China und die Kernenergie

Unbeirrt von der nuklearen Katastrophe in Japan baut China die Atomenergie massiv aus.

Auch wenn China versucht, seine heißgelaufene Wirtschaft zu drosseln. Der Energiehunger der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ist riesig. 70 Prozent des Energiebedarfs des riesigen Landes wird noch durch Kohle gedeckt. Deshalb setzt die chinesische Regierung auf Atomenergie. Während sich in Japan nach dem Erdbeben eine nukleare Katastrophe anbahnt, die Atommeiler außer Kontrolle geraten, setzt Chinas Führung unbeirrt auf Atomkraft. Allein in den nächsten fünf Jahren soll mit dem Bau von rund 40 Reaktoren begonnen werden. Das geht aus dem neuen Fünf-Jahres-Plan hervor, den die Delegierten der Volkskongress am Montag in Peking zum Abschluss der Jahrestagung billigten. Demnach soll die Nutzung der Atomkraft in den Küstenprovinzen beschleunigt, aber auch in Zentralchina vorangetrieben werden. Bis 2015 soll mit dem Bau von 40 Gigawatt an Kapazitäten neu begonnen werden. Im Moment hat China 13 Atomreaktoren mit einer installierten Kapazität von 10,8 Gigawatt in Betrieb. Bis 2020 sollen diese Kapazitäten auf 86 Gigawatt sogar verachtfacht werden. 25 Kernreaktoren sind gegenwärtig schon im Bau, weitere 50 sind in konkreter Planung. Darüber hinaus gibt es Vorschläge für 70 weitere Reaktoren.

Ziemlich deutlich erklärte die chinesische Regierung, dass sie ihre gigantischen Pläne wegen der Katastrophe in Japan nicht in Frage stellt. „China beobachtet, welche Auswirkungen das Erdbeben auf Japans nukleare Anlagen hat und zieht seine Lehren daraus“, erklärte Vize-Umweltminister Zhang Lijun bereits am Samstag. Auf einer Pressekonferenz zum Abschluss des Volkskongresses ging Regierungschef Wen Jiabao am Montag weder auf die Atomunglücke noch auf Chinas Pläne zum Ausbau der Kernenergie ein. Er sprach den Menschen in Japan lediglich sein tiefes Mitgefühl aus. „China ist auch ein erdbebengefährdetes Land, wir verstehen die Not die Japan derzeit erleidet“, sagte Wen.

Einige der Delegierten des Volkskongresses betonten aber auf Journalistenfragen, China sollte der Sicherheit von Kernkraftwerken mehr Aufmerksamkeit schenken. „Wir sollten vorsichtiger sein“, sagte der Delegierte Wang Chunyun, ein Ingenieur aus der Provinz Jiangsu. Atomkraftwerke sollten nicht in der Nähe von Ballungszentren gebaut werden. „Das Unglück in Japan wird uns eine Lehre sein", sagte der Delegierte Lu Qin aus Jiangsu. „Ich wünschte, es gebe Alternativen zur Atomkraft - aber ich bin da kein Experte.“ Eine richtige Debatte über die Sicherheit von Atomkraftwerken gibt es bisher nicht, nur vereinzelt kritisieren Wissenschaftler in den chinesischen Medien den Ausbau der Kernenergie als zu aggressiv. Zhou Dadi, früherer Direktor des Energieinstituts der Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) verteidigte den Kurs der Regierung. „40 Gigawatt in fünf Jahren sind nicht zu viel“, sagte Zhou. Laut Berichten staatlicher Medien seien die chinesischen Reaktoren sicherer als die Japanischen. Diese hätten Reaktoren der zweiten Generation, während China die der dritten und neuesten vierten Generation baue. Probleme mit elektrischen Kühlsystemen wie jetzt in Japan könne es da nicht geben. Vielmehr besäßen sie riesige Wassertanks, die mit Schwerkraft funktionierten. Das erklärte der Geschäftsführer des Stromversorgers „China Power Investment Corporation“, Lu Qizhou, gegenüber der Nachrichtenagentur Xinhua.

Die Befürworter der Atomenergie scheinen in China in der Überzahl. Selbst wer sich in der Volksrepublik dem Umweltschutz verschreibt, ist nicht gleich Kernkraftgegner. Dabei sind viele Fragen ungeklärt. Wo das hochqualifizierte Personal für den Betrieb von so vielen Atomkraftwerken herkommen soll, ist fraglich. Das gilt auch für die Überwachung der Atomanlagen. Wenig bekannt ist auch, wie es um die Sicherheitsstandards der chinesischen Meiler steht, die im Schnellverfahren gebaut werden. Der massive Ausbau der Kernenergie ist in China zwar beschlossen Sache. Doch vielleicht führt die Katastrophe in Japan wenigstens im Nachhinein zu einer Sicherheitsdebatte.

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