Samstag, 4. Dezember 2010

Lauter leere Stühle

Peking fürchtet den Nobel-Festakt. Selbst Ai Weiwei, Chinas bekanntester Künstler, hat Reiseverbot.

Er ist wohl Chinas bekanntester Künstler. Vor allem in Europa, aber auch in Asien, den USA und in Australien werden seine Werke gezeigt. Dafür bereist Ai Weiwei die Welt. Doch damit ist es zumindest vorerst vorbei. Der 53-Jährige wollte am Donnerstag eigenen Angaben zufolge von Peking aus nach Südkorea und dann weiter nach Deutschland, Dänemark und in die Ukraine reisen. Doch die chinesische Grenzpolizei stoppte ihn etwa 30 Minuten vor seinem Abflug. „Eine Polizistin zeigte mir eine Anweisung des Büros für öffentliche Sicherheit, wonach meine Ausreise aus China die nationale Sicherheit gefährden könnte“, erklärte Ai Weiwei. Dabei habe er gar nicht geplant, nach Norwegen zu reisen. Dennoch geht Ai davon aus, dass sein Reiseverbot mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo zusammenhängt. Offenbar will die chinesische Regierung verhindern, dass Freunde und Mitstreiter Liu Xiaobos an der Preisverleihung am 10. Dezember in Oslo teilnehmen.

Denn Ai Weiweis Reiseverbot ist kein Einzelfall. Zahlreichen Aktivisten und Intellektuellen wurde in den vergangenen Wochen die Ausreise verweigert. Ein ähnliches Schicksal ereilte den angesehenen Ökonom Mao Yushi. Seine geplante Reise zu einer Konferenz nach Singapur endete ebenfalls Donnerstag am Pekinger Flughafen. „Ich habe noch nie Probleme gehabt, das Land zu verlassen“, sagte Mao dem US-Sender Radio Free Asia. Auch ihm wurde ohne weitere Erklärung der Behörden mitgeteilt, dass seine Ausreise die nationale Sicherheit gefährde. „Ich denke aber, das Verbot wird etwas damit zu tun haben, dass Liu Xiaobo den Friedensnobelpreis gewonnen hat“, sagte Mao, der zu den Unterzeichnern der von Liu initiierten „Charta 08“ für mehr Demokratie gehört. Mao Yushi erklärte, das Vorgehen der Behörden hätte ihn an die Kulturrevolution erinnert. „Sie sagten mir, ich wäre ein gefährliches Element“, so Mao weiter.

Sun Wenguang, ein pensionierter Professor der Universität in Nanjing und langjähriger Aktivist, muss seine Reisepläne ebenfalls auf Eis legen. Sein Antrag auf einen Reisepass wurde zu Beginn der Woche abgelehnt. Zuvor hatte er öffentlich angekündigt, dass er die Preisverleihung in Oslo besuchen wolle. „Liu Xiaobos Frau hat mir eine Einladung geschickt. Deshalb habe ich entschieden teilzunehmen“, sagte Sun Wenguang. Vor etwa drei Wochen waren bereits der Anwalt des Friedensnobelpreisträgers, Mo Shaoping, und der bekannte Jurist He Weifang am Flughafen daran gehindert worden, zu einer Tagung nach London zu fliegen. Auch ihnen hatte die Polizei erklärt, dass ihre Reise eine Bedrohung der nationalen Sicherheit Chinas darstelle.

Der diesjährige Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo war im Dezember 2009 wegen Untergrabung der Staatsgewalt zu elf Jahren Haft verurteilt worden und sitzt derzeit im Jinzhou-Gefängnis in der Provinz Liaoning. In der „Charta 08“ forderten Liu und seine Mitstreiter tiefgreifende politische Reformen. „Die Rückständigkeit des gegenwärtigen Systems ist an einem Punkt angekommen, an dem es ohne Reformen nicht mehr geht“, heißt es in dem Manifest, das bisher mehr als 10 000 Menschen unterschrieben haben. Liu hatte bereits wegen seines Engagements in der Demokratiebewegung von 1989 im Gefängnis gesessen. Nach der Bekanntgabe der Vergabe des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo im Oktober hatten die chinesischen Behörden dessen Frau unter Hausarrest gesetzt. Wie ihr Mann wird auch Liu Xia aller Wahrscheinlichkeit nach nicht an der Preisverleihung in Oslo teilnehmen können. Mit einigem Erfolg scheint China dafür zu sorgen, dass nicht nur die Stühle des Ehepaares leer bleiben.

China hatte mit harscher Kritik auf die Ehrung Liu Xiaobos mit dem Friedensnobelpreis reagiert. Chinas Führung bezeichnete Liu, der stets mit friedlichen Mitteln für Demokratie und Meinungsfreiheit eingetreten ist, als Kriminellen. Und die Regierung in Peking bekräftigte ihre Kritik am Nobelpreis für Liu. „Es geht bei Liu Xiaobo nicht um freie Meinungsäußerung oder Menschenrechte", so Außenamtssprecherin Jiang Yu. Vielmehr sei es eine „krasse Einmischung“ in die chinesische Justiz. Anfang November hatte China Regierungen in aller Welt vor einer Teilnahme an der Verleihungszeremonie in Oslo gewarnt. Vizeaußenminister Cui Tiankai drohte in Peking damals mit nicht näher definierten Konsequenzen.

