministers. Deren eigentlicher Zweck, die Eröffnung einer deutschen Ausstellung zur „Kunst der Aufklärung“ in Chinas umgebauten Nationalmuseum, könnte in dieser angespannten Situation zur diplomatischen Gratwanderung geraten. Die Aufklärung und die Demokratisierung Europas sind eng miteinander verbunden. Auch wenn Chinas Führung, der die Kontrolle ihrer Bürger über deren freiheitlichen Rechte geht, darin keinerlei Aktualität erkennen mag. Die Ausstellung im Zentrum der kommunistischen Herrschaft birgt einige Symbolkraft. Außenminister Westerwelle wird das Thema Menschenrechte schon deshalb nicht übergehen können, auch wenn die Forderung nach deren Einhaltung der kritischste Punkt in den Beziehungen beider Länder ist.

Dabei sendet die chinesische Seite im Vorfeld der Reise des deutschen Außenministers durchaus positive Signale aus. „China hofft, dass der Besuch von Außenminister Westerwelle die strategischen Kooperationen beider Länder verstärken, die Entwicklung der Partnerschaft vorantreiben wird“, hieß es in der vergangenen Woche aus dem Außenministerium in Peking. Dass der Dialog beider Länder mittlerweile auf Ministerebene geführt wird, gilt als Zeichen der Annäherung. Diesmal dürfte der Militäreinsatz in Libyen im Mittelpunkt der Gespräche stehen, wenn Westerwelle unter anderem auf Ministerpräsident Wen Jiabao und Außenminister Yang Jiechi trifft. Immerhin muss Westerwelle von chinesischer Seite keine Schelte für die deutsche Haltung in der Libyenfrage befürchten. Denn Chinas Regierung hat sich nicht nur bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat enthalten, sondern stellt den Militäreinsatz in Libyen prinzipiell in Frage.

Deutschland und China mögen zuletzt enger zusammengerückt sein - Westerwelles Chinareise ist dennoch keine einfache Aufgabe. Denn wie alle westlichen Politiker muss der Außenminister beim Thema Menschrechte einen diplomatischen Balanceakt vollbringen. Es gilt, die Gastgeber nicht mit einer zu offenen Kritik zu brüskieren. Gleichzeitig kann Westerwelle das Thema nicht verschweigen, will er in der Heimat nicht noch mehr an Beliebtheit einbüßen. Diese Aufgabe gestaltet sich diesmal noch delikater als sonst. Denn mit aller Macht gehen nervöse Sicherheitsbehörden derzeit gegen Regimekritiker und Bürgerrechtler vor, offenbar aus Angst, der arabische „Revolutionsvirus“ könnte auch die Volksrepublik erfassen. Seit im Februar die ersten Internetaufrufe zu „Jasmin-Protesten“ in China veröffentlich wurden, sind mehr als 100 Menschrechtsaktivisten und Bürgerrechtler verschwunden, festgenommen oder unter Hausarrest gestellt worden. Menschrechtsorganisationen beklagen die massive Unterdrückung der chinesischen Bürgerrechtsbewegung. Zuletzt hatte die Verurteilung des Bürgerrechtlers Liu Xianbin zu zehn Jahren Haft für Empörung gesorgt. Liu hatte in verschiedenen Artikel mehr Demokratie gefordert.

Nimmt Außenminister Westerwelle die Anmahnung der Menschrechte ernst, wird er nicht darum herum kommen, ganz konkrete Fälle mit seinen chinesischen Gesprächspartnern zu erörtern. So hoffen Bürgerrechtler, dass Westerwelle vehement die Freilassung des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo und ein Ende des Hausarrests für dessen Frau Liu Xia fordert. Auf seiner Agenda dürfte Westerwelle auch die Beschwerden deutscher Korrespondenten in China haben. In einem gemeinsamen Brief baten diese den deutschen Außenminister, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Die Journalisten beklagen gezielte Einschüchterungen seitens der chinesischen Behörden, die eine kritische Berichterstattung verhindern wollen. Seit Wochen schränkt die Polizei ihre Bewegungsfreiheit ein, nimmt Reporter vorübergehend fest und droht ihnen mit Ausweisung.

In dieser schwierigen Phase eröffnet Außenminister Westerwelle am Freitag die Ausstellung zur „Kunst der Aufklärung“ mit Leihgaben aus deutschen Museen - im Zentrum der Stadt, am Tian'anmen-Platz, auf dem Chinas Führung 1989 Demonstrationen für mehr Demokratie niederschlug. Auf deutscher Seite ist man sich der Brisanz des Kulturprojekts scheinbar bewusst, gibt sich aber zurückhaltend. „Wir wollen keine politische Belehrung, sondern einen gesellschaftlichen Dialog“, sagte der deutsche Botschafter in Peking Michael Schaefer vergangene Woche. Auch für den Außenminister dürfte diese Formel gelten. Dennoch wird Westerwelle einen Weg finden müssen, das Thema Menschrechte anzusprechen. Angesichts der derzeitigen Lage wären mehr als ein paar der üblichen, meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgetragenen Floskeln, wünschenswert. Ob in China oder Deutschland – einfache Aufgaben gibt es für Guido Westerwelle derzeit nicht.

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