Samstag, 29. Oktober 2011

Europa hofft, China zögert

In Peking wirbt der Chef des europäischen Rettungsschirms (EFSF) um Hilfe in Milliardenhöhe. Doch China zögert.

Klaus Regling, Chef des europäischen Rettungsschirms (EFSF), versuchte in Peking gar nicht erst zu verbergen, dass er auf große Werbetour nach China gekommen war. Mit der Einigung vom Euro-Krisengipfel im Rücken, buhlte Regling offen um Investitionen aus China. „Es ist doch ganz normal, wenn wir bei unseren Kunden für unsere Anleihen oder neue Produkte werben“, sagte der EFSF-Chef am Freitag vor Journalisten in Peking. China sei ein guter und loyaler Kunde von EFSF-Anleihen. Rund 40 Prozent der Anleihen seien bisher von Investoren in Asien gekauft worden. Wie groß der Anteil Chinas ist, sagte Regling allerdings nicht. Auch nicht, in welcher Form sich China am europäischen Rettungsschirm beteiligen könnte. Derzeit arbeite man an neuen Anleiheprodukten, die auch für China interessant sein könnten. Noch aber gebe es diese nicht. Der EFSF-Chef bestritt in diesem Zusammenhang, dass China politische Bedingungen, wie die Annerkennung als Marktwirtschaft, an ein weiteres finanzielles Engagement knüpfe. Bei Gesprächen im chinesischen Finanzministerium und bei der Zentralbank in Peking habe er hauptsächlich über die Ergebnisse des EU-Gipfels informiert. Bereits am Donnerstag hatte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao telefoniert, um von der Einigung in Brüssel zu berichten. Damit hatte Sarkozy gleichzeitig die Bedeutung Chinas für die Eurorettung hervorgehoben.

Europa wirbt verstärkt um China als Investor. Dessen Führung hält sich aber weiterhin bedeckt. Die Volksrepublik hält Devisenreserven in Höhe von über 3,2 Billionen US-Dollar, die aufgrund der Handelsüberschüsse stetig steigen. Doch obwohl China ohnehin seine Abhängigkeit von US-Staatsanleihen verringern möchte, zögert Peking beim Kauf von weiteren europäischen Staatsanleihen. „Wir wollen jetzt erst einmal abwarten, wie die technischen Details des geplanten neuen Investmentmodells aussehen“, sagte der Vizefinanzminister Zhu Guangyao am Freitag. Eine Verzögerung dürfte Peking gerade recht kommen, zweifelt Chinas Führung doch offenbar daran, dass der Kauf von europäischen Staatsanleihen rein ökonomisch ein gutes Geschäft ist. So sieht man diese mehr als Hilfeleistungen für angeschlagene Eurostaaten, denn als viel versprechendes Investment. Die EU ist Chinas wichtigster Handelspartner und für den Exportweltmeister als Absatzmarkt von zentraler Bedeutung. Eine Ausweitung der EU-Krise hätte auch für China gravierende Folgen. Dennoch warnte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Donnerstag in einem Kommentar davor, das finanzielle Engagement Chinas als Lösung für die Eurokrise überzubewerten. „Europa muss sich letztlich selbst aus der Krise befreien“, hieß es bei Xinhua. Nach den Notstandsmaßnahmen vom EU-Gipfel müssten nun grundlegende Finanzreformen folgen.

China bleibt offenbar auch nach der Einigung in Brüssel skeptisch, ob die EU die Finanzkrise in den Griff bekommen kann. „Wir folgen der Situation genau und sind ziemlich besorgt“, erklärte Vizeaußenministerin Fu Ying am Freitag in Peking, lobte aber gleichzeitig die jüngsten Beschlüsse des EU-Gipfels. Mehrfach hatte Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao der krisengeschüttelten Eurozone in den letzten Monaten finanzielle Hilfe versprochen. Konkrete Zusagen blieben aber aus. Dennoch inszeniert sich Peking geschickt als Retter in der Not und erwartet für seine Hilfsangebote nun Gegenleistungen. Seit Monaten hat China den Druck auf die EU erhöht, ihr den Status als Marktwirtschaft anzuerkennen. Mit der EU-Finanzkrise sieht Peking nun seine Chance gekommen, diese Forderung durchzusetzen. Weitere Investitionen in Staatsanleihen europäischer Krisenstaaten gibt es nur, wenn sich die EU in diesem Punkt auf China zu bewegt. So dürfte das politische Geschäft aussehen, auch wenn weder chinesische noch europäische Vertreter dies offen zugeben wollen.

Für Chinas Führung sind die europäischen Staatsanleihen ohnehin nur eine Möglichkeit von vielen, um ihre Devisenberge anzulegen. Großes Interesse herrscht besonders an direkten Investitionen in europäische Unternehmen, von denen man sich gute Geschäfte erhofft. So könnten sich chinesische Firmen europäisches Know-how aneignen, das ihnen auch auf dem heimischen Markt hilft. Noch sind derartige Investitionen überschaubar. Doch in zahlreichen Branchen sind Unternehmen aus der Volksrepublik, meist mit staatlicher Unterstützung, schon aktiv. Zuletzt kauften zwei chinesische Unternehmen am Freitag den insolvenzbedrohten Autohersteller Saab.

Innerhalb der EU hofft man allerdings, dass China neben diesen Direktinvestitionen auch weiter in europäische Staatsanleihen investiert. „China erzielt große Handelsüberschüsse und muss diese auch Anlegen“, so EFSF-Chef Regling. Er zeigte sich optimistisch, dass China langfristig auf europäische Staatsanleihen setzt. Dass es sich dabei um eine sichere Anlage handelt, davon muss die EU China offenbar noch überzeugen. Die nächste Gelegenheit hierzu bietet sich kommende Woche auf dem G20-Gipfel in Cannes, an dem auch Chinas Präsident Hu Jintao teilnimmt. Auf dem Treffen soll über Maßnahmen zur Ankurbelung der Weltwirtschaft beraten werden. Trotz der kritischen Lage, in der sich diese befindet, dürfte es für Hu eine angenehme Reise werden, sichern ihm die begehrten Devisenberge Chinas doch großen politischen Einfluss.

(c) hao.de

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