(c) hao.de

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Vertrauensverluste auf allen Seiten

Egal mit welcher neuen Provokation Nordkorea die internationale Gemeinschaft und den südkoreanischen Nachbarn auch schockt – die chinesische Führung unterlässt jegliche öffentliche Kritik an ihrem alten Verbündeten Pjöngjang. Auch nach dem nordkoreanischen Artilleriebeschuss der südkoreanischen Insel Yeonpyeong vor rund einer Woche, bei dem vier Menschen ums Leben kamen, wartete man vergebens auf eine Verurteilung des Angriffs durch Peking. Doch mag man den neuesten Enthüllungen der Internetplattform Wikileaks glauben schenken, dann ist die Freundschaft beider Staaten nur noch oberflächlich intakt. China, das sich mehrfach für Frieden und Stabilität in Ostasien eingesetzt hat, scheint zunehmend von den unberechenbaren Provokationen Nordkoreas frustriert.

Ein weiteres Beispiel sind die Berichte über Fortschritte des nordkoreanischen Atomprogramms. „Gegenwärtig wird der Bau eines Leichtwasserreaktors aktiv vorangetrieben und eine moderne Uran-Anreicherungsanlage mit mehreren Tausend Zentrifugen ist in Betrieb, um die Versorgung mit Treibstoff sicherzustellen“, hieß es am Dienstag in der staatlichen Zeitung „Rodong Sinmun“. Das Nuklearprogramm diene zivilen Zwecken und solle noch weiter ausgebaut werden. Nach dem Angriff auf eine südkoreanische Insel werteten Analysten auch diese Meldung als weiteren Versuch Nordkoreas, Verhandlungen mit den USA zu erzwingen.

Dazu passen die nun von Wikileaks enthüllten Depeschen. Dort wird der chinesische Vizeaußenminister He Yafei mit den Worten zitiert, Nordkorea wolle direkte Gespräche mit den USA und benehme sich wie ein „verzogenes Kind“, um die Aufmerksamkeit des „Erwachsenen zu bekommen“. He Yafei habe die Äußerungen nach Nordkoreas Raketentest im April 2009 getätigt. Der Konflikt um den Untergang des südkoreanischen Kriegsschiffs „Cheonan“ im März, das laut internationalen Ermittlern durch einen nordkoreanischen Torpedo versenkt wurde, oder eben der neueste Konflikt nach dem Angriff auf eine südkoreanische Insel – all das dürfte die Meinung chinesischer Diplomaten über den Verbündeten nicht verbessert haben. Seit Monaten hatte sich Peking um eine Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche zum nordkoreanischen Atomprogramm bemüht. Doch nun wollen sich Unterhändler der beiden Koreas, der USA, Chinas, Japans und Russlands voraussichtlich noch nicht einmal zu einem Krisengespräch in multilateraler Runde zusammenfinden. Auf der anderen Seite wird sich der gescholtene nordkoreanische Führer Kim Jong Il so seine Gedanken machen, inwieweit er China noch trauen kann. Die enthüllten Dokumente über Chinas Haltung zu Nordkorea dürften aber auch das Verhältnis Washingtons und Pekings trüben. Vertrauensverluste auf allen Seiten.

War eine gewisse Unzufriedenheit Chinas über Nordkorea schon vor den Wikileaks-Enthüllungen zu erkennen, so geben weitere Dokumente überraschendere Einblicke. Eine kleine Sensation wäre es, sollte China tatsächlich bereit sein, ein wiedervereinigtes Korea unter Südkoreas Kontrolle zu akzeptieren. So liest es sich zumindest aus südkoreanischen Quellen, die Wikileaks veröffentlichte. Nordkorea habe als „Pufferstaat“ nur noch wenig Wert für China, zitierte im Januar dieses Jahres der damalige südkoreanische Vizeaußenminister und heutige Sicherheitsberater Chun Yung Woo chinesische Offizielle. Im Falle einer Wiedervereinigung würde China allerdings US-Truppen auf heutigem nordkoreanischem Gebiet eindeutig „nicht willkommen“ heißen, so Chun.

Wie aussagekräftig diese Passage wirklich ist, kann nur schwer eingeschätzt werden, sind es doch keine direkten Äußerungen von chinesischer Seite. Es bleibt viel Raum für Spekulationen. Doch zumindest eröffnen die Wikileaks-Enthüllungen eine Gedankenwelt, in der auch China eines Tages einer Wiedervereinigung beider Koreas zustimmen könnte. Interpretationen, dass China mit aller Macht an Nordkorea festhalte, um die derzeit in Südkorea stationierten etwa 30 000 US-Soldaten auf Distanz zuhalten, könnten demnach bald überholt sein.

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Montag, 29. November 2010

Brisantes Manöver im Gelben Meer

Die USA starten ihre Militärübung mit Südkorea – und Nordkorea rüstet an der Seegrenze weiter auf

Schüsse, Drohungen, Kriegsgefahr – wie befürchtet, hat sich die Situation zwischen Nord- und Südkorea am Sonntag weiter verschärft, nachdem Seoul und Washington ihr gemeinsames Militärmanöver im Gelben Meer begonnen haben. An der seit längerem geplanten Marine- und Luftwaffenübung nimmt nach Angaben der südkoreanischen Armee auch der Flugzeugträger „USS George Washington“ teil. Nordkoreas Führung hatte das auf vier Tage angelegte Manöver im Vorfeld mehrfach als Provokation verurteilt und vor unkalkulierbaren Folgen gewarnt. Nach Beginn der Militärübung verschärfte das Regime in Pjöngjang seine Kriegsrhetorik weiter. Man werde auf jede Verletzung des eigenen Hoheitsgebietes mit einem Gegenschlag reagieren, vermeldete Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA.

Offenbar um seinen Drohungen Nachdruck zu verleihen, ließ das nordkoreanische Militär erneut einige Artilleriegeschosse los. Südkoreanischen Medienberichten zufolge waren am Sonntag nahe der Insel Yeonpyeong Artilleriefeuer zu hören. Die Bewohner der Insel wurden aufgefordert, in Bunkern Schutz zu suchen. Die Schussgeräusche stammten allerdings lediglich von Schussübungen Nordkoreas auf dessen eigenem Territorium, nicht von den Geschützen entlang der Küste.

Am Dienstag waren durch den nordkoreanischen Angriff auf Yeonpyeong zwei Soldaten und zwei Zivilisten getötet worden. Zahlreiche Menschen wurden verletzt, Wohnhäuser zerstört. Nordkorea nahm unterdessen das Seemanöver der US-Streitkräfte mit Südkorea zum Anlass weiter aufzurüsten. Nahe der umstrittenen Seegrenze an der Westküste seien zusätzliche Raketen aufgestellt worden, berichtete Yonhap.

Trotz des Unbehagens Chinas über die Militärübung Südkoreas und der USA im Gelben Meer versucht die chinesische Führung mittlerweile, ihrer international geforderten Vermittlerrolle gerecht zu werden. Am Sonntag schlug China multilaterale Krisengespräche im Rahmen der „Sechs-Parteien-Runde“ vor, um den derzeitigen Konflikt zu beenden. Chefunterhändler Nord- und Südkoreas, der USA, Chinas, Japans und Russlands sollten dafür Anfang Dezember in Peking zusammenkommen. Dies erklärte der chinesische Sondergesandte für die koreanische Halbinsel, Wu Dawei, am Sonntag vor Journalisten in Peking. Auch wenn Wu betonte, das von China angeregte Treffen sei keine Wiederaufnahme der 2009 von Nordkorea einseitig abgebrochenen „Sechs-Parteien-Gespräche“ über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm: Seit Monaten schon macht sich Chinas Führung für eine Neuauflage der multilateralen Gespräche stark. Wu reiste auch mit dem obersten chinesischen Außenpolitiker, Staatsrat Dai Bingguo, zu Gesprächen nach Seoul – wahrscheinlich auch, um für den chinesischen Vermittlungsversuch zu werben. Dai, so erklärte später ein Sprecher von Südkoreas Präsident Lee, habe versichert, dass China sich um eine Entspannung der Lage auf der koreanischen Halbinsel bemühen wolle. China hat es bisher vermieden, Nordkorea für den Angriff auf die Insel Yeonpyeong öffentlich zu kritisieren. Die Volksrepublik gilt als letzter Verbündeter Nordkoreas.

Wie groß die Chancen für die chinesische Friedensinitiative derzeit sind, ist noch unklar. Denn Nordkoreas Drohungen bleiben von Südkorea nicht unbeantwortet. Präsident Lee Myung Bak warnte am Sonntag, dass man eine starke Antwort geben werde, falls Nordkorea seine Provokationen fortsetze. Lee sieht sich innenpolitisch steigendem Druck ausgesetzt, entschlossener gegen den Nachbarn im Norden vorzugehen. So kündigte der Kommandeur der südkoreanischen Marineinfanterie Yoo Nak Joon am Samstag bei einer Trauerfeier für die zwei durch Nordkorea getöteten Soldaten „tausendfache“ Vergeltung an.

Wenig überraschend ist daher, dass Südkorea zurückhaltend auf Chinas Initiative zu multilateralen Krisengesprächen reagierte. In einer ersten Stellungnahme des Außenministeriums in Seoul von Sonntag hieß es, der Vorschlag sollte „sehr vorsichtig“ geprüft werden.

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Samstag, 27. November 2010

Die Vogelgrippe meldet sich zurück

Nach dem ersten Vogelgrippefall seit sieben Jahren sind die Behörden beunruhigt. Experten sehen derzeit kein Infektionsrisiko.

Es ist bisher nur ein Einzelfall. Doch die Meldung über eine neue Infektion mit Vogelgrippe versetzte in Hongkong die Gesundheitsbehörden in Alarmbereitschaft. Die Vogelgrippe ist ein sehr aggressives Influenzavirus, das in erster Linie Geflügel krank macht und tötet, aber auch auf Menschen überspringen kann. Die erkranken lebensbedrohlich. Es ist das erste Mal seit sieben Jahren, dass in der autonomen chinesischen Sonderverwaltungszone eine derartige Infektion wieder auftrat. Vor zwei Wochen war der Fall einer 59-jährigen Frau bekannt geworden, die nach einer Reise auf das chinesische Festland erkrankt ist. Ob die Frau das H5N1-Virus nach Hongkong eingeschleppt hatte, ist unklar. „Die Wahrscheinlichkeit ist aber groß, dass die Quelle vom Festland stammt“, erklärte Hongkongs Gesundheitssekretär York Chow Yat-Ngok.

Anzeichen für eine Übertragung des Virus von Mensch zu Mensch gebe es bisher nicht.
Da viele Hongkonger und Taiwanesen regelmäßig auf das chinesische Festland reisen, ermahnten die Behörden in der Sonderverwaltungszone und in Taiwan die Bevölkerung zu sorgsamer Hygiene. In Hongkong müssen zudem Patienten, die mit hohem Fieber in Krankenhäuser eingeliefert werden, augenblicklich auf Vogelgrippe untersucht werden. Die Kontrollen von Geflügel, das vom Festland importiert wird, wurden verschärft. Auch das chinesische Gesundheitsministerium versetzte seine örtlichen Gesundheitsbüros in Bereitschaft. Den aktuellen Erkrankungsfall sehen vorerst weder die Behörden in Hongkong noch die WHO als Vorboten einer neuen Viruswelle. „Natürlich muss man die Situation genau beobachten. Es ist bisher aber nur ein isolierter Fall, der das Infektionsrisiko nicht erhöht“, sagte WHO-Sprecherin Vivian Tan den „Salzburger Nachrichten“ in Peking. Die Behörden in Hongkong und auf dem Festland müssten dennoch Aufklärungsarbeit leisten, wie man sich vor der Ansteckung schützen kann. Diese erfolgt meist über direkten Kontakt mit infiziertem Federvieh.
Die erkrankte Frau aus Hongkong hat sich vermutlich auf einem Fleischmarkt mit dem H5N1-Virus infiziert. Sie war zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter in die chinesischen Städte Schanghai, Nanjing und Hangzhou gereist. Während ihres Aufenthalts auf dem Festland, aber auch nach ihrer Rückkehr nach Hongkong hatte sie Märkte mit lebenden Tieren und Frischfleisch besucht.

Nach Meinung der Experten der WHO sind solche Märkte, die es überall auf der Welt gibt, nicht das tatsächliche Problem, sondern das, was auf den Märkten passiert: das Schlachten von Geflügel. Hier bestehe die höchste Gefahr einer Ansteckung. „Wenn die hygienischen Bedingungen schlecht sind und Menschen dem Blut, Federn und Kot der Tiere ausgesetzt werden, steigt die Ansteckungsgefahr“, erklärt Peter Ben Embarek, Experte für Lebensmittelsicherheit der WHO in China. Unnötiger Kontakt mit Geflügel sollte auf jeden Fall vermieden werden. Doch darin liegt in Asien häufig das Problem. „Das H5N1-Virus zirkuliert nach wie vor in der Geflügelpopulation mehrerer Länder in Asien sowie in Ägypten. Hier leben Menschen und Federvieh häufig eng zusammen, wodurch sich die Ansteckungsgefahr erhöht“, sagt Embarek.
Im Jahr 2010 ist die Zahl der H5N1-Erkrankungen beim Menschen in Asien noch gering. In China wurde bisher nur ein Todesfall bestätigt. Der Zustand der zuletzt erkrankten Frau hat sich stabilisiert. Die Vogelgrippe tritt allerdings besonders in den kalten Monaten auf.

Mittlerweile gibt es Hunderte unterschiedliche Varianten von Vogelgrippeviren, von denen einige wenige auf den Menschen übertragbar sind. Besonders gefährlich ist das H5N1-Virus. Nach Informationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind seit 2003 weltweit 507 Menschen daran erkrankt und 302 gestorben. Zum bisher letzten größeren Ausbruch der Vogelgrippe war es 2006 gekommen. Damals erkrankten laut Statistik der WHO 115 Menschen, 79 kamen ums Leben. Hongkong hatte schon häufiger mit der Vogelgrippe zu kämpfen. 1997 war es dort zum ersten größeren Ausbruch der Grippe unter Menschen gekommen.

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Freitag, 26. November 2010

Das Schweigen des großen Bruders

Nach dem Angriff Nordkoreas auf Südkorea will Chinas Führung den Partner nicht offen kritisieren

Nordkorea droht mit weiteren Angriffen auf Südkorea, die Führung in Seoul stockt ihre Truppen auf und der US-Flugzeugträger „George Washington“ ist für gemeinsame Militärübungen mit Südkorea auf dem Weg in die Region. Dennoch hat es lange gedauert, bis sich China auch auf höchster Ebene zu einer Stellungnahme über die derzeitige Koreakrise hat durchringen können. In der explosiven Situation aber brach die chinesische Führung endlich ihr Schweigen. Regierungschef Wen Jiabao beschrieb die derzeitige Lage bei einem Treffen mit Russlands Präsident Dmitri Medwedew in Moskau als ernst und kompliziert. „Die internationale Gemeinschaft sollte größere Anstrengungen unternehmen, um die Spannungen abzubauen“, zitierte ihn die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua.

Wen Jiabao rief die Konfliktparteien zu „äußerster Zurückhaltung“ auf. „China lehnt jede Form von militärischer Provokation ab“, erklärte Wen. Wie bei vorherigen Provokationen durch Nordkorea vermied es Chinas Führung aber, Pjöngjang direkt zu kritisieren oder gar für den Angriff zu verurteilen. Die gewohnt vagen Äußerungen ließen auch Raum für Spekulationen, ob sich Wen auf Nordkoreas Angriff oder das für Sonntag geplante Militärmanöver Südkoreas und der USA bezog. Sicher ist, dass Chinas Führung wohl mit beidem unzufrieden ist. Aus dem Außenministerium in Peking war so etwas wie Missfallen über eine verstärkte Präsenz der USA vor der koreanischen Halbinsel zu spüren. „Wir haben die relevanten Berichte erhalten und bringen unsere Besorgnis darüber zum Ausdruck“, erklärte ein Sprecher des Ministeriums am Donnerstag mit Blick auf das Militärmanöver. China befürchtet eine Provokation Nordkoreas durch die Kriegsübung.

Schon nach dem Vorfall um das mit einem Torpedoangriff versenkte südkoreanische Kriegsschiff „Cheonan“ im März hatten Washington und Seoul eine gemeinsame Militärübung durchgeführt. Ende Juli übten die Streitkräfte der USA und Südkoreas gemeinsam vor der südkoreanischen Halbinsel. Rund 8000 Soldaten nahmen nach US-Angaben daran teil. Auch der Flugzeugträger „George Washington“ war beteiligt, das Schiff ist auch jetzt wieder auf dem Weg in Richtung Südkorea. Das Manöver war von China stark kritisiert worden, das Reich der Mitte antwortete anschließend mit eigenen militärischen Übungen im ostchinesischen Meer.

