Kim Jong Il in China

Zum dritten Mal in einem Jahr ist Nordkoreas Diktator nach China gereist. Dort hat sich Kim Jong Il offenbar mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Volksrepublik vertraut gemacht.

Viel geheimnisvoller kann ein Staatsbesuch kaum sein. Zum dritten Mal seit Mai letzten Jahres ist Nordkoreas Diktator Kim Jong Il nach China gereist. Wie schon bei den vorherigen Reisen ins Nachbarland blieb Vieles im Dunkeln. Aus dem abgeschotteten Nordkorea dringen seit jeher wenige Informationen nach außen. Und auf Wunsch Kim Jong Ils schweigt sich auch Peking über die Besuche aus, bis der Diktator wieder nach Nordkorea zurückgekehrt ist. Dennoch sind auf der aktuellen Reise Informationen an die Öffentlichkeit gedrungen. Schon deshalb, weil Kim Jong Il Flugzeuge meidet, stets mit dem Zug reist. Sobald der Sonderzug aus Pjöngjang die Grenze Chinas überschreitet, gibt es die ersten Augenzeugenberichte und zahlreiche Spekulationen.

Am Freitag vergangener Woche hatte Kim laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap seine überraschende Chinareise begonnen, seitdem verschiedene Städte besucht. Im nordöstlichen Changchun soll Kim das Werk des zweitgrößten chinesischen Autoherstellers, First Automobile Works (FAW), in Augenschein genommen haben. Weitere Besuche bei Technologieunternehmen und in Kaufhäusern sollen auf dem Programm Kim Jong Ils gestanden haben. Nach Angaben von Yonhap ist der nordkoreanische Machthaber dann am Mittwoch zu politischen Gesprächen nach Peking gereist, wo es zu einem Treffen zwischen Kim Jong Il und Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao gekommen sei. Bei dem Besuch des Diktators stand offenbar der Ausbau der wirtschaftlichen Kooperation beider Länder im Vordergrund. Auf einem Gipfeltreffen zwischen China, Japan und Südkorea am letzten Wochenende in Tokio hatte Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao nach südkoreanischen Angaben erklärt, Kim Jong Il eingeladen zu haben, um ihm die Gelegenheit zum Studium der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas zu geben.

Nachhilfe, die Nordkoreas Führer dringend nötig zu haben scheint. Der kommunistische Staat ist weitgehend heruntergewirtschaftet, kann seine Bevölkerung kaum noch versorgen. Erst kürzlich hatte das Welternährungsprogramm (WFP) gewarnt, dass sich die Nahrungsmittelknappheit im isolierten Nordkorea angesichts bald aufgebrauchter Vorräte weiter verschärfen werde. Nordkorea hängt am Tropf der aufstrebenden Wirtschaftsmacht China, die mittlerweile der wichtigste Handelspartner des nordkoreanischen Regimes ist. Das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten ist 2010 von 2,68 auf 3,46 Milliarden US-Dollar gestiegen. Und Chinas Führung liefert Öl und Nahrungsmittelhilfen, um Nordkorea vor dem Kollaps zu bewahren. Peking will so Flüchtlingsströme aus dem verarmten Nachbarstaat verhindern. Doch gleichzeitig drängt Chinas Führung Kim Jong Il offenbar zu grundlegenden Wirtschaftsreformen. Ökonomisch am Boden bleibt Nordkorea unberechenbar und beschädigt mit seinem kriegerischen Gebaren das außenpolitische Ansehen Chinas.

Als letzter Verbündeter Nordkoreas hat es sich China zur Aufgabe gemacht, Nordkorea zur Wiederaufnahme der 2009 eingefrorenen Gespräche über dessen Atomwaffenprogramm zu bewegen. So will Peking internationale Anerkennung als Friedensstifter sammeln. Eine militärische Intervention Südkoreas und der USA in Nordkorea will Chinas Regierung verhindern, da ihr am Status quo in der Region gelegen ist. Noch immer sieht die Volksrepublik Nordkorea als Puffer zu Südkorea und den Tausenden dort stationierten US-Soldaten. Schon deshalb drängt man auf die Wiederbelebung der „Sechs-Parteien-Gespräche“. Derartige Bemühungen wurden durch Pjöngjangs Unberechenbarkeit aber immer wieder behindert. Zuletzt hatte der Angriff Nordkoreas auf die südkoreanische Insel Yeonpyeong im November 2010 für Verstimmungen zwischen Peking und Pjöngjang gesorgt. Zwar hatte Chinas Führung Nordkorea öffentlich in Schutz genommen. Doch hinter den Kulissen zeigen sich chinesische Außenpolitiker schon länger entnervt von ihrem Partner. So zitierten von Wikileaks enthüllte Depeschen den chinesischen Vizeaußenminister He Yafei mit den Worten, Nordkorea benehme sich wie ein „verzogenes Kind“, um die Aufmerksamkeit des „Erwachsenen zu bekommen“. He Yafei habe die Äußerungen nach Nordkoreas Raketentest im April 2009 getätigt und mit ihnen auf den Wunsch Nordkoreas angespielt, direkt mit den USA über sein Atomwaffenprogramm verhandeln zu wollen. Der Konflikt um den Untergang des südkoreanischen Kriegsschiffs „Cheonan“ im März 2010 oder eben der Angriff auf die Insel Yeonpyeong – all das dürfte die Stimmung chinesischer Diplomaten nicht verbessert haben.

Dennoch bleibt China Kim Jong Ils wichtigster Partner. Und je mehr Nordkorea wirtschaftlich zusammenbricht, desto mehr muss der „geliebte Früher“ auf seinen großen, erfolgreichen Nachbarn hören. China scheint bereit, seinen Einfluss auf Nordkorea stärker nutzen zu wollen. Allerdings will die Volksrepublik vornehmlich wirtschaftliche Reformen herbeiführen. An einem Sturz der Kim-Dynastie ist China offensichtlich nicht interessiert. Bereits im August 2010 reiste Kim Jong Il mit seinem Sohn Kim Jong Un nach China, den der gesundheitlich angeschlagene Diktator als Nachfolger installieren möchte. Damals soll sich Kim Jong Il den Segen Pekings für die Machtübergabe an seinen Sohn geholt haben. Ob Kim Jong Il auch diesmal von Kim Jong Un begleitet wurde, blieb bisher unklar. Soviel Geheimniskrämerei gehört wohl dazu, wenn Nordkoreas skurriler Diktator reist.

(c) hao.de

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