Montag, 28. Februar 2011

China träumt sich grün

China will grüner werden. Dafür setzt die kommunistische Führung des Landes auf Erneuerbare Energien. Der neue Fünfjahresplan soll die endgültige Wende zum nachhaltigen Wirtschaften bringen. Doch in Wahrheit ist man davon noch weit entfernt.

Viel wurde in den letzten Monaten über den zwölften Fünfjahresplan spekuliert, mit dem Chinas Führung ihre politischen Richtlinien festlegt. Ende nächster Woche beginnt nun der jährliche Nationale Volkskongress, offiziell Chinas höchstes Staatsorgan, auf dem etwa 3 000 Delegierte die Arbeit der Regierung absegnen. Dann wird auch der neue Fünfjahresplan veröffentlicht, von dem bisher nur einige Eckdaten bekannt sind. Doch Chinas Führung hat kaum einen Zweifel daran gelassen, dass die Förderung von neuen Umwelttechniken und Erneuerbaren Energien ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Mehrfach hat Premierminister Wen Jiabao in den letzten Monaten hervorgehoben, dass man ein ausgewogeneres und nachhaltigeres Wachstum anstrebe. Dafür will Chinas Führung in den nächsten fünf Jahren 300 Milliarden Dollar jährlich in Schlüsselindustrien wie Erneuerbare Energien und Informationstechnik investieren. Weg von der Produktion billiger Massenware, hin zur Fertigung von Spitzentechnologie. So soll bald auch umweltschonender produziert werden.

Schon mit dem letzten Fünfjahresplan, also seit 2006, hat China zumindest auf dem Papier begonnen, die energiepolitische Wende einzuläuten. Doch die Umweltvisionen der Zentralregierung verbreiten sich nur langsam in die Provinzen des Landes. Gerade auf regionaler und lokaler Ebene fehlt es den Parteifunktionären an Verständnis für Umweltbelange – die weitverbreitete Korruption tut ihr Übriges. „Besonders für die Provinzregierungen zählt häufig noch immer nur das Wirtschaftswachstum, das man um jeden Preis steigern möchte“, sagt Li Ang, Expertin für Energiepolitik von Greenpeace China in Peking. „China muss seine energieintensive Produktionsweise endlich überwinden und die Strukturen für einen schonenden Umgang mit seinen Ressourcen schaffen“, so Li.

Doch noch ist China größter Verursacher der globalen Erwärmung. Das Wirtschaftswachstum des Landes stützt sich weiterhin auf den Energieträger Kohle. 70 Prozent der verbrauchten Energie stammen aus Kohlekraftwerken. Allerdings glaubt Li Ang von Greenpeace, dass sich in der Regierung langsam die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass man sich nicht mehr allein auf fossile Brennstoffe verlassen kann. Denn die umweltbelastende Produktionsweise wird immer deutlicher zum Problem. Nur noch knapp die Hälfte des Wassers in den Seen und Flüssen der Volksrepublik ist laut offiziellen Angaben trinkbar. Ein Viertel soll sogar zu dreckig zur industriellen Nutzung sein. In der Nähe von Minen für den Abbau von Seltenen Erden, wie in der kleinen Stadt Beitou in der ostchinesischen Provinz Jiangxi, sind ganze Seen nur noch giftige Kloaken. „Früher haben wir das Wasser aus den Flüssen getrunken. Aber jetzt können noch nicht einmal Fische oder Garnelen darin überleben“, erzählt Liu Shengyuan, der in Beitou lebt. Um Seltene Erden beim Abbau zu lösen, werden giftige Chemikalien verwendet, die dann ins Erdreich gelangen und die umliegende Natur verseuchen. Umweltauflagen sind häufig nicht streng genug oder werden nicht eingehalten. Erst Anfang Januar erlitten mehr als 200 Kinder im Osten Chinas Bleivergiftungen, für die eine illegale Batteriefabrik verantwortlich gemacht wurde. Und die Luftverschmutzung in zahlreichen Millionenstädten ist, auch aufgrund steigender Kraftfahrzeugzahlen, häufig gesundheitsschädlich. Während die Folgen der Umweltzerstörung für die Bevölkerung unübersehbar sind, wird das chinesische Wirtschaftswachstum weniger auffällig von dem zerstörerischen Treiben beeinflusst. Eine von der Regierung in Auftrag gegebene Studie kam vor Kurzem zu dem Ergebnis, dass die Verunreinigung der Natur 2008 Folgekosten von umgerechnet circa 156 Milliarden Euro verursacht habe. Eine andere Studie, an der auch Greenpeace beteiligt war, errechnete einen mehr als doppelt so hohen Schaden.