Doch auch mit ihrem nordkoreanischen Partner kann China nicht zufrieden sein. Denn Nordkoreas Führung scheint nicht viel auf Pekings Wunsch nach Frieden in Ostasien zu geben und setzt ihre Eskalationsstrategie fort. „Wir werden eine zweite und dritte Runde an Vergeltungsschlägen ausführen, sollten die Kriegstreiber in Südkorea uns erneut rücksichtslos militärisch provozieren“, hieß es in einer Mitteilung des nordkoreanischen Militärs. Darin wurden die USA als eigentlicher Verursacher des Konflikts bezeichnet. Doch trotz des unberechenbaren und aggressiven Vorgehens Pjöngjangs sieht China in einem Zusammenbruch Nordkoreas die eigentliche Bedrohung für die Stabilität in der Region.

Vor allem die USA zeigen sich immer deutlicher unzufrieden über Chinas taktische Zurückhaltung. „Peking muss ein deutliches Signal an Pjöngjang senden, dass es die provokativen Akte gegen Südkorea beenden muss“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums in Washington. Südkorea, das unter dem Schutz der USA steht, kündigte die Aufstockung seiner Truppen auf Inseln entlang der umstrittenen Seegrenze an. „Wir sollten in unserer Wachsamkeit nicht nachlassen und uns auf weitere Provokationen durch Nordkorea vorbereiten“, sagte Präsident Lee Myung Bak. Dieser spürt auch innenpolitischen Druck. Am Donnerstag trat Verteidigungsminister Kim Tae Young zurück. Zahlreiche Abgeordnete hatten der südkoreanischen Militärführung vorgeworfen, zu spät und zu unentschlossen auf den Granatenbeschuss der Insel Yeonpyeong am Dienstag reagiert zu haben, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap. Bei dem Angriff waren vier Menschen getötet worden. Das südkoreanische Militär hatte nach eigenen Angaben das Feuer aus Nordkorea erwidert.

Donnerstag, 25. November 2010

Über die Grenze

Mit dem Angriff auf die Insel Yeonpyeong im Gelben Meer und seinem Atomprogramm hat Pjöngjang die Welt aufgeschreckt. Wie es jetzt weitergeht, wohin Nordkorea seine Technik verkauft und was die US-Regierung tun kann.

Auch zwei Tage nach dem nordkoreanischen Artillerieangriff auf Südkorea ist die Gefahr einer Eskalation auf der koreanischen Halbinsel noch nicht gebannt. Nordkorea hatte die südkoreanische Insel Yeonpyeong am Dienstag überraschend mit Dutzenden Granaten beschossen. Dabei starben zwei südkoreanische Soldaten. Es gab zahlreiche Verletzte, darunter auch Zivilisten. Am Mittwoch wurde bekannt, dass auch Zivilisten getötet wurden. Marinesoldaten hätten die Leichen zweier Männer gefunden, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap. Während die Drohung Nordkoreas, weitere Angriffe vorzunehmen, im Raum steht und Südkoreas Militär in Alarmbereitschaft ist, versuchen Koreas Nachbarn, die Spannungen zu entschärfen. Ein Balanceakt, fordert die Provokation doch eine scharfe Verurteilung durch die umliegenden Staaten und die USA heraus.

Wie geht es jetzt weiter?

Der japanische Regierungschef Naoto Kan verurteilte den Angriff Nordkoreas auf den Süden als „untragbaren Akt der Barbarei“. Nach Angaben japanischer Nachrichtenagenturen verabredete er mit dem südkoreanischen Präsidenten Lee Myung Bak telefonisch eine engere Kooperation. Zusammen mit Südkorea und den USA wolle man sich für Frieden und Stabilität in Ostasien einsetzen. Zuvor forderte er China auf, Pjöngjang zur Vernunft zu bringen. Die Volksrepublik gilt als letzter Verbündeter Nordkoreas und hatte das Regime in Pjöngjang in der Vergangenheit immer wieder in Schutz genommen. Doch der internationale Druck auf Peking, Nordkorea in die Schranken zu weisen, wird größer. China selbst kann über die häufigen Provokationen nicht glücklich sein. Denn auch die chinesische Führung will Stabilität in der Region. Nordkoreas Konfrontationskurs offenbart, dass Chinas Einfluss auf Pjöngjang geringer sein könnte als gedacht. Das könnte auch erklären, warum man nun den Schulterschluss mit den USA sucht. Denn trotz des Überfalls auf Südkorea wollen China und die USA versuchen, eine Wiederaufnahme der multilateralen Verhandlungen über Pjöngjangs Atomprogramm zu erreichen. „Beide Seiten glauben, dass alle Parteien gemeinsame Anstrengungen unternehmen sollten, um die Bedingungen für eine Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche zu schaffen“, hieß es am Mittwoch aus dem chinesischen Außenministerium. Zuvor hatte der US-Sondergesandte für Nordkorea, Stephen Bosworth, in Peking zahlreiche Gespräche geführt.
Sorgen bereitet auch das Atomprogramm Nordkoreas. Wie weit ist das Land?
Am Wochenende waren Berichte bekannt geworden, die Auskunft über Fortschritte des nordkoreanischen Atomprogramms gaben. So hatte der US-Atomwissenschaftler Siegfried Hecker in einem Interview mit der „New York Times“ den Bau einer neuen Urananlage geschildert. Hilfe sei dabei maßgeblich von dem pakistanischen Wissenschaftler Abdul Kadir Khan gekommen, sagten deutsche Sicherheitsexperten dem Tagesspiegel. Khan gilt als „Vater“ des pakistanischen Atomwaffenprogramms. Verdächtigt wird zudem China, Nordkorea beim Aufbau seines Programms unterstützt zu haben.
Der Konflikt um das Atomwaffenprogramm schwelt schon lange. Bereits 2002 verdächtigten die USA Pjöngjang, über ein geheimes Urananreicherungsprogramm für Atomwaffen zu verfügen und damit gegen das Abkommen von 1994 zur Beilegung der ersten Nuklearkrise zu verstoßen. 2003 kam es in Peking zu den Sechs-Parteien-Gesprächen, an denen neben Nord- und Südkorea China, die USA, Russland und Japan teilnahmen. Doch Nordkorea lenkte nur vordergründig ein. 2005 gab Pjöngjang erstmals offiziell zu, Nuklearwaffen produziert zu haben. Trotz aller Bemühungen hat Nordkorea sein Atomprogramm nie aufgegeben. Erstmals im Oktober 2006 und dann im Mai 2009 testete das Regime Atomwaffen. Kurz vor dem zweiten Test war Nordkorea aus den Sechs-Parteien-Gesprächen ausgestiegen. Atombomben und Unberechenbarkeit waren bisher Kim Jong Ils größtes Kapital. Es sind wohl die letzten beiden Trümpfe, die ihm bleiben.Daneben betätigt sich Nordkorea auch beim Verkauf von Waffen- und Atomtechnologie und unterläuft so Sanktionen der Vereinten Nationen (UN).

Wohin verkauft Nordkorea seine Technik?

Es gibt keine öffentlich bestätigten Erkenntnisse, mit welchen Staaten oder Firmen Nordkorea solchen Handel betreibt. Rechtlich ist er durch das Embargo verboten. Laut einem UN-Expertenbericht, der im November in New York vorgelegt wurde, beliefert Pjöngjang den Iran heimlich mit Technologie und Know-how für dessen Atomprogramm. Außerdem erhielten Syrien und Birma ähnliche Sendungen. Waffengeschäfte sind dem Bericht zufolge mittlerweile zu einer Haupteinnahmequelle Nordkoreas für Devisen geworden. Es gibt nur zwei Wege, wie Güter nach Nordkorea oder dort heraus gelangen: die Landgrenze mit China oder die See. Der Schiffsverkehr wird überwacht. Wenn die USA oder ihre Partner Informationen über verdächtige Ladungen erhalten, wird das entsprechende Schiff gestoppt und untersucht.
Daher ist so erschreckend, dass Nordkorea seit dem Rauswurf der Inspekteure im April 2009 eine neue moderne Urananreicherungsfabrik aufbauen konnte, ohne dass der Westen das bemerkte. Sorgen bereitet Experten auch die Gefahr, Nordkorea könnte Nuklearmaterial an Terroristen verkaufen. „Es gibt ein hohes Risiko, dass Nordkorea versucht, mit nichtstaatlichen Akteuren ins Geschäft zu kommen“, sagt Markus Tidten, Asienexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Man müsse erwarten, „dass spaltbares Material an den Meistbietenden weitergegeben wird“. Nordkorea stehe wirtschaftlich „mit dem Rücken zur Wand“ und Nuklearmaterial sowie konventionelle Waffen zählten zu den wenigen Gütern, die dem Land noch Devisen bringen könnten. In Sicherheitskreisen wird das ähnlich gesehen. Die Weitergabe radioaktiver Stoffe an Terroristen sei „eine Option“, sagt ein Experte. Nordkorea habe damit eine Ware, mit der sich viel Geld verdienen lasse, während bei der Terrorszene schon seit langem mit dem Einsatz einer schmutzigen Bombe, eines Sprengsatzes mit radioaktiven Abfällen, zu rechnen sei.

Was kann die US-Regierung tun?

Die USA sind ratlos. Drei Präsidenten, Bill Clinton, George W. Bush und nun Barack Obama, haben über viele Jahre versucht, Nordkorea sowohl mit Verhandlungen als auch mit Sanktionen zu beeinflussen – ohne Erfolg. Verträge hat Pjöngjang wiederholt gebrochen. Und das Embargo hat das Regime nicht daran gehindert, sein Atomprogramm fortzuführen. Nordkorea ist insofern kein Beispiel für eine unterschiedliche Politik der beiden großen Parteien. Allenfalls neigen Republikaner eher dazu, die Verweigerung neuer Sechsergespräche als Strafe für die Vertragsbrüchigkeit Pjöngjangs zu sehen. Und Demokraten laufen eher Gefahr, dass ihnen der diplomatische Ansatz als Weichheit ausgelegt wird. Obama hat bei Amtsantritt gegenüber Nordkorea, dem Iran und Kuba auf Diplomatie gesetzt und schlägt – außer bei Kuba, wo sich Wandel abzeichnet – allmählich einen härteren Kurs ein.
Doch Fachleute beider Lager geben unumwunden zu, dass die USA nur schlechte Optionen haben. Wenn sie Nordkorea und seine Schutzmacht China beeinflussen wollen, müssen sie an den Verhandlungstisch zurückkehren. Oder riskieren, dass Pjöngjang die Verweigerung der Gespräche mit neuen Angriffen auf Südkorea beantwortet. Zugleich haben die Erfahrungen Clintons und Bushs gezeigt: Verhandlungsergebnisse sind wenig wert. Nordkorea ist bereit, Zusagen nicht einzuhalten. Der wichtigste Ansatzpunkt ist China. Peking kann Nordkorea seine Verärgerung durch Reduzierung der Hilfe spüren lassen. Obama hat darüber mit Präsident Hu Jintao beim G-20-Gipfel gesprochen. Es wird auch ein Thema sein, wenn Hu im Januar die USA besucht.

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Mit beschränkten Mitteln

Südkoreas Präsident Lee Myung Bak

In dieser Krise wird Lee Myung Bak viel taktisches Gespür aufbieten müssen. Der 68-Jährige muss Stärke zeigen und sein Volk beruhigen, das sich taktischen Spielen des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Il ausgeliefert sieht. Gleichzeitig muss Lee Myung Bak, der für Frieden in Ostasien einsteht, vermeiden, das Regime in Pjöngjang allzu sehr zu provozieren. Direkt nach dem nordkoreanischen Angriff auf die Insel Yeonpyeong hatte er mit Vergeltung gedroht: Falls Pjöngjang nochmals angreife, werde es einen „enormen Gegenschlag“ geben. Gleichzeitig erklärte er, dass eine weitere Eskalation vermieden werden müsse. So zeigt sich Lee Myung Baks Dilemma – ihm bleiben nur Drohungen, einen Krieg darf er nicht riskieren. Und damit sind seine Mittel im Umgang mit Nordkorea begrenzt.

In Nordkorea ist er denkbar unbeliebt. Denn Lee hatte die „Sonnenschein-Politik“ seines Vorgängers – Austausch und Hilfe ohne Forderungen an den Norden – aufgegeben. Lebensmittellieferungen knüpfte er an eine entscheidende Bedingung: Nordkorea müsse zuerst sein Atomprogramm aufgeben. Pjöngjang bedankt sich auf seine Weise und verhält sich seit Lees Amtsantritt immer aggressiver – zumal dieser sich außenpolitisch auch noch deutlich an den USA orientiert. Am liebsten würde sich Lee Myung Bak, dessen Amtszeit 2007 begann und in zwei Jahren endet, ausschließlich mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigen. Als Ausrichter des letzten G-20-Treffens im November hatte er die Chance dazu. Der Gipfel der großen Wirtschaftsmächte im eigenen Land wird für ihn ein entscheidender Moment seiner Präsidentschaft gewesen sein. Er hat erreicht, dass Seoul zum Austragungsort des Gipfels wurde und die Welt nach Südkorea schaute. Lee, der auch einmal Geschäftsführer im Hyundai-Konzern war, hat Wirtschaftsfragen ins Zentrum seiner Politik gerückt. In armen Verhältnissen aufgewachsen, hat er sich zum Multimillionär hochgearbeitet. Auch für die Wirtschaft Südkoreas hat sich der häufig kühl wirkende Politiker viel vorgenommen. Und zumindest hat Südkorea die internationale Finanzkrise schneller überstanden als andere Länder – und ist auf Platz 13 der Wirtschaftsmächte weltweit aufgestiegen.

Doch vorerst muss sich Lee Myung Bak im Umgang mit der nordkoreanischen Bedrohung beweisen. Macher-Qualitäten, die dem konservativen Politiker nachgesagt werden, können Lee dabei aber kaum weiterhelfen. Denn im Konflikt mit Nordkorea sind seine Handlungsmöglichkeiten beschränkt. Nur mit taktischem Feingefühl und der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft wird er Südkorea aus dieser Krise steuern können.

Mittwoch, 24. November 2010

Nordkorea: Gegen Feind und Freund

Mit dem unerwarteten Granatenangriff auf eine südkoreanische Insel brüskiert Pjöngjang vor allem China. Und die geplanten "Sechs-Parteien-Gespräche" dürften damit nun in weite Ferne gerückt sein.

ls Provokation hatte der US-Sonderbeauftragte für Nordkorea, Stephen Bosworth, die neue nordkoreanische Atomanlage zur Urananreicherung am Montag in Seoul bezeichnet. Von einer neuen Krise wollte Bosworth zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht sprechen. Doch nach dem nordkoreanischen Granatenangriff auf eine südkoreanische Insel ist die Krise offensichtlicher denn je. Der Angriff der nordkoreanischen Artillerie kam völlig unerwartet. Mindestens 200 Geschosse schlugen nach Berichten aus Seoul auf der vor Südkoreas Westküste gelegenen Insel Yeonpyeong ein. Ziel war offenbar ein Militärstützpunkt unweit der Seegrenze zu Nordkorea. Südkoreas Präsident Lee Myung Bak versammelte seine Vertrauten in einem unterirdischen Luftschutzbunker zu einer Krisensitzung. Selbst wenn der aktuelle Konflikt militärisch nicht weiter eskaliert, sind die Folgen für die Weltwirtschaft unabsehbar. Zahlreiche asiatische Börsen, darunter die in Hongkong und Bangkok, brachen ein. Südkoreas Finanzminister lud für diesen Mittwoch Spitzenvertreter aus Finanzwelt, Wirtschaft und der Zentralbank ein, um die Auswirkungen des Konflikts zu diskutieren.

Für Spannungen hatte bereits am Wochenende ein Bericht gesorgt, der die Existenz einer neuen Urananlage in Nordkorea bekannt machte. In einem Interview mit der „New York Times“ hatte der US-Atomwissenschaftler Siegfried Hecker erklärt, dass Nordkorea heimlich und relativ schnell eine Urananlage gebaut habe. Hecker hatte die Anlage in Nordkorea Mitte November besucht. Am Montag hatte der US-Sonderbeauftragte Bosworth noch zurückhaltend auf den Bericht reagiert und seine Hoffnung über eine baldige Wiederaufnahme der Gespräche über das nordkoreanische Atomprogramm geäußert. Doch nach dem nordkoreanischen Angriff dürften die „Sechs-Parteien-Gespräche“ in weite Ferne gerückt sein. Südkorea steht unter dem Schutz seines Bündnispartners, der USA. Diese verurteilten den nordkoreanischen Angriff vehement. „Pjöngjang muss sein aggressives Handeln beenden, sich an die Vorgaben der nach dem Koreakrieg getroffenen Waffenstillstandsvereinbarung halten“, erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs. Bereits am Montag hatte US-Generalstabschef Mike Mullen Nordkoreas engsten Verbündeten China aufgefordert, mäßigenden Druck auf die Führung in Nordkorea auszuüben.

Doch bisher hat Chinas Führung eine öffentliche Maßregelung Pjöngjangs immer abgelehnt und seinen Einfluss auf das Regime heruntergespielt. Auch nach der neuerlichen Eskalation des Konflikts zeigte sich China nur besorgt, ohne Nordkoreas Führung zu kritisieren. „Wir hoffen, die betreffenden Parteien handeln auf eine Weise, die dem Frieden und der Stabilität auf der koreanischen Halbinsel dienlich ist“, sagte Hong Lei, Sprecher des Außenministeriums in Peking. Für die chinesische Führung spielt die Stabilität der Region eine entscheidende Rolle. Deshalb stützt sie das weitgehend isolierte und bankrotte Nordkorea. Einen Zusammenbruch des Nachbarregimes will Peking vermeiden, da es noch immer als Puffer zu den fast 30 000 in Südkorea stationierten US-Soldaten gilt. Zusätzlich befürchtet man bei einem Kollaps unkontrollierbare Flüchtlingsströme.

Der Überfall ist eine Ohrfeige für Nordkoreas letzten Verbündeten China. Peking wurde offenbar völlig überrascht. Schon seit Monaten hat sich das Land hinter den Kulissen bemüht, Nordkorea zu neuen Verhandlungen über sein strittiges Atomprogramm zu bewegen. Doch nach der neuerlichen Eskalation werden sich wohl erst einmal keine Partner für Abrüstungsgespräche finden. Pjöngjangs Eskalationsstrategie wird für China immer mehr zum Ärgernis. Welche Ziele Nordkorea mit seinem militärischen Gebaren verfolgt, bleibt vorerst unklar. Experten spekulieren, Kim Jong Ils aggressives Vorgehen entspringe innenpolitischem Kalkül. So könnte sich der Diktator die Zustimmung des Militärs für die baldige Machtübergabe an seinen jüngsten Sohn Kim Jong Un sichern wollen.

Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao hatte erst vor wenigen Wochen den offenbar schwerkranken Kim Jong Il empfangen und dessen Nachfolge abgesegnet. Zu den Feierlichkeiten anläßlich des 60. Jahrestages des Krieges gegen die „Imperialisten des Südens und der USA“ durften sich Kim senior und junior in Pjöngjang auch mit chinesischen Kriegsveteranen und hochrangigen Militärs schmücken. Mao Zedong hatte den kommunistischen Bruderstaat einst vor der totalen Niederlage bewahrt. Als die Truppen der UN unter Führung der USA die nordkoreanischen Angreifer Ende 1950 bis an die chinesische Grenze zurückgedrängt hatten, warf Mao fast eine Million Rotarmisten in die Schlacht und erzwang so den heutigen Status. Vier Millionen Menschen starben in diesem blutigen Konflikt, in dem mehr Bomben fielen als im Zweiten Weltkrieg. Formell befinden sich die beiden verfeindeten Bruderstaaten noch immer im Krieg. Seit 1953 ist das Land durch eine vier Kilometer breite entmilitarisierte Zone geteilt. Auf beiden Seiten beäugen sich schwerbewaffnete Einheiten.

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Dienstag, 16. November 2010

Tote bei Hochhausbrand in Schanghai

Beim Brand in einem Schanghaier Hochhaus sind am Montag 42 Menschen getötet worden. Das Haus wurde renoviert, das Baugerüst geriet in Brand.

Zunächst brannte nur das Baugerüst. Doch in Windeseile griffen die Flammen auf das 28-stöckige Hochhaus in der Innenstadt der chinesischen Millionenmetropole Schanghai über. „Erst sah ich nur etwas Rauch aus dem Fenster steigen, dann war der ganze Raum voll von Rauch“, berichtete eine Arbeiterin gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Die Frau hatte im 28. Stock Wärmeisolierungen installiert. Sie konnte sich über einen Notausgang retten.
Am Montag gegen 14 Uhr war das Feuer an dem Gebäude ausgebrochen, das in einem der am dichtesten besiedelten Bezirke Schanghais steht. Aufgrund von Renovierungsarbeiten war das Hochhaus beinahe vollständig von Baugerüsten umgeben. Nach Angaben von Xinhua kamen bei dem Brand mindestens 42 Menschen ums Leben, über 90 weitere wurden verletzt. Die meisten Verletzten erlitten nach offiziellen Angaben keine schweren Verbrennungen. Sie hätten vor allem zu viel Rauch eingeatmet. Nach chinesischen Medienberichten hatten einige Bewohner des Hochhauses versucht, sich über das Baugerüst zu retten und seien dabei in die Tiefe gestürzt. Zahlreiche Menschen konnten sich dennoch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Anwohner der umliegenden Gebäude flohen in Panik vor den Flammen. Dunkle Rauchschwaden stiegen von dem Hochhaus auf und waren noch kilometerweit zu sehen. Das Staatsfernsehen zeigte Bilder von einem Hubschrauber, der einen Feuerwehrmann auf dem Dach des brennenden Gebäudes absetzte. Die Einsatzkräfte benötigten fünf Stunden, um das Feuer unter Kontrolle zu bekommen. Laut chinesischen Medienberichten waren mehr als 80 Löschzüge der Feuerwehr im Einsatz.

Aus Angst, das Feuer könnte auf nebenstehende Hochhäuser übergreifen, hatte die Polizei das Gebiet abgesperrt und zahlreiche Bewohner in Sicherheit gebracht. Laut „Shanghai Daily“ war die Hitze so groß, dass selbst die Fenster umliegender Gebäude so heiß wurden, dass man sie nicht berühren konnte. Die Ursache des Feuers ist bisher unbekannt. Die Feuerbekämpfung in der mit rund 15 000 Hochhäusern extrem dicht besiedelten Stadt gilt als besonders schwierig.

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