Außenpolitik ohne Strahlkraft
Deutlich wie nie zuvor offenbart die Chinareise von Minister Westerwelle, wie wenig Einfluss die deutsche Außenpolitik auf die Führung in Peking hat. Wo die Realpolitik versagt, soll eine deutsche Ausstellung zur Aufklärung Fortschritte bringen.
Es war wohl der einfachste Programmpunkt seiner Chinareise. Mit einer kurzen Rede, vornehmlich geschmückt mit Lob für die chinesischen Gastgeber, hat Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Freitagnachmittag die deutsche Ausstellung zur „Kunst der Aufklärung“ im Nationalmuseum in Peking eröffnet. Das Kulturprojekt im Herzen der chinesischen Hauptstadt dürfte zumindest für einen kurzen Lichtblick auf Westerwelles Reise gesorgt haben. Doch der deutsche Außenminister wird in Gedanken wohl noch bei den nicht ganz so erfreulichen Gesprächen mit Ministerpräsident Wen Jiabao und Außenminister Yang Jiechi gewesen sein. Denn trotz öffentlich zur Schau gestellter Höflichkeit verfestigt sich der Eindruck, dass die deutsche Diplomatie in China derzeit an ihre Grenzen gerät. Die guten Beziehungen beider Länder, die so gerne hervorgehoben werden, gelten nur für einfache Themen. Nicht aber für kritische Punkte, wie die Einhaltung der Menschenrechte. Ganz unabhängig davon, welcher Politiker in Peking vorspricht und diese anmahnt: Die kommunistische Führung kümmert es nicht. Freiheitliche Zugeständnisse werden gemacht oder auch wieder zurückgezogen, je nachdem in welchem Maße die Parteiführung um die Stabilität im Land, vor allem aber um ihren Machterhalt, fürchtet.
Gut lässt sich dies im Moment an den Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten in China festmachen. Die haben sich in den vergangenen Wochen drastisch verschlechtert. Seitdem im Internet zu Protesten nach arabischem Vorbild aufgerufen wurde, schüchtern die Behörden gezielt China-Korrespondenten ein, um eine kritische Berichterstattung zu verhindern. Reporter wurden vorübergehend festgenommen und die Ausweisung angedroht. Schon im Vorfeld der Reise von Guido Westerwelle hatten deutsche Korrespondenten den Außenminister deshalb in einem gemeinsamen Brief gebeten, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Dass der chinesische Außenminister Yang Jiechi diese heute nach einem Gespräch mit Westerwelle zugesichert hat, sollte man nicht überbewerten. Zum einen, weil die Zusage bei dem nächsten kritischen Ereignis schnell vergessen sein wird. Zum anderen, weil das chinesische Außenministerium trotz eigentlicher Zuständigkeit derzeit kaum über die Macht verfügt, das Versprechen in die Tat umzusetzen. Die Mächtigen im Führungszirkel der kommunistischen Partei werden sich zu Forderungen nach Presse- und Meinungsfreiheit kaum äußern. Ansprechen muss ein deutscher Außenminister das brisante Thema dennoch. Bereits zu Beginn des Besuches in Peking hatte Westerwelle bei seinem Treffen mit Vize-Ministerpräsident Li Keqiang, der als Nachfolger von Wen Jiabao gilt, die mangelnde Meinungsfreiheit und Pressefreiheit in China zum Thema gemacht. „Für uns ist die Presse- und Meinungsfreiheit ein Kernanliegen. Ich habe Vize-Ministerpräsident Li dazu aufgefordert, diese zu gewährleisten“, erklärte Westerwelle am Donnerstagabend in Peking.
Westerwelle hat die Frage der Menschenrechte mehrfach angesprochen. Dabei soll es auch konkret um einzelne Personen wie den inhaftierten Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo gegangen sein. Dass die Gespräche in Peking einen positiven Effekt auf die freiheitliche Entwicklung in China haben könnten, scheint der deutsche Außenminister allerdings selbst nicht zu glauben. Chinas Führung ist derzeit noch weniger beizukommen als sonst. Getrieben von einer irrationalen Angst, dass der arabische Revolutionsfunke auch auf das eigene Land überspringen könnte, gehen die Behörden seit Wochen mit aller Härte gegen Regimekritiker vor. Die kleinen Fortschritte, die China mit den Olympischen Spielen zweifellos gemacht hat, wurden praktisch wieder außer Kraft gesetzt.
Wie wenig Einfluss die deutsche Außenpolitik im Umgang mit der neuen Wirtschaftsmacht China hat, lässt sich auch am Fall des Sinologen Tilman Spengler ablesen. Spengler reiste in der Vergangenheit zwischen Deutschland und China hin und her, um die Ausstellung „Kunst der Aufklärung“ mit vorzubereiten. Weil er aber 2010 bei der Verleihung der Hermann-Kesten-Medaille eine Laudatio auf Liu Xiaobo hielt, wurde ihm nun die Einreise verweigert. Und dass, obwohl er als Mitglied der Delegation des Außenministers reisen sollte. Der will diesen Umstand naturgemäß nicht als Eklat werten. Ein Affront gegenüber dem deutschen Außenministers ist es allemal. Doch Westerwelle setzt weiter auf den Dialog mit China. So bleibt ihm nicht viel mehr, als das Reiseverbot für Spengler zu bedauern. Eine Absage der Chinareise stand nicht zur Debatte. „Der Nutzen der Reise ist zu groß, als dass man diese hätte absagen können. Gerade in Hinblick auf die Eröffnung der Ausstellung zur Kunst der Aufklärung mit der wir Tausende Menschen erreichen, auch in der Zivilgesellschaft“, sagte Westerwelle in Peking. Nicht verwunderlich, aber doch hilflos wirkt es, dass die deutsche Außenpolitik ihre Hoffnung auf eine Kunstausstellung zur Aufklärung setzt, um für Werte wie Selbstbestimmung und Freiheit in China zu werben. „Die Ausstellung ist weder laut noch plakativ. Daraus aber den Schluss zu ziehen, sie wäre unpolitisch, geht fehl“, sagte Westerwelle zu deren Eröffnung. Der deutsche Außenminister scheint von der politischen und gesellschaftlichen Strahlkraft der Ausstellung überzeugt. Viel mehr als diese Hoffnung wird er nicht nach Deutschland zurückbringen können.
(c) hao.de
Es war wohl der einfachste Programmpunkt seiner Chinareise. Mit einer kurzen Rede, vornehmlich geschmückt mit Lob für die chinesischen Gastgeber, hat Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Freitagnachmittag die deutsche Ausstellung zur „Kunst der Aufklärung“ im Nationalmuseum in Peking eröffnet. Das Kulturprojekt im Herzen der chinesischen Hauptstadt dürfte zumindest für einen kurzen Lichtblick auf Westerwelles Reise gesorgt haben. Doch der deutsche Außenminister wird in Gedanken wohl noch bei den nicht ganz so erfreulichen Gesprächen mit Ministerpräsident Wen Jiabao und Außenminister Yang Jiechi gewesen sein. Denn trotz öffentlich zur Schau gestellter Höflichkeit verfestigt sich der Eindruck, dass die deutsche Diplomatie in China derzeit an ihre Grenzen gerät. Die guten Beziehungen beider Länder, die so gerne hervorgehoben werden, gelten nur für einfache Themen. Nicht aber für kritische Punkte, wie die Einhaltung der Menschenrechte. Ganz unabhängig davon, welcher Politiker in Peking vorspricht und diese anmahnt: Die kommunistische Führung kümmert es nicht. Freiheitliche Zugeständnisse werden gemacht oder auch wieder zurückgezogen, je nachdem in welchem Maße die Parteiführung um die Stabilität im Land, vor allem aber um ihren Machterhalt, fürchtet.
Gut lässt sich dies im Moment an den Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten in China festmachen. Die haben sich in den vergangenen Wochen drastisch verschlechtert. Seitdem im Internet zu Protesten nach arabischem Vorbild aufgerufen wurde, schüchtern die Behörden gezielt China-Korrespondenten ein, um eine kritische Berichterstattung zu verhindern. Reporter wurden vorübergehend festgenommen und die Ausweisung angedroht. Schon im Vorfeld der Reise von Guido Westerwelle hatten deutsche Korrespondenten den Außenminister deshalb in einem gemeinsamen Brief gebeten, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Dass der chinesische Außenminister Yang Jiechi diese heute nach einem Gespräch mit Westerwelle zugesichert hat, sollte man nicht überbewerten. Zum einen, weil die Zusage bei dem nächsten kritischen Ereignis schnell vergessen sein wird. Zum anderen, weil das chinesische Außenministerium trotz eigentlicher Zuständigkeit derzeit kaum über die Macht verfügt, das Versprechen in die Tat umzusetzen. Die Mächtigen im Führungszirkel der kommunistischen Partei werden sich zu Forderungen nach Presse- und Meinungsfreiheit kaum äußern. Ansprechen muss ein deutscher Außenminister das brisante Thema dennoch. Bereits zu Beginn des Besuches in Peking hatte Westerwelle bei seinem Treffen mit Vize-Ministerpräsident Li Keqiang, der als Nachfolger von Wen Jiabao gilt, die mangelnde Meinungsfreiheit und Pressefreiheit in China zum Thema gemacht. „Für uns ist die Presse- und Meinungsfreiheit ein Kernanliegen. Ich habe Vize-Ministerpräsident Li dazu aufgefordert, diese zu gewährleisten“, erklärte Westerwelle am Donnerstagabend in Peking.
Westerwelle hat die Frage der Menschenrechte mehrfach angesprochen. Dabei soll es auch konkret um einzelne Personen wie den inhaftierten Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo gegangen sein. Dass die Gespräche in Peking einen positiven Effekt auf die freiheitliche Entwicklung in China haben könnten, scheint der deutsche Außenminister allerdings selbst nicht zu glauben. Chinas Führung ist derzeit noch weniger beizukommen als sonst. Getrieben von einer irrationalen Angst, dass der arabische Revolutionsfunke auch auf das eigene Land überspringen könnte, gehen die Behörden seit Wochen mit aller Härte gegen Regimekritiker vor. Die kleinen Fortschritte, die China mit den Olympischen Spielen zweifellos gemacht hat, wurden praktisch wieder außer Kraft gesetzt.
Wie wenig Einfluss die deutsche Außenpolitik im Umgang mit der neuen Wirtschaftsmacht China hat, lässt sich auch am Fall des Sinologen Tilman Spengler ablesen. Spengler reiste in der Vergangenheit zwischen Deutschland und China hin und her, um die Ausstellung „Kunst der Aufklärung“ mit vorzubereiten. Weil er aber 2010 bei der Verleihung der Hermann-Kesten-Medaille eine Laudatio auf Liu Xiaobo hielt, wurde ihm nun die Einreise verweigert. Und dass, obwohl er als Mitglied der Delegation des Außenministers reisen sollte. Der will diesen Umstand naturgemäß nicht als Eklat werten. Ein Affront gegenüber dem deutschen Außenministers ist es allemal. Doch Westerwelle setzt weiter auf den Dialog mit China. So bleibt ihm nicht viel mehr, als das Reiseverbot für Spengler zu bedauern. Eine Absage der Chinareise stand nicht zur Debatte. „Der Nutzen der Reise ist zu groß, als dass man diese hätte absagen können. Gerade in Hinblick auf die Eröffnung der Ausstellung zur Kunst der Aufklärung mit der wir Tausende Menschen erreichen, auch in der Zivilgesellschaft“, sagte Westerwelle in Peking. Nicht verwunderlich, aber doch hilflos wirkt es, dass die deutsche Außenpolitik ihre Hoffnung auf eine Kunstausstellung zur Aufklärung setzt, um für Werte wie Selbstbestimmung und Freiheit in China zu werben. „Die Ausstellung ist weder laut noch plakativ. Daraus aber den Schluss zu ziehen, sie wäre unpolitisch, geht fehl“, sagte Westerwelle zu deren Eröffnung. Der deutsche Außenminister scheint von der politischen und gesellschaftlichen Strahlkraft der Ausstellung überzeugt. Viel mehr als diese Hoffnung wird er nicht nach Deutschland zurückbringen können.
(c) hao.de
sergiohh - 2. Apr, 14:52