Das Schweigen des großen Bruders

Nach dem Angriff Nordkoreas auf Südkorea will Chinas Führung den Partner nicht offen kritisieren

Nordkorea droht mit weiteren Angriffen auf Südkorea, die Führung in Seoul stockt ihre Truppen auf und der US-Flugzeugträger „George Washington“ ist für gemeinsame Militärübungen mit Südkorea auf dem Weg in die Region. Dennoch hat es lange gedauert, bis sich China auch auf höchster Ebene zu einer Stellungnahme über die derzeitige Koreakrise hat durchringen können. In der explosiven Situation aber brach die chinesische Führung endlich ihr Schweigen. Regierungschef Wen Jiabao beschrieb die derzeitige Lage bei einem Treffen mit Russlands Präsident Dmitri Medwedew in Moskau als ernst und kompliziert. „Die internationale Gemeinschaft sollte größere Anstrengungen unternehmen, um die Spannungen abzubauen“, zitierte ihn die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua.

Wen Jiabao rief die Konfliktparteien zu „äußerster Zurückhaltung“ auf. „China lehnt jede Form von militärischer Provokation ab“, erklärte Wen. Wie bei vorherigen Provokationen durch Nordkorea vermied es Chinas Führung aber, Pjöngjang direkt zu kritisieren oder gar für den Angriff zu verurteilen. Die gewohnt vagen Äußerungen ließen auch Raum für Spekulationen, ob sich Wen auf Nordkoreas Angriff oder das für Sonntag geplante Militärmanöver Südkoreas und der USA bezog. Sicher ist, dass Chinas Führung wohl mit beidem unzufrieden ist. Aus dem Außenministerium in Peking war so etwas wie Missfallen über eine verstärkte Präsenz der USA vor der koreanischen Halbinsel zu spüren. „Wir haben die relevanten Berichte erhalten und bringen unsere Besorgnis darüber zum Ausdruck“, erklärte ein Sprecher des Ministeriums am Donnerstag mit Blick auf das Militärmanöver. China befürchtet eine Provokation Nordkoreas durch die Kriegsübung.

Schon nach dem Vorfall um das mit einem Torpedoangriff versenkte südkoreanische Kriegsschiff „Cheonan“ im März hatten Washington und Seoul eine gemeinsame Militärübung durchgeführt. Ende Juli übten die Streitkräfte der USA und Südkoreas gemeinsam vor der südkoreanischen Halbinsel. Rund 8000 Soldaten nahmen nach US-Angaben daran teil. Auch der Flugzeugträger „George Washington“ war beteiligt, das Schiff ist auch jetzt wieder auf dem Weg in Richtung Südkorea. Das Manöver war von China stark kritisiert worden, das Reich der Mitte antwortete anschließend mit eigenen militärischen Übungen im ostchinesischen Meer.

Doch auch mit ihrem nordkoreanischen Partner kann China nicht zufrieden sein. Denn Nordkoreas Führung scheint nicht viel auf Pekings Wunsch nach Frieden in Ostasien zu geben und setzt ihre Eskalationsstrategie fort. „Wir werden eine zweite und dritte Runde an Vergeltungsschlägen ausführen, sollten die Kriegstreiber in Südkorea uns erneut rücksichtslos militärisch provozieren“, hieß es in einer Mitteilung des nordkoreanischen Militärs. Darin wurden die USA als eigentlicher Verursacher des Konflikts bezeichnet. Doch trotz des unberechenbaren und aggressiven Vorgehens Pjöngjangs sieht China in einem Zusammenbruch Nordkoreas die eigentliche Bedrohung für die Stabilität in der Region.

Vor allem die USA zeigen sich immer deutlicher unzufrieden über Chinas taktische Zurückhaltung. „Peking muss ein deutliches Signal an Pjöngjang senden, dass es die provokativen Akte gegen Südkorea beenden muss“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums in Washington. Südkorea, das unter dem Schutz der USA steht, kündigte die Aufstockung seiner Truppen auf Inseln entlang der umstrittenen Seegrenze an. „Wir sollten in unserer Wachsamkeit nicht nachlassen und uns auf weitere Provokationen durch Nordkorea vorbereiten“, sagte Präsident Lee Myung Bak. Dieser spürt auch innenpolitischen Druck. Am Donnerstag trat Verteidigungsminister Kim Tae Young zurück. Zahlreiche Abgeordnete hatten der südkoreanischen Militärführung vorgeworfen, zu spät und zu unentschlossen auf den Granatenbeschuss der Insel Yeonpyeong am Dienstag reagiert zu haben, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap. Bei dem Angriff waren vier Menschen getötet worden. Das südkoreanische Militär hatte nach eigenen Angaben das Feuer aus Nordkorea erwidert.

News aus China

News, Berichte, Reportagen, Gedanken und Diskussionen über China

Aktuelle Beiträge

Gebaut wurde schon! Und...
Gebaut wurde schon! Und nach nicht einmal einem Jahr...
girico - 11. Jun, 14:41
Kim Jong Il: Das Phantom...
Kim Jong Il: Er war der "Irre mit der Bombe": allgegenwärtig...
sergiohh - 20. Dez, 08:06
Presseschau: 10/12/11
Kinderspielzeug und -kleidung aus China haben einen...
sergiohh - 10. Dez, 13:27
Presseschau: 26/11/11
„China gibt seine Klimaziele bekannt“ titelte am Mittwoch...
sergiohh - 26. Nov, 05:55
Presseschau: 19/11/11
20 Tote, 44 Verletzte bei Unfall mit Kindergartenbus Neun...
sergiohh - 19. Nov, 04:00

Links

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 5441 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 11. Jun, 14:42

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren