In China steigen die Preise für Lebensmittel

Inflation. Peking verliert die Kontrolle über die Teuerungsrate. Das Volk schimpft unverblümt über steigende Lebenshaltungskosten.

Normalerweise reagieren Chinesen eher vorsichtig, wenn sie von ausländischen Journalisten befragt werden. Doch wenn es um die steigenden Lebensmittelpreise geht, ist es um jede Zurückhaltung geschehen. „Es ist sehr, sehr teuer geworden, einzukaufen“, beschwert sich die 56-jährige Hausfrau Yang Yufen aus Peking lautstark. „Der Preis für Kohl hat sich seit Herbstbeginn fast vervierfacht“, sagt Yang weiter. Mittlerweile ernährt sich die Hausfrau beinahe ausschließlich von einem Vorrat an Kartoffeln, den sie sich schon vor einiger Zeit angelegt hatte. Nur selten geht Yang noch in den Supermarkt. Auch die 62-jährige Lu Yutong muss sich einschränken. Obst kann sich die Reinigungskraft kaum noch leisten. „Die hohen Preise werden langsam zum Problem. Aber wir müssen ja essen“, sagt Lu.
In den Städten hat sich aufgrund der steigenden Preise sogar ein neuer Einkaufstrend entwickelt. Immer mehr Menschen schließen sich im Internet zu Gruppen zusammen, die durch größere Abnahmemengen bei Lebensmitteln Preisnachlässe erzielen. Über 1200 Internetseiten, die solche Gruppeneinkäufe organisieren, gibt es mittlerweile in China.

Die Inflation in der Volksrepublik ist auf den höchsten Stand seit zwei Jahren gestiegen. Im Oktober kletterten die Preise im Vergleich zum Vorjahr um 4,4 Prozent, wie das nationale Statistikamt am Donnerstag mitteilte. Höher als im Oktober hatte die Inflationsrate zuletzt vor Ausbruch der Finanzkrise im September 2008 gelegen – damals wurden 4,6 Prozent gemessen. Im September 2010 betrug die Steigerungsrate noch 3,6 Prozent. Besonders schwer wiegt der Preisanstieg bei Lebensmitteln. Diese wurden im Monatsvergleich um 10,1 Prozent teurer. Laut dem chinesischen Handelsministerium müssen Verbraucher besonders beim Gemüsekauf auch in Zukunft mit weiter steigenden Preisen rechnen. Während die anziehenden Lebensmittelkosten in Millionenmetropolen wie Peking deutlich zu spüren sind, könnte die Situation auf dem Land regelrecht dramatisch werden. Gerade einmal 5153 Yuan (derzeit umgerechnet etwa 567 Euro) beträgt das durchschnittlich verfügbare Pro-Kopf-Einkommen nach offiziellen Angaben auf dem Land – mehr als ein Drittel weniger als in der Stadt. Bis zur Hälfte ihres Einkommens müssen arme Familien häufig für Essen ausgeben.

Um soziale Unruhen zu vermeiden, hatte die chinesische Regierung für 2010 ursprünglich eine Inflationsrate von drei Prozent als Grenzwert ausgegeben. Die aktuellen Daten deuteten darauf hin, dass dieses Ziel verfehlt werden könnte. Vergangene Woche hat die chinesische Zentralbank bereits zum vierten Mal in diesem Jahr die Banken angewiesen, ihre Reserven zu erhöhen, um den Geldfluss zu begrenzen. Verstimmt zeigte sich Chinas Führung zudem über die Ankündigung der US-Notenbank Fed in der vergangenen Woche, mit einer Finanzspritze von 600 Milliarden Dollar die US-Wirtschaft zu stützen. Peking fürchtet, dass so weiteres Kapital nach China fließen und die Inflation anheizen könnte.

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