Verfolgung und ein wenig Hoffnung
Weder Liu Xiaobo noch seine Frau nehmen an der Verleihungszeremonie des Friedensnobelpreises in Oslo teil. In den letzten Monaten hat sich die Lage für Regimekritiker in China deutlich verschlechtert.
Anfang Oktober, zwei Tage bevor bekanntgegeben wurde, dass der chinesische Bürgerrechtler Liu Xiaobo den diesjährigen Friedensnobelpreis erhält, hatte sich dessen Frau für ihren inhaftierten Ehemann zu Wort gemeldet. „Wenn er den Preis gewinnt, gibt es eine Chance für einen friedlichen und vernünftigen Wandel in China. Es könnte China den Weg in eine zivilisiertere Gesellschaft ebnen“, sagte Liu Xia damals. Viel Hoffnung schwang in ihren Worten mit. Hoffnung, dass ihr Mann durch die Auszeichnung schneller nach Hause kommen könnte, nicht die vollen elf Jahre seiner Haftstrafe absitzen muss. Hoffnung aber auch, dass sich das Land stärker öffnet und sich die Menschenrechtslage in der Volksrepublik verbessern könnte.
Etwa zwei Monate später findet nun die Verleihungszeremonie in Oslo statt. Liu Xiaobo, der gewaltlose Kämpfer für Demokratie in China, wird den diesjährigen Friedensnobelpreis tatsächlich erhalten. Doch weder der Preisträger noch seine Frau werden an der Verleihung teilnehmen können. Wie zu erwarten, sind die Wünsche für einen „vernünftigen Wandel“ bei der chinesischen Regierung auf taube Ohren gestoßen. Peking verschärfte nach der Bekanntgabe des Friedensnobelpreises für Liu Xiaobo erst einmal den Umgang mit Regimekritikern. Auch die Frau des Preisträgers bekam dies zu spüren. Liu Xia steht unter strengem Hausarrest. Sie wird von Chinas Staatssicherheit in ihrer Pekinger Wohnung festgehalten, mittlerweile ohne jeden Kontakt zur Außenwelt.
Seit Liu Xiaobo als Friedensnobelpreisträger feststeht, sind zahlreiche chinesische Bürgerrechtler oder Unterstützer Lius Repressionen durch die chinesische Regierung ausgesetzt. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden Dutzende chinesische Dissidenten festgenommen und verhört. Einige sind in Polizeigewahrsam, wurden von Sicherheitskräften geschlagen oder in Umerziehungslager gebracht. Mehr als 100 Aktivisten werden laut aktuellen Angaben der Menschenrechtsorganisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD) überwacht. Viele sind in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder wurden zeitweise unter strengen Hausarrest gestellt. „Das Vorgehen der chinesischen Polizei gegenüber Menschenrechtsaktivisten ist diesmal noch heftiger als vor den Olympischen Spielen“, sagt Renee Xia, Direktor von CHRD. „Chinas Regierung verliert ihre Glaubwürdigkeit, indem sie eine Farce aus ihrem eigenen Versprechen macht, die Menschenrechte einzuhalten“, so Xia weiter. Einige Regimekritiker mussten Peking zwangsweise verlassen. Zuletzt ereilte dieses Schicksal die Aktivistin Zhang Xianling. Sicherheitsbeamte nötigten die Mitbegründerin der Organisation der „Tiananmen-Mütter“ zur Abreise aus Peking. Zhang fordert die Aufklärung der blutigen Niederschlagung der Studentenproteste auf dem „Platz des Himmlischen Friedens“ im Juni 1989, die das Ende der Demokratiebewegung bedeutete. So wie auch Liu Xiaobo sind viele der heutigen chinesischen Menschenrechtsaktivisten tief mit der Demokratiebewegung von 1989 verbunden und wurden nach deren Niederschlagung vom kommunistischen Regime verfolgt.
