Mittwoch, 29. Juni 2011

Kooperation und Konkurrenz

Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao geht in Europa auf große Einkaufstour. Doch die chinesische Unterstützung für die angeschlagene Eurozone ist kein reiner Freundschaftsdienst.

Europareisen chinesischer Politiker geraten immer mehr zu groß angelegten Einkaufstouren. Auch auf seiner aktuellen Reise durch Ungarn, Großbritannien und Deutschland hat Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao, viel Geld im Gepäck. In Deutschland, wo unter der Leitung von Wen Jiabao und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) derzeit die ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen stattfinden, sollen zahlreiche Wirtschaftsabkommen unterzeichnet werden. Deutschland rechnet mit Abschlüssen in Milliardenhöhe – vor allem in der Automobil- und Flugzeugbaubranche. Ihr Handelsvolumen wollen beide Länder in den nächsten fünf Jahren von über 130 Milliarden auf 200 Milliarden Euro steigern. In anderen europäischen Staaten, die schwerer von der internationalen Finanz- und Eurokrise getroffen wurden, geht das chinesische Engagement noch weiter. So erklärte Wen Jiabao am Samstag in Budapest, ungarische Staatspapiere kaufen zu wollen. „China hat Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung Europas und sieht sich als langfristigen Investor in Staatsschulden europäischer Staaten“, so Wen. Wie schon zuvor betonte er die Unterstützung seines Landes für Europa und den Euro. Vom deutschen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) gab es dafür Lob. „China hat in den letzten Monaten eine stabilisierende Rolle auf dem europäischen Finanzmarkt gespielt. Dafür sind wir dankbar“, erklärte Westerwelle in einem Interview mit der chinesischen Zeitung „Beijing News“ von Dienstag.

Schon längst hat Peking auch in andere strauchelnde Eurostaaten investiert. Ob Griechenland, Portugal, Spanien, Italien oder Irland. China vergibt seit der internationalen Finanzkrise großzügig Kredite, kauft sich über Staatsanleihen in Europa ein. Dabei versteht es die Führung in Peking, sich als Retter der angeschlagenen Eurozone zu inszenieren. Mit dem an sich begrüßenswerten Euro-Engagement verfolgt China aber naturgemäß auch eigene Interessen. Die Europäische Union (EU) ist der wichtigste Außenhandelspartner des Landes, das noch in hohen Maßen von seinen Exporten abhängig ist. Eine allzu geschwächte EU hätte auch negative Auswirkung auf die chinesische Wirtschaft. Und China stützt den Euro schon deshalb, weil das Land etwa ein Viertel seiner 3,3 Billionen US-Dollar Devisenreserven mittlerweile in Euro angelegt hat. Daneben hofft Peking mit dem Engagement auf größeren politischen Einfluss. Je mehr die Volksrepublik in Europa investiert, desto schwerer fällt deren Regierungschefs Kritik, wenn es zum Beispiel um heikle Themen wie die Menschenrechtsfrage geht. So sehr Chinas Führung Gemeinsamkeiten hervorhebt – auch in Wirtschaftsfragen wird das Konfliktpotential steigen. Schon deshalb, weil China vehement eine größere Rolle in der internationalen Finanzpolitik einfordert. Der wachsende politische Einfluss dürfte Peking helfen, Streitfragen für sich zu entscheiden. Wie etwa bei Chinas Bemühungen, die Anerkennung des marktwirtschaftlichen Status des Landes in der EU durchzusetzen, um sich so vor Anti-Dumping-Verfahren schützen zu können. Ministerpräsident Wen Jiabao trug diesen Wunsch am Dienstag in Berlin erneut vor. Gerade mit Blick auf den Schutz von geistigem Eigentum überwiegt in der EU bisher die Ansicht, dass die Volksrepublik die Kriterien für den Status einer Marktwirtschaft noch nicht erfüllt. China wird in diesem und in anderen Bereichen den Druck auf die EU erhöhen.

Schon in der Vergangenheit hat das selbstbewusste Auftreten Chinas dabei für Unmut gesorgt. So hatte sich EU-Kommissar Karel De Gucht bereits Ende 2010 über die Einflussnahme Pekings beschwert. Die EU-Kommission sah schon damals mit Sorge, wie Chinas Führung Druck auf Mitgliedstaaten ausübte, damit sie gegen Strafzölle auf chinesische Dumpingware stimmen. In der Volksrepublik, aber auch in Deutschland, als wichtigstem Handelspartner Chinas in der EU, gibt es Stimmen, die vor einem wachsenden Konfliktpotenzial in den Wirtschaftsbeziehungen warnen. „China erhöht das Tempo, um seine Industrie auf Hightech-Produkte umzustellen. Das wird noch zu Handelsstreitigkeiten mit anderen Ländern führen, die solche Produkte herstellen“, erklärte Zhang Yuyan, Analyst des Instituts für Weltwirtschaft und Politik der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, bereits vor einigerer Zeit. Der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hob am Montag zwar die Bedeutung der Volksrepublik für die deutsche Wirtschaft hervor. Gleichzeitig machte er aber deutlich, dass China auf den internationalen Märkten ein immer stärkerer Konkurrent werde. „Deutschland muss darauf achten, dass offene Märkte keine Einbahnstraße sind“, sagte Rösler der „Bild“-Zeitung. Dagegen ist Außenminister Guido Westerwelle offenbar daran gelegen, die Angst vor der schon jetzt zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt China zu zerstreuen. Der Aufstieg einer Macht sei in der globalisierten Welt von heute nicht automatisch mit dem Abstieg anderer Länder verbunden, erklärte Westerwelle der Beijing News. „Nicht zuletzt in der Wirtschaft profitieren unsere Länder besonders vom Austausch. Keiner wird schwächer. Im Gegenteil, unsere beiden Länder werden stärker.“

(c) www.morgenweb.de

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