Dienstag, 12. Juli 2011

Sorgen im Boomland China

Chinas Führung bekommt die Inflation nicht unter Kontrolle. Die Provinzen und Kommunen der Volksrepublik häufen enorme Schuldenberge an. Das aktuelle Wirtschaftsmodell des Landes gerät an seine Grenzen.

Wiederholt hat Chinas Regierung in den letzten Monaten betont, dass sie zuversichtlich sei, die rasante Inflation im Land in den Griff zu bekommen. Doch Zuversicht muss auch im Boomland China manchmal der Realität weichen. So gab Ministerpräsident Wen Jiabao Ende Juni erstmals zu, dass das ausgegebene Inflationsziel von vier Prozent im laufenden Jahr wohl nicht zu halten sei. Am Wochenende gab das Nationale Statistikamt einen unerwartet starken Anstieg der Teuerungsrate im Juni von 6,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat bekannt – ein Dreijahreshoch. Im Mai lag der Wert noch bei 5,5 Prozent. Sorgen machen der Regierung besonders die steigenden Lebensmittelpreise, die zu sozialen Unruhen führen könnten. Die Preise für Lebensmittel stiegen um 14,4 Prozent. Und das, obwohl Chinas Zentralbank in den letzten Monaten zahlreiche Maßnahmen getroffen hat, um die Inflation zu dämpfen. Seit Oktober hat sie den Leitzins bereits fünf Mal erhöht und die Kapitalanforderungen für die Mindestreserven der Banken neun Mal, um Liquidität abzuschöpfen. Immerhin gehen Finanzexperten nun davon aus, dass die Schritte der Zentralbank bald wirken. „Der Verbraucherpreisindex hat im Juni sein Jahreshoch erreicht. Der Anstieg wird sich in der zweiten Jahreshälfte voraussichtlich verlangsamen", erklärte Lu Zhiming, Ökonom der „Bank of Communications“, vergangene Woche der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Laut Lu wird der Inflationsdruck insgesamt aber auf hohem Niveau bleiben.

Neben der Inflation rückt die Verschuldung chinesischer Regionalregierungen immer mehr in den Vordergrund. Da diese eigentlich keine Kredite aufnehmen dürfen, haben sie Tausende Investmentgesellschaften gegründet, an die Chinas Banken dann großzügig Gelder verliehen haben. Die Kredite wurden meist für gigantische, nicht immer wirtschaftlich sinnvolle Infrastrukturprojekte oder für spekulative Immobiliengeschäfte verwendet. Dabei erfolgte die Vergabe der Kredite häufig ohne genügende Bonitätsprüfungen. Vor Kurzem warnte die Ratingagentur Moody's, dass sich die Verschuldung der Lokalregierungen zu einem ernsthaften Risiko für Chinas Banken entwickeln könnte. Auf welche Höhe sich die Schulden belaufen, ist allerdings unklar – für viele Analysten ein Grund mehr zur Besorgnis. Während die Regierung in Peking offenbar von Verbindlichkeiten von rund zehn Billionen Yuan (etwa 1,09 Billionen Euro) ausgeht, rechnen unabhängige Experten mit weitaus höheren Summen. Mit einem gigantischen Konjunkturprogramm hatte Peking 2008 begonnen, die Volksrepublik durch die weltweite Finanzkrise zu steuern und die Kreditvergabe angekurbelt. Ein großer Teil der derzeitigen Schulden stammt aus dieser Zeit. Wie viele Kredite die Provinzen tatsächlich zurückzahlen können, muss sich noch zeigen.

Der unabhängige Ökonom Andy Xie fordert deshalb eine grundlegende Reform der chinesischen Wirtschaftspolitik. „Chinas Aufschwung ist zu abhängig von der Immobilienblase und Lokalregierungen geworden, die geliehenes Geld ausgeben“, schreibt Xie in einem Beitrag für die Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“. Eine Straffung der Geldpolitik und eine weitere Verlangsamung des Wachstums hält er deshalb für notwendig. Gleichzeitig fordert er wie zahlreiche Experten, die Umstellung der Wirtschaftsstruktur voranzutreiben, weg von der Billigproduktion hin zur Produktion hochwertiger Güter und zur modernen Dienstleistungsgesellschaft. „Einfach nur Geld zu drucken, ist auch kurzfristig keine Lösung mehr“, so Xie.

Auch in Chinas Führung scheint sich diese Erkenntnis durchgesetzt zu haben. So hat man bereits mit dem Umbau der Wirtschaft begonnen. Ob dieser aber schnell genug gelingt, um eine größere Krise zu vermeiden, bleibt abzuwarten. Auch im Umgang mit der Inflation zeigt sich, auf welch schmalem Grad sich die Regierung derzeit bewegt. Sie muss die Inflation unter Kontrolle bekommen, um die soziale Stabilität im Land nicht zu gefährden. Gleichzeitig fürchtet Peking, das Wachstum der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt mit einer zu rigiden Geldpolitik abzuwürgen – was auch Folgen für die weltweite Konjunktur haben würde.

(c) hao.de

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