Zu den Repressalien im Vorfeld der diesjährigen Friedensnobelreisverleihung, gehören auch Ausreiseverbote für Regimekritiker - offenbar um eine Teilnahme an den Feierlichkeiten in Oslo zu verhindern. Erst letzte Woche wurde der bekannte Künstler Ai Weiwei daran gehindert, ins Ausland zu fliegen. Neben Ai Weiwei wurden etwa 40 weitere Regimekritiker mit einer Reisesperre belegt, darunter Liu Xiaobos Anwalt Mo Shaoping, der kritische Jurist He Weifang und der Ökonom Mao Yushi. „Ich bin schon zu Hunderten Gelegenheiten außerhalb Chinas gewesen. Es war das erste Mal, dass ich am Abflug gehindert wurde“, empörte sich Mao Yushi letzte Woche gegenüber dem US-Sender Radio Free Asia. Auch wenn vom chinesischen Festland wohl niemand zur Preisverleihung reisen kann - zumindest einige Exilchinesen werden heute in Oslo erwartet. Darunter sollen bekannte Aktivisten und Mitglieder der Demokratiebewegung von 1989 sein, wie die ehemaligen Studentenführer Wu'er Kaixi und Chai Ling oder der in den USA lebende Bürgerrechtler Yang Jianli.
Trotz der verschärften Verfolgung von Regimekritikern hat der Friedensnobelpreis auch eine positive Wirkung auf die Menschenrechtsszene. „Dank der Auszeichnung sind Bürgerrechtler aktiver geworden, haben viel Kraft und Mut gesammelt“, glaubt Renee Xia von CHRD. Der Preis für Liu Xiaobo sei eine Anerkennung für die Opfer, die chinesische Bürgerrechtler erbracht hätten. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen fordern eine sofortige Freilassung Lius und die Aufhebung des Hausarrests für seine Frau. Eine Forderung, die das chinesische Regime kaum beeindrucken dürfte. Die Führung in Peking sieht in Liu Xiaobo einen Kriminellen. Jiang Yu, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, verstärkte am Donnerstag in Peking erneut die Kritik an der Vergabe des Friedensnobelpreises. „Das Nobelpreiskomitee muss erkennen, dass es die Meinung einer Minderheit vertritt. Chinas Bevölkerung und die meisten Menschen weltweit sind gegen diese Entscheidung“, behauptete Yu. Sie bezog sich bei ihrer Äußerung auch auf den Boykott der Verleihungszeremonie in Oslo, an dem sich neben China 18 weitere Staaten beteiligen, nachdem die Führung in Peking zuvor massiven Druck ausgeübt hatte.
Unterdessen hat sich China seinen eigenen Friedenspreis geschaffen. Der „Konfuzius-Friedenspreis“ wurde am Donnerstag in Peking zum ersten Mal vergeben. Als Preisträger wurde der frühere taiwanesische Vizepräsident Lien Chan für seinen Einsatz zur Aussöhnung mit China benannt. Die Volksrepublik begibt sich mit dem Gegenpreis zur Auszeichnung des Nobelkomitees allerdings in unrühmliche Gesellschaft. Aus Protest gegen den Friedensnobelpreis für den damals ebenfalls inhaftierten deutschen Publizisten Carl von Ossietzky schuf Adolf Hitler 1937 den Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft. Während Chinas gelenkte Staatspresse ausgiebig über den „Konfuzius-Friedenspreis“ berichtet, wird der diesjährige Friedensnobelpreis weitgehend ignoriert. Ein Großteil der Bevölkerung in China weiß nicht, dass das erste Mal in der Geschichte einer ihrer Mitbürger den Friedensnobelpreis erhalten hat.
Dessen Preisträger, der 54-jährige Schriftsteller Liu Xiaobo, kämpft seit Jahrzehnten mit friedlichen Mitteln für mehr Demokratie in China. Er ist Autor der „Charta 08“, in der Chinas Regierung zu tiefgreifenden politischen Reformen aufgefordert wird. Im Dezember 2009 wurde er wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ zu elf Jahren Haft verurteilt. Liu war schon in der Demokratiebewegung von 1989 aktiv und musste nach der blutigen Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens für 20 Monate in Haft.
(c) hao.de
Anfang Oktober, zwei Tage bevor bekanntgegeben wurde, dass der chinesische Bürgerrechtler Liu Xiaobo den diesjährigen Friedensnobelpreis erhält, hatte sich dessen Frau für ihren inhaftierten Ehemann zu Wort gemeldet. „Wenn er den Preis gewinnt, gibt es eine Chance für einen friedlichen und vernünftigen Wandel in China. Es könnte China den Weg in eine zivilisiertere Gesellschaft ebnen“, sagte Liu Xia damals. Viel Hoffnung schwang in ihren Worten mit. Hoffnung, dass ihr Mann durch die Auszeichnung schneller nach Hause kommen könnte, nicht die vollen elf Jahre seiner Haftstrafe absitzen muss. Hoffnung aber auch, dass sich das Land stärker öffnet und sich die Menschenrechtslage in der Volksrepublik verbessern könnte.
Etwa zwei Monate später findet nun die Verleihungszeremonie in Oslo statt. Liu Xiaobo, der gewaltlose Kämpfer für Demokratie in China, wird den diesjährigen Friedensnobelpreis tatsächlich erhalten. Doch weder der Preisträger noch seine Frau werden an der Verleihung teilnehmen können. Wie zu erwarten, sind die Wünsche für einen „vernünftigen Wandel“ bei der chinesischen Regierung auf taube Ohren gestoßen. Peking verschärfte nach der Bekanntgabe des Friedensnobelpreises für Liu Xiaobo erst einmal den Umgang mit Regimekritikern. Auch die Frau des Preisträgers bekam dies zu spüren. Liu Xia steht unter strengem Hausarrest. Sie wird von Chinas Staatssicherheit in ihrer Pekinger Wohnung festgehalten, mittlerweile ohne jeden Kontakt zur Außenwelt.
Seit Liu Xiaobo als Friedensnobelpreisträger feststeht, sind zahlreiche chinesische Bürgerrechtler oder Unterstützer Lius Repressionen durch die chinesische Regierung ausgesetzt. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden Dutzende chinesische Dissidenten festgenommen und verhört. Einige sind in Polizeigewahrsam, wurden von Sicherheitskräften geschlagen oder in Umerziehungslager gebracht. Mehr als 100 Aktivisten werden laut aktuellen Angaben der Menschenrechtsorganisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD) überwacht. Viele sind in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder wurden zeitweise unter strengen Hausarrest gestellt. „Das Vorgehen der chinesischen Polizei gegenüber Menschenrechtsaktivisten ist diesmal noch heftiger als vor den Olympischen Spielen“, sagt Renee Xia, Direktor von CHRD. „Chinas Regierung verliert ihre Glaubwürdigkeit, indem sie eine Farce aus ihrem eigenen Versprechen macht, die Menschenrechte einzuhalten“, so Xia weiter. Einige Regimekritiker mussten Peking zwangsweise verlassen. Zuletzt ereilte dieses Schicksal die Aktivistin Zhang Xianling. Sicherheitsbeamte nötigten die Mitbegründerin der Organisation der „Tiananmen-Mütter“ zur Abreise aus Peking. Zhang fordert die Aufklärung der blutigen Niederschlagung der Studentenproteste auf dem „Platz des Himmlischen Friedens“ im Juni 1989, die das Ende der Demokratiebewegung bedeutete. So wie auch Liu Xiaobo sind viele der heutigen chinesischen Menschenrechtsaktivisten tief mit der Demokratiebewegung von 1989 verbunden und wurden nach deren Niederschlagung vom kommunistischen Regime verfolgt.