Schon deshalb versucht die Regierung dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Neben China investiert nur Deutschland, berechnet nach seiner Wirtschaftskraft, noch etwas mehr in saubere Energieträger. Der Energieverbrauch gemessen an der Wirtschaftsleistung hat sich seit 1980 um etwa 60 Prozent verringert. Chinas Regierung will die Energieeffizienz bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber den Werten von 2005 verbessern. Eine Verdoppelung des Anteils der Erneuerbaren Energien auf 15 Prozent gehört ebenfalls zu diesen Zielen. Wobei Peking auch Atomenergie und umstrittene Wasserkraftwerke mit einrechnet. Doch trotz der Bemühungen reduziert China den Ausstoß seiner Treibhausgase nicht, sondern bremst nur ihren gewaltigen Anstieg.

Auch wenn sich Chinas Führung mit dem neuen Fünfjahresplan hohe Ziele setzen wird, bei der Entwicklung des Sektors für Erneuerbare Energien schon jetzt beeindruckende Statistiken vorweisen kann – kaum ein Umweltexperte erwartet, dass China seine Abhängigkeit von der Kohle in näherer Zukunft überwinden kann. „Kohle wird für die nächsten Jahrzehnte die wichtigste Energiequelle des Landes bleiben, auch wenn ihr Anteil am Energiemix schrittweise verringert wird“, sagte Yang Fuqiang, Klimaexperte des World Wildlife Fund (WWF) gegenüber der „South China Morning Post“. Und Chinas rasantes Wachstum heizt den Energiehunger weiter an. Seinen traurigen Titel als weltweit größter Kohleverbraucher wird China so vorerst weiter behalten.

(c) hao.de

Sicherheitsbehörden verhindern Proteste in China

Mit einem Großaufgebot der Polizei unterbinden chinesische Behörden die zaghaften Ansätze einer Protestbewegung nach arabischem Vorbild. Beim Versuch über die Proteste zu berichten, werden auch deutsche Journalisten verhaftet.

Ein junger Mann tritt aus der Tür einer Einkaufspassage, die direkt auf die berühmte Straße Wangfujing im Zentrum Pekings führt. Der Mann hat seine Mütze ins Gesicht gezogen und schaut auf den Boden. Er versucht, sich möglichst unauffällig zu bewegen. Doch kaum hat er einen Schritt auf die Straße gemacht, kommen drei Polizisten auf ihn zu und führen ihn ab. Der Mann ist den Sicherheitsbehörden offenbar bekannt. Sein Ziel dürfte ein Schnellrestaurant in der Wangfujing gewesen sein. Dort sollen sich die Menschen laut einem anonymen Internetaufruf nun jede Woche treffen, um gegen die chinesische Regierung zu protestieren. Doch offensichtlich hat sich die Polizei in Peking diesmal noch akribischer auf eine mögliche Demonstration vorbereitet als nach dem ersten Onlineaufruf zu „Jasmin-Protesten“. Noch am letzten Sonntag hatte sich an dem Schnellrestaurant eine Menschenansammlung aus Demonstranten, Schaulustigen, Polizisten in Zivil und ausländischen Journalisten gebildet. Doch diesmal konnten die Sicherheitsbehörden in Peking einen erneuten Menschenauflauf verhindern. Direkt vor dem Treffpunkt wurde bereits Ende der Woche eine Baustelle eingerichtet, die große Menschenansammlungen unmöglich macht – wohl kaum ein Zufall. Sicherheitskräfte versuchten Menschen daran zu hindern, sich dem Schnellrestaurant zu nähern. Neben einem Großaufgebot an uniformierter Polizei patrouillierten zahlreiche Mitglieder der Staatssicherheit in Zivil in der Einkaufsstraße. Passanten wurden zum Weitergehen aufforderten. Menschen mit Fotokameras wurden gestoppt und ihre Personalausweise überprüft. Wie schon vor einer Woche kam es auch diesmal zu Verhaftungen, obwohl es keine Anzeichen für einen offenen Protest gab. Auch in Shanghai unterdrückte die Polizei eine geplante Demonstration mit einem massiven Einsatz. Allerdings benötigten die Sicherheitskräfte rund eine Stunde, um etwa 200 Menschen vom zentralen Platz des Volkes in Shanghai zu vertreiben.

Ganz offenbar fürchtet Chinas Führung auch kritische Berichte ausländischer Medien. In Peking wurden zahlreiche Medienvertreter, die über die Protestaktion berichten wollten, von Sicherheitsbeamten vertrieben. Mindestens zwei Journalisten wurden verletzt. Mehr als ein Dutzend Journalisten, Fotografen und Kameramänner wurde für mehrere Stunden in Polizeigewahrsam genommen. Darunter deutsche Kamerateams der ARD und des ZDF. Die China-Korrespondentin der ARD Christine Adelhardt wurde mit ihrem Kamerateam von etwa 15 Männern in Zivil mit Gewalt von der Straße in eine Bankfiliale gedrängt. Später wurde das Fernsehteam mit einem Mannschaftswagen der Polizei abtransportiert und kam erst nach fünf Stunden in Haft frei. Die Polizei habe ihr vorgeworfen, keine Drehgenehmigung für die Einkaufsmeile Wangfujing besessen zu haben. „Uns wurde gesagt, es gebe neue Vorschriften, dass an bestimmten Orten nicht ohne Genehmigung gedreht werden dürfe“, sagte Adelhardt. Sie habe sich schriftlich entschuldigen müssen, bevor sie frei gelassen wurden. Ihr ZDF-Kollege Johannes Hano und seine Team durften erst am späten Sonntagabend gehen. Zwar waren ausländische Korrespondenten am Freitag mit Blick auf die geplanten Proteste noch ausdrücklich aufgefordert worden, sich an chinesische Gesetze zu halten, doch waren keine neuen Vorschriften genannt worden.

Auch wenn in China derzeit nicht mit ähnlichen Volksaufständen wie in Ägypten oder Libyen zu rechnen ist, reagiert die kommunistische Führung äußerst nervös auf auch noch so kleine Anzeichen von Protest. Offenbar im Zusammenhang mit den Demonstrationsaufrufen haben die Behörden ihr Vorgehen gegen chinesische Bürgerrechtler und Aktivisten in den letzten Tagen verschärft. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation „Chinese Human Rights Defenders (CHRD)“ wurden mehr als 100 Menschen im ganzen Land verhört, eingeschüchtert und teilweise unter Hausarrest gestellt oder gar verhaftet. „Die ohnehin schon schwierige Situation wird immer schlimmer“, sagte Renee Xia, Direktor von CHRD bereits vor einigen Tagen. Das Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen Menschenrechtsanwälte, Bürgerrechtler und auch Blogger sei noch härter, als bei vergleichbaren Kampagnen wie nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo.

Vor etwa einer Woche wurde der Protestaufruf gegen Chinas Führung das erste Mal auf der ausländischen Webseite „Boxun.com“ veröffentlicht und verbreitete sich dann im Internet. In dem Aufruf beziehen sich die Initiatoren auf die „Jasmin-Revolte“ in Tunesien und die Proteste für mehr Demokratie im arabischen Raum. Allerdings kam es bisher zu keinen größeren Demonstrationen, obwohl auch China mit einigen Problemen zu kämpfen hat. In der Volksrepublik sorgen vor allem steigende Lebensmittel- und Immobilienpreise für Unmut in der Bevölkerung. Chinas Führung hat die rasante Inflation als schwerwiegendes Problem für die angestrebte „harmonische“ Gesellschaft ausgemacht. In einem Online-Chat, den chinesische Medien verbreiteten, zeigte sich Chinas Regierungschef Wen Jiabao besorgt über die Lage im Land. Allerdings ging er dabei nicht auf die aktuellen Protestaufrufe ein. „Wir müssen die rasante Preissteigerungen in Grenzen und die Wohnungspreise auf einem angemessenen Niveau halten“, sagte Wen Jiabao am Sonntag. Gleichzeitig versprach er eine gerechtere Einkommensverteilung und größere Investitionen ins Sozialsystem. Ende kommender Woche beginnt die Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses, auf dem die Regierung auch den zwölften Fünfjahresplan verabschieden will. Dieser umfasst die politischen Richtlinien des Landes. Regierungschef Wen Jiabao versprach in diesem Zusammenhang, dass der neue Fünfjahresplan die Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung in den Mittelpunkt stelle.

(c) hao.de

Samstag, 26. Februar 2011

China in der „Elternfalle“

Lernen bis zum Umfallen – Die in den USA geborene Chinesin Amy Chua verkauft ihre strengen Erziehungsmethoden als chinesisches Erfolgsmodell. Das überraschend gute Abschneiden Schanghais bei der Pisa-Studie scheint ihr oberflächlich gesehen Recht zu geben. Doch halten immer mehr chinesische Experten und Eltern das eigene Bildungssystem für überholt.

„Wenn ich groß bin, möchte ich als Taekwondo-Profi für China die Olympischen Spiele gewinnen oder als Polizist in Australien arbeiten“, erzählt der zehnjährige Li Junxing. Auch chinesische Schulkinder haben Träume. Ihnen bleibt aber nur selten Zeit, diesen nachzuhängen. Wie die meisten chinesischen Schüler hat Junxing einen vollgepackten Stundenplan. Auf den regulären Unterricht folgen Lerngruppen, Sprachunterricht und andere Zusatzaktivitäten. Bis 16 Uhr hat Junxing, der in die 6. Klasse eines modernen Internats geht, täglich Unterricht. Danach muss er Hausaufgaben machen. Zusätzlich bekommt er Klavierunterricht, Taekwondostunden und zweimal die Woche privaten Englischunterricht. „Ich habe schon genug Zeit zu spielen. Nur wenn Prüfungen anstehen, wird es eng“, sagt der Pekinger Schüler.

Häufig endet der Schultag eines chinesischen Schülers mit Hausaufgaben und Privatunterricht nicht vor 21 Uhr. „Wir wollen unseren Kindern die beste Bildung ermöglichen“, sagt Junxings Mutter Zhu Ying, die wie ihr Mann im Finanzbereich arbeitet. Sie weiß, dass sie ihrem Sohn viel zumutet, doch nur so habe er später die Chance auf eine gutbezahlte Arbeit. Der Konkurrenzkampf um die beste Ausbildung hat sich in China im letzten Jahrzehnt verschärft. Auch weil das chinesische Bildungssystem die Schulung von Eliten im Blick hat und nicht auf die breite Masse abzielt. Als „Elternfalle“ betiteln Chinas Medien häufig dieses Dilemma. „Wir Eltern haben keine große Wahl. Wir sind diesem gesellschaftlichem Druck ausgesetzt“, sagt Zhu Ying. Wie viele chinesische Mütter glaubt sie aber nicht daran, dass der Bildungsdrill in ihrem Land ein Vorbild für andere Nationen ist. Zurückhaltend und kritisch waren dann auch die chinesischen Reaktionen auf das Buch „Mutter des Erfolgs“ der „Tigermutter“ Amy Chua, in dem sie beschreibt, wie sie ihre Töchter mit strenger Disziplin auf Erfolg trimmt. Denn chinesische Eltern sehen sich eher als Opfer eines Bildungssystems, dass sie dazu zwingt, ihre Kinder mit harter Hand anzutreiben. Dies wie Amy Chua als Erfolgsrezept zu verkaufen, damit können sich nur wenige Chinesen identifizieren.

Ob gewollt oder nicht, der Druck auf chinesische Schulkinder ist groß. Das Ziel chinesischer Eltern bleibt – sie alle wollen sehr gute Noten für ihre Kinder. Nur diese ermöglichen den Zugang zu guten Universitäten, Grundvoraussetzung für einen gut bezahlten Job. Bei der Bewertung der Schüler setzt Chinas Schulsystem schon bei den Jüngsten auf regelmäßige Tests. Ohne hohe Punktzahlen bleiben den Kindern die guten Mittelschulen verschlossen. Gleiches gilt in der Prüfung der 5. Klasse, die bestimmt, ob man eine der besseren Oberschulen besuchen kann. Am Ende entscheidet die wichtige Aufnahmeprüfung („Gaokao“), ob man einen Studienplatz bekommt. Deshalb lernen chinesische Kinder so intensiv für Prüfungen, deshalb konzentrieren sie sich vor allem aufs Auswendiglernen. Und deshalb ist ihr Leben ein einziger Wettbewerb.

Nicht erst seit die Autorin Amy Chua mit ihrer These der „überlegenen chinesischen Mütter“ den Westen aufgeschreckt hat, diskutieren Experten, ob China nun auch in Sachen Bildung vorneweg marschiert. Schon die aktuelle Pisa-Studie ließ Viele neidvoll nach China blicken. Zum ersten Mal hatten Schüler vom chinesischen Festland aus der Millionenmetropole Schanghai an der Studie teilgenommen und gleich herausragende Ergebnisse in Mathematik, Naturwissenschaften und auch beim Lesen und Verstehen von Texten erzielt. Doch während man in Europa und den USA voller Anerkennung auf das gute Abschneiden der chinesischen Schüler schaut, warnen chinesische Bildungsexperten davor, die Ergebnisse überzubewerten. So schreibt Jiang Xueqin, Bildungsexperte der Pekinger Universität, im „Wall Street Journal“, Chinas Schulsystem sei zwar „mit seinen fordernden Eltern, ambitionierten Schülern und seiner Testbesessenheit das strengste der Welt“. Während die Welt dieses System jetzt lobe, sei China aber gerade dabei, dessen Schwächen zu begreifen. Viele chinesische Schulen würden daran scheitern, Schüler auf eine höhere Bildung und eine wissensorientierte Wirtschaft vorzubereiten.

„Wie kann man eine starke Vorstellungskraft und Kreativität entwickeln, wenn man nur auswendig lernen darf, was in den Lehrbüchern steht. Wenn einem gesagt wird, dass es nur eine richtige Antwort auf eine Frage gibt“, heißt es in einem Kommentar der Zeitung „China Daily“, im Dezember kurz nach der Bekanntgabe der Pisa-Ergebnisse. Auf Kosten einer glücklichen Kindheit würden chinesische Kinder zu professionellen Prüflingen herangezogen. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Chinas Regierung Fehlentwicklungen im Bildungssystem erkannt. „In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die chinesische Politik darum bemüht, die Prüfungsorientierung des Systems zu mindern“, heißt es in einem Dokument der OECD, das sich mit dem chinesischen Bildungssystem befasst. Auch den Arbeitsaufwand der Schüler versuche China zu reduzieren.

Doch ein Blick in den Alltag von chinesischen Schulkindern genügt, um sich davon zu überzeugen, dass diese Anstrengungen bisher noch nicht gefruchtet haben. „An manchen Tagen schlafen mir die Kinder im Unterricht ein. So erschöpft sind sie“, sagt Lu Hua, die an einer der vielen privaten Sprachschulen in Peking Englisch unterrichtet. Schon Dreijährigen habe sie Englisch beibringen sollen, die noch kaum ihre eigene Sprache beherrschten.
Häufig wird auch übersehen, dass an dem Pisa-Test lediglich Schüler aus Schanghai und aus Hongkong teilgenommen haben. Doch diese sind bei weitem nicht repräsentativ für das ganze Land. Schanghai hat als reiche Hafenstadt für das chinesische Festland traditionell immer eine Vorreiterrolle eingenommen, kann viel Geld in Bildungseinrichtungen fließen lassen.

Und Schanghais Erfolg beruht gerade darauf, dass man vom restlichen Lehrsystem des Landes abweicht. Laut dem Pisa-Chef bei der OECD Andreas Schleicher wird der Unterricht in vielen Schulen Schanghais nicht mehr aufs Pauken von Faktenwissen reduziert. Vielmehr werde Unterricht gegeben, der weit über das bloße Reproduzieren von Wissen hinausgehe. Lehrer würden individuell auf die Bedürfnisse ihrer Schüler eingehen. Nimmt man hinzu, dass auch Schanghais Schüler immer noch ein äußerst hohes Arbeitspensum absolvieren und routinierte Prüflinge sind, kommt man einer Erklärung des chinesischen Pisa-Erfolgs sehr nah. Hongkong, dessen Schüler den vierten Platz bei Pisa belegten, ist ein noch offensichtlicherer Sonderfall. Mit seiner Vergangenheit als britische Kronkolonie gilt auch bei der Bildung das Motto „ein Land, zwei Systeme“. Mögen einige andere chinesische Großstädte noch an dieses Spitzenniveau heranreichen – die Bedingungen in den ländlichen Regionen sehen deutlich schlechter aus. Schon deshalb sind Lobeshymnen auf Chinas Bildungssystem mit Vorsicht zu genießen.

(c) hao.de

Freitag, 25. Februar 2011

Presseschau China 02/11

Peking – Auch Chinas Zeitungen beschäftigen sich mit dem Aufstand in Libyen und dem brutalen Vorgehen von Muammar al-Gaddafis Regime gegen die eigene Bevölkerung.

Einige Details müssen Chinas staatliche Medien dabei allerdings verschweigen. So fand Gaddafis Drohung, er werde ein Massaker anrichten „wie einst auf dem Tiananmen-Platz in Peking“ dank der chinesischen Zensur keinen Weg in die Medien des Landes. Mit seiner Anspielung auf die blutige Niederschlagung der Studentenproteste vom 4. Juni 1989 in Peking dürfte Gaddafi Chinas Führung verärgert haben, die enge wirtschaftliche Verbindungen mit Libyen pflegt. Die Erwähnung der Ereignisse vom 4. Juni ist in China tabu.

In einem Bericht der englischsprachigen „Global Times“ von Donnerstag wurde vor allem die Frage diskutiert, ob internationale Sanktionen gegen Libyen ein sinnvolles Mittel seien. „Jetzt ist nicht die richtige Zeit für Sanktionen. Eine ausländische Intervention oder Friedensmission könnte einen Krieg auslösen“, zitierte die „Global Times“ Li Weijian vom Schanghaier Institut für internationale Studien. Der Druck auf Gaddafi, das gewalttätige Vorgehen gegen die Bevölkerung einzustellen, war in den letzten Tagen stetig gewachsen. Die „Global Times“ berichtete weiter auch über die Bemühungen der chinesischen Regierung, ihre Bürger aus Libyen zu evakuieren. Rund 33 000 Chinesen leben nach offiziellen Angaben in dem nordafrikanischen Staat. Laut chinesischer Medienberichte vom Mittwoch ordneten Staats- und Parteichef Hu Jintao und Regierungschef Wen Jiabao nach einer Krisensitzung umfangreiche Schritte zu deren Evakuierung an.

Montag, 21. Februar 2011

Proteste auch in China

Vereinzelte Demonstrationen - Chinesische Behörden ersticken Protest im Keim

Ein anonymer Internetaufruf zu Demonstrationen in China hat die Sicherheitsbehörden in der Volksrepublik aufgeschreckt. Offenbar in Anlehnung an die Volksaufstände in Ägypten und in anderen arabischen Ländern wurde im Internet zu einer „Jasmin Revolution“ und Demonstrationen in 13 chinesischen Städten aufgerufen. In Peking und Schanghai kam es daraufhin am Sonntagnachmittag zu Menschenansammlungen, die nach kurzer Zeit von der Polizei aufgelöst wurden. Mehrere Menschen wurden festgenommen. Wie viele Menschen dem Protestaufruf folgten, ist unklar. In Peking versammelten sich mehrere hundert Menschen in der beliebten Einkaufsstraße Wangfujing im Zentrum der Stadt. Unter den Demonstranten befanden sich einige bekannte chinesische Bürgerrechtler, zahlreiche Schaulustige sowie offenbar auch Mitglieder der Staatssicherheit in Zivil. Die Demonstranten verhielten sich weitgehend ruhig. In Peking legte ein junger Chinese eine weiße Jasminblume vor einem Schnellrestaurant in der Wangfujing nieder, wo sich die Menschen versammelt hatten. Sicherheitsbeamte versuchten den Mann abzuführen, ließen ihn aber umringt von Journalisten letztlich laufen.

Dass die Resonanz auf den Protestaufruf eher gering ausfiel, lässt sich auch mit dem harten Vorgehen der chinesischen Sicherheitsbehörden erklären. Nach Angaben des Hongkonger Informationszentrums für Menschenrechte und Demokratie in China wurden bereits im Vorfeld der Proteste mehr als 100 chinesische Aktivisten unter Hausarrest gestellt oder in Polizeigewahrsam genommen. Eine große Anzahl an Polizisten in Uniform und in Zivil hatte sich außerdem schon vor dem geplanten Zeitpunkt der Proteste an den Versammlungsorten positioniert. In verschiedenen chinesischen Onlinediensten wurde das Suchwort „Jasmin“ geblockt, das auf den Umsturz in Tunesien anspielt.
Der Aufruf zu Demonstrationen wurde zuerst auf der ausländischen Webseite Boxun.com veröffentlicht. Darin wurden die Menschen aufgefordert, „wir wollen Essen, wir wollen Wohnungen und Gerechtigkeit“ zu skandieren. Die Proteste sollen laut dem Aufruf nun jeden Sonntag stattfinden. Die chinakritische Webseite wurde daraufhin von Hackern angegriffen und lahmgelegt. Der Aufruf zu Demonstrationen verbreitete sich aber dennoch über weitere Onlinedienste und Internetseiten weiter. Am Sonntag lief die Webseite Boxun.com behelfsmäßig wieder und verbreitete Augenzeugenberichte von Internetnutzern aus verschiedenen Städten Chinas. Die Urheber des Aufrufs sind nicht bekannt. Es wird aber vermutet, dass es sich um exilchinesische Gruppen handelt.

Noch am Samstag hatte Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao eine Rede vor hochrangigen Funktionären der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) gehalten, in der er diese aufforderte, die wichtigsten Probleme zu lösen, die eine Gefahr für die Harmonie und Stabilität der Gesellschaft darstellen. Neben der Verbesserung sozialer Leistungen für die Bevölkerung forderte Hu laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua auch, dass das Informationsmanagement des Landes im Internet optimiert werden müsse, um die öffentliche Meinung besser steuern zu können. Nach den Aufständen im arabischen Raum, bei denen Onlinedienste wie Twitter, Facebook oder YouTube eine wichtige Rolle gespielt haben, fürchtet das Regime in Peking offenbar um seine Meinungshoheit im Internet. Und Chinas Führung hat mit gravierenden Problemen zu kämpfen. Vor allem steigende Lebensmittel- und Immobilienpreise sowie Korruptionsfälle innerhalb der KPCh sorgen für Unmut in der Bevölkerung. Immer mehr Chinesen nutzen das Internet als Meinungs- und Informationsplattform, auch wenn die Behörden Internetforen zensieren. Ausländische Onlinedienste werden häufig vollständig blockiert. Doch eine steigende Zahl der 450 Millionen Internetnutzer greift auf sogenannte Proxyserver zurück, um Blockaden und Zensur zu umgehen. Diese werden die Chinesen auch benutzen müssen, wenn sie das traditionelle chinesischen Volkslied von der Jasminblume im Internet suchen wollen. Denn auch das fällt derzeit der Zensur zum Opfer. „Du wunderschöne Jasminblume, keine andere Blume ist so schön wie du. Ich möchte dich pflücken, doch ich habe Angst den Gärtner zu verärgern“, heißt es in dem Lied. Es könnte so ganz unverhofft zum Protestsong avancieren.

(c) hao.de

Freitag, 11. Februar 2011

Presseschau China 01/11

Dürre im Norden Chinas wird zur Gefahr für die Getreideproduktion

Peking – Nach einer monatelangen Dürre im Norden Chinas haben die Behörden in der Volksrepublik Alarm geschlagen. „Die Dürre bedroht einige der wichtigsten Regionen für die Getreideproduktion“, hieß es laut der Zeitung „China Daily“ aus dem Landwirtschaftsministerium. Demnach wirke sich die Dürre auf acht chinesische Provinzen aus, die zusammen für 80 Prozent der Winterweizenproduktion des Landes zuständig seien. Über 6,4 Millionen Hektar Anbaufläche, mehr als ein Drittel der Felder, hätten nicht mehr genug Wasser, hieß es in dem Bericht der „China Daily“ von Mittwoch weiter. Rund 2,57 Millionen Menschen und 2,79 Millionen Stück Vieh leiden unter Trinkwassermangel.
Die nordöstliche Provinz Shandong, Chinas zweitgrößter Weizenproduzent, erlebt die schlimmste Dürreperiode seit 60 Jahren. Seit September hat es in Shandong gerade einmal 12 Millimeter Niederschlag gegeben, 85 Prozent weniger als üblich. Bei einem Besuch in der Provinz über das chinesische Neujahrsfest äußerte sich Regierungschef Wen Jiabao besorgt. „Es ist schwer zu sagen, wann es wieder regnet. Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten“, sagte Wen Jiabao. Nach Angaben der Vereinten Nationen dürfte die Dürre in Nordchina die ohnehin schon steigenden Weizenpreise weiter anziehen lassen. Im Januar stiegen die Preise für Weizen in China bereits um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Die chinesische Regierung kündigte am Donnerstag an, eine Milliarde US-Dollar bereitzustellen, um die Folgen der Dürre zu bekämpfen. In der Nacht zu Donnerstag setzten in Teilen Nordchinas leichte Niederschläge ein, die bisher allerdings zu gering sind, um die Situation nachhaltig zu verbessern.

Donnerstag, 10. Februar 2011

Brennpunkt Kairo

Getwitter im Libanon, Nachrichtenblockade in China, und Israels Presse ist sich erstaunlich einig. Wie ausländische Medien über die Proteste in Ägypten berichten.

Die aktuellen Entwicklungen in Ägypten werden von Medien aus aller Welt beobachtet – doch was in der Presse geschrieben und im Fernsehen gezeigt wird, weicht stark voneinander ab. Was nicht an den Schikanen der ägyptischen Sicherheitskräfte gegen Journalisten liegt, die der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) am Dienstag kritisiert hat. Während der seit gut einer Woche andauernden Unruhen hatten ägyptische Sicherheitskräfte wiederholt versucht, Korrespondenten einzuschüchtern oder Material zu beschlagnahmen. Ein Blick auf die Berichterstattung in China, Russland, Israel und im Libanon.

China: Ruhe und Stabilität – das ist das oberste Ziel der chinesischen Führung für das eigene Land. Auf diese Linie wurde offenbar auch die Staatspresse eingeschworen. So berichten Chinas Medien mit Sorge über das Chaos in Ägypten. Der Ruf der Bevölkerung nach mehr Demokratie und einem Ende der Herrschaft von Hosni Mubarak fiel weitgehend unter den Tisch. Nach Informationen der in Hongkong erscheinenden „South China Morning Post“ wurden chinesische Tageszeitungen sogar dazu aufgefordert, nicht über Ägypten zu berichten. Selbst Fotos und Videos von ägyptischen Demonstranten oder Panzern dürfen demnach nicht veröffentlicht, sondern lediglich Artikel der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua verbreitet werden. Offenbar befürchten die Machthaber in Peking, dass die Proteste in Nordafrika in der chinesischen Bevölkerung Sympathiebekundungen hervorrufen könnten. Zusätzlich könnten die Bilder aus Ägypten die Chinesen an den eigenen blutig niedergeschlagenen Volksaufstand von 1989 erinnern. Die Behörden versuchen auch, die Kontrolle über die 450 Millionen chinesischen Internetnutzer zu behalten. Auf einigen Websites wurde die Suche nach dem Wort „Ägypten“ blockiert. Facebook, Twitter oder Youtube sind für chinesische Internetnutzer ohnehin dauerhaft gesperrt.
...

Auf www.tagesspiegel.de weiterlesen!

Samstag, 29. Januar 2011

Neun Städte, eine Metropolregion, 42 Millionen Einwohner

Die südchinesische Provinz Guangdong plant, in den nächsten Jahren mehrere Industriestädte zu einer Metropolregion zusammenzufassen. Rund um die Mündung des Perlflusses könnte so eine Megacity mit 42 Millionen Einwohnern entstehen. Diese Dimension ist offensichtlich selbst den für das Projekt zuständigen Funktionären unheimlich.

Seit den 80er-Jahren gilt die südchinesische Provinz Guangdong als „Werkbank der Welt“. Als Chinas Führung vor rund 30 Jahren ihren wirtschaftlichen Öffnungskurs begann, richtete sie sogenannte Sonderwirtschaftzonen ein. Damit öffnete sich die Volksrepublik auch ausländischen Investitionen. Gleich drei Städte in Guangdong wurden zu einer solchen Zone ernannt. Zu der bekanntesten dieser Städte zählt Shenzhen. Damals ein Dorf, ist Shenzhen heute eine der produktivsten Städte Chinas und zählt neun Millionen Einwohner.
Von den Sonderwirtschaftszonen profitierten große Teile des Perlflussdeltas. So wurde die Provinz Guangdong zum Hauptexporteur Chinas. Vornehmlich mit Billigprodukten überschwemmt deren Industrie bis heute die Weltmärkte. Doch in den letzten Jahren hat die Region innerhalb Chinas immer mehr Konkurrenz bekommen. Schanghai etwa erweitert seinen wirtschaftlichen Einfluss auf die Provinzen Jiangsu und Zhejiang. Und die chinesische Hauptstadt Peking wächst langsam mit der Hafenstadt Tianjin zur einer Metropolregion zusammen. Ganz offensichtlich wollen die lokalen Parteifunktionäre in Guangdong nicht den Anschluss verlieren. Deshalb liegt der Schwerpunkt des neuen Fünfjahresplanes der Provinz für 2011 bis 2016 darauf, die Infrastruktur der neun größten Städte im Perlflussdelta enger miteinander zu verknüpfen. Faktisch würde so eine Metropolregion mit 42 Millionen Einwohnern entstehen. Deren Fläche würde dann etwa 40 000 Quadratkilometer betragen.
Den verantwortlichen Parteifunktionären scheint ihr Megaprojekt allerdings selbst etwas unheimlich. So beeilte sich das Provinzkomitee der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) am Freitag frühere Medienberichte über die geplante Megacity zu dementieren. „Wir wollen die Städte nicht vereinen“, sagte dessen Sprecher Guo Yuewen gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Gleichzeitig bestätigte er aber, dass es Pläne gibt, die Städte besser miteinander zu verknüpfen.

Schon in den nächsten Jahren soll der Umbau von Verwaltung und Infrastruktur beginnen. Mit zahlreichen Infrastrukturprojekten will die Provinzregierung unter anderem das Transportsystem, sowie die Energie- und Wasserversorgung der Städte Guangzhou, Shenzhen, Foshan, Dongguan, Zhongshan, Zhuhai, Jiangmen, Huizhou und Zhaoqing zusammenfassen. Mit Kosten von etwa zwei Billionen Yuan (220 Milliarden Euro) rechnen die Behörden laut eines Berichts der in Hongkong erscheinenden „South China Morning Post“ von Anfang der Woche für das Mammutprojekt. Einen Schwerpunkt soll vor allem eine verbesserte Verkehrsanbindung bilden. 29 neue Stadtbahnlinien mit 5 000 Kilometern Gleisstrecke sollen die Städte der Region verbinden. Ähnlich wie in Tokio sollen die Fahrten zwischen den Stadtzentren höchstens eine Stunde dauern. Ein gemeinsames Fahrkartensystem soll zudem das Reisen einfacher machen.

Für die Bevölkerung der Provinz Guangdong könnten die Pläne der Provinzregierung aber noch bedeutsamere Folgen haben. Denn sind diese in einer der betroffenen Städte gemeldet, werden sie offiziell Bürger der gesamten Metropolregion. Normalerweise bindet das strikte chinesische Meldesystem („Hukou“) Chinesen offiziell an ihren Geburtsort – nur hier erhalten sie Sozialleistungen. Innerhalb der neuen Metropolregion könnten deren Bürger eine ungeahnte neue Mobilität erfahren. Laut Behördenangaben sollen deren Bewohner von der Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen unter anderem im Bereich Bildung und Gesundheit profitieren. Ma Xiangming, Chefplaner und Berater des Urbanisierungsprojekts hat hohe Erwartungen an die neue Metropolregion. „Industrien und Arbeitsplätze werden so gleichmäßiger über die Region gestreut, öffentliche Dienstleistungen gerechter verteilt“, erklärte Ma bereits am Montag gegenüber der britischen Zeitung „The Telegraph“.

Mit ihrem gigantischen Urbanisierungsprojekt wollen die Behörden aber vor allem die Wirtschaftleistung der Industrien der Region um die Mündung des Perlflusses stützen. Dafür sollen Produktionsstandorte zusammengelegt werden. Schon jetzt sind die neun Städte der geplanten Metropolregion für etwa ein Zehntel der gesamten Wirtschaftsleistung der Volksrepublik verantwortlich. Den ökonomischen Erfolg der Region soll auch eine bessere Verbindung zur ehemaligen britischen Kolonie und Sonderverwaltungszone Hongkong gewährleisten. Für die Strecke vom Stadtzentrum der Stadt Shenzhen bis in die Hafenmetropole Hongkong soll eine U-Bahn in Zukunft lediglich 14 Minuten benötigen.

(c) hao.de

Mittwoch, 19. Januar 2011

Von Nahem betrachtet

Die Beziehungen zwischen China und den USA haben ein schwieriges Jahr hinter sich. Bei seinem US-Besuch will Chinas Staatschef Hu Jintao die Atmosphäre zwischen den Großmächten wieder verbessern.

Mit großen Worten hat Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao die Erwartungen für seinen Staatsbesuch in den USA formuliert. „Wir sollten im Interesse unserer Völker handeln und die übergeordneten Belange des Weltfriedens und der Entwicklung hochhalten“, erklärte Hu in am Montag veröffentlichten Interviews mit der „Washington Post“ und dem „Wall Street Journal“. Laut Hu sollten beide Länder die Nullsummenmentalität des Kalten Krieges hinter sich lassen.

Doch Hoffnungen auf eine dauerhafte Verbesserung der Beