China investiert Milliarden in Bahnausbau

China investiert Milliarden in den Ausbau und die Modernisierung seines Schienennetzes. Gleichzeitig wachsen die Zweifel an Wirtschaftlichkeit und Nutzen des Prestigeprojekts der Regierung.

Eine Wasserflasche musste als Beweis für Chinas Ingenieurkunst herhalten. Auf dem Kopf gestellt, fiel sie auch beim Beschleunigen und Abbremsen des Schnellzuges nicht um. Euphorisch feierte Chinas Staatspresse letzte Woche den ersten Testlauf auf der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Peking und Schanghai, die im Juni endgültig eröffnet wird. Mit Tempo 300 km/h wird die Fahrzeit von zehn auf rund fünf Stunden verkürzt. Die Strecke gilt als Herzstück des chinesischen Bahnausbaus. Zwar werden laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua die Investitionen in das Mammutprojekt 2011 gesenkt, im Vergleich zum Vorjahr von 823 Mrd. Yuan (89 Mrd. Euro), auf etwa 745,5 Mrd. Yuan (81 Mrd. Euro). Dennoch brechen derartige Ausgaben weiterhin alle Rekorde. In den nächsten fünf Jahren will China bis zu 400 Mrd. Euro in den Bahnausbau investieren. Dann sollen 120 000 Kilometer Bahnnetz, davon 16 000 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecken, bereitstehen. Der Ausbau ist Teil des umfangreichen Konjunkturprogramms, mit dem die Regierung das Land durch die Weltwirtschaftskrise manövriert hat. Noch immer spielt es auch als Beschäftigungsmotor eine wichtige Rolle für Chinas Wirtschaftswachstum.

Das gigantische Ausmaß des Projekts ruft allerdings nicht nur Bewunderer auf den Plan. Spätestens seitdem der ehemalige Eisenbahnminister Liu Zhijun aufgrund von Korruptionsvorwürfen Mitte Februar abgesetzt wurde, mehren sich Stimmen im Land, die an der Wirtschaftlichkeit der staatlichen Bahnindustrie zweifeln. Diese hat allein im ersten Quartal dieses Jahres einen Verlust von 3,7 Mrd. Yuan (400 Mio. Euro) eingefahren. Forderungen nach einen Trennung von Staat und Bahn erteilte das Eisenbahnministerium dennoch vor wenigen Tagen eine Abfuhr. „Wir werden sie nicht privatisieren. Die Bahnindustrie ist ein wichtiger Sektor, der die Lebensadern unserer nationalen Wirtschaft betrifft“, sagte Ministeriumssprecher Wang Yongping. Das Ministerium hat 2011 als entscheidendes Jahr für den Bahnausbau ausgerufen. Tatsächlich steht dieser nun am Scheideweg. Es gilt, die wuchernde Korruption in den Griff zu bekommen, Schulden abzubauen und das angekratzte Image des Bahnministeriums wieder aufzupolieren.

In der Kritik stehen vor allem die Hochgeschwindigkeitsstrecken, die einer kostspieligeren Schienenlegung bedürfen – inklusive einer Vielzahl von Tunneln und Viadukten. Ein einziger Kilometer Hochgeschwindigkeitsschienen kostet laut chinesischer Experten bis zu drei Mal so viel, wie ein Kilometer herkömmlicher Strecke. „Machbarkeitsstudien für die Strecken von Peking nach Tianjin, Wuhan nach Guangzhou und Zhengzhou nach Xi’an von 2003 empfahlen eine Geschwindigkeit von 200 Km/h. Doch nach Baubeginn ordnete das Bahnministerium an, diese auf 350 Km/h anzupassen,“ schreibt das Wirtschaftsmagazin „Caixin Weekly“. Nach Meinung der Autoren eine Maßnahme, die eine Kostenexplosion zur Folge hatte. Für den Bau der 115 Kilometer langen Bahnstrecke von Peking nach Tianjin waren zum Beispiel ursprünglich 12,3 Mrd. Yuan (1,3 Mrd. Euro) vorgesehen. Doch bis zur Eröffnung der Strecke 2008 stiegen die Kosten auf beinahe das Doppelte - für eine Zeitersparnis von weniger als zehn Minuten pro Reise.

Bereits im letzten Jahr warnte die Weltbank, dass sich nur wenige der Hochgeschwindigkeitsstrecken wirtschaftlich rechnen. Auch weil viele Strecken am Bedarf vorbeigebaut werden. Zwar sind gerade einfache Chinesen auf Züge als Transportmittel angewiesen. Doch die teuren Ticketpreise für die neuen Schnellzüge können sie häufig nicht aufbringen. So musste zum Beispiel eine neue Verbindung zwischen Peking und Fuzhou nur zwei Monate nach Eröffnung im Februar 2010 wieder stillgelegt werden. Es wurden kaum Karten verkauft. Doch der Ausbau des Streckennetzes gilt nicht nur der besseren Anbindung der Millionenstädte im Land. China will seine Technologie zum Exportschlager machen. Konkrete Pläne, zahlreiche Staaten Südostasiens mit dem chinesischen Hochgeschwindigkeitsnetz zu verbinden, bestehen bereits. So soll unter anderem eine Linie von China über Laos, Thailand und Malaysia nach Singapur führen. Auch nach Übersee strecken Chinas Hersteller ihre Fühler aus.

Die „China Southern Locomotive and Rolling Stock (CSR)“, nach eigenen Angaben weltweit drittgrößter Produzent von Hochgeschwindigkeitssystemen, hat bereits ein Joint Venture mit „General Electrics“ geschlossen, um Zugang zum US-Markt zu bekommen. In Länder wie Venezuela, Brasilen, Neuseeland, Australien, Saudi Arabien und Argentinien exportieren chinesische Hersteller bereits ihre Technologie. Auch den europäischen Markt hat man mittlerweile im Blick. Geschäfte mit britischen Unternehmen stehen laut der staatlichen Zeitung „China Daily“ kurz vor dem Abschluss.

Die Geschwindigkeit, mit der Chinas Unternehmen in die Spitzengruppe der Produzenten für Hochgeschwindigkeitstechnologie gelangen konnten, erstaunt viele Konkurrenten. Doch Vorwürfe, man habe für die Entwicklung seiner Züge Technologie vom japanischen Shinkansen, französischen TGV oder dem ICE geklaut, wies das Bahnministerium bereits mehrfach zurück. Ausländische Systeme seien lediglich als Plattform genutzt worden, um eigene Technologien zu entwickeln. Nicht zuletzt hat China in den letzten Jahren massiv in die Entwicklung der Technologie investiert. Ein gutes Beispiel dafür ist der Standort Changchun, bisher vor allem als Autostadt bekannt. Seit 2007 wird die Stadt zur Basis für die Bahnindustrie ausgebaut. Eine 51 Quadratkilometer große Wirtschaftszone für Forschung und Entwicklung ist geplant. Schon jetzt produziert die „China Northern Locomotive and Rolling Stock (CNR)“ hier für den heimischen Markt. „Mit der Unterstützung der Zentralregierung für den Ausbau der Bahntechnologie, bricht für Transportindustrie in Changchun eine neue Morgendämmerung an“, sagte CNR-Präsident Cui Dianguo Ende April. Sein Unternehmen exportiert auch erfolgreich ins Ausland. Stolz ist man in Changchun aber besonders auf die Produktion des „CRH380“ - der Schnellzug, der auf der Strecke von Peking nach Schanghai eingesetzt wird. Eine Strecke, die sich wohl auch rentieren wird.

(c) hao.de

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