Zu den Repressalien im Vorfeld der diesjährigen Friedensnobelreisverleihung, gehören auch Ausreiseverbote für Regimekritiker - offenbar um eine Teilnahme an den Feierlichkeiten in Oslo zu verhindern. Erst letzte Woche wurde der bekannte Künstler Ai Weiwei daran gehindert, ins Ausland zu fliegen. Neben Ai Weiwei wurden etwa 40 weitere Regimekritiker mit einer Reisesperre belegt, darunter Liu Xiaobos Anwalt Mo Shaoping, der kritische Jurist He Weifang und der Ökonom Mao Yushi. „Ich bin schon zu Hunderten Gelegenheiten außerhalb Chinas gewesen. Es war das erste Mal, dass ich am Abflug gehindert wurde“, empörte sich Mao Yushi letzte Woche gegenüber dem US-Sender Radio Free Asia. Auch wenn vom chinesischen Festland wohl niemand zur Preisverleihung reisen kann - zumindest einige Exilchinesen werden heute in Oslo erwartet. Darunter sollen bekannte Aktivisten und Mitglieder der Demokratiebewegung von 1989 sein, wie die ehemaligen Studentenführer Wu'er Kaixi und Chai Ling oder der in den USA lebende Bürgerrechtler Yang Jianli.
Trotz der verschärften Verfolgung von Regimekritikern hat der Friedensnobelpreis auch eine positive Wirkung auf die Menschenrechtsszene. „Dank der Auszeichnung sind Bürgerrechtler aktiver geworden, haben viel Kraft und Mut gesammelt“, glaubt Renee Xia von CHRD. Der Preis für Liu Xiaobo sei eine Anerkennung für die Opfer, die chinesische Bürgerrechtler erbracht hätten. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen fordern eine sofortige Freilassung Lius und die Aufhebung des Hausarrests für seine Frau. Eine Forderung, die das chinesische Regime kaum beeindrucken dürfte. Die Führung in Peking sieht in Liu Xiaobo einen Kriminellen. Jiang Yu, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, verstärkte am Donnerstag in Peking erneut die Kritik an der Vergabe des Friedensnobelpreises. „Das Nobelpreiskomitee muss erkennen, dass es die Meinung einer Minderheit vertritt. Chinas Bevölkerung und die meisten Menschen weltweit sind gegen diese Entscheidung“, behauptete Yu. Sie bezog sich bei ihrer Äußerung auch auf den Boykott der Verleihungszeremonie in Oslo, an dem sich neben China 18 weitere Staaten beteiligen, nachdem die Führung in Peking zuvor massiven Druck ausgeübt hatte.
Unterdessen hat sich China seinen eigenen Friedenspreis geschaffen. Der „Konfuzius-Friedenspreis“ wurde am Donnerstag in Peking zum ersten Mal vergeben. Als Preisträger wurde der frühere taiwanesische Vizepräsident Lien Chan für seinen Einsatz zur Aussöhnung mit China benannt. Die Volksrepublik begibt sich mit dem Gegenpreis zur Auszeichnung des Nobelkomitees allerdings in unrühmliche Gesellschaft. Aus Protest gegen den Friedensnobelpreis für den damals ebenfalls inhaftierten deutschen Publizisten Carl von Ossietzky schuf Adolf Hitler 1937 den Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft. Während Chinas gelenkte Staatspresse ausgiebig über den „Konfuzius-Friedenspreis“ berichtet, wird der diesjährige Friedensnobelpreis weitgehend ignoriert. Ein Großteil der Bevölkerung in China weiß nicht, dass das erste Mal in der Geschichte einer ihrer Mitbürger den Friedensnobelpreis erhalten hat.
Dessen Preisträger, der 54-jährige Schriftsteller Liu Xiaobo, kämpft seit Jahrzehnten mit friedlichen Mitteln für mehr Demokratie in China. Er ist Autor der „Charta 08“, in der Chinas Regierung zu tiefgreifenden politischen Reformen aufgefordert wird. Im Dezember 2009 wurde er wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ zu elf Jahren Haft verurteilt. Liu war schon in der Demokratiebewegung von 1989 aktiv und musste nach der blutigen Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens für 20 Monate in Haft.
(c) hao.de
sergiohh - 10. Dez, 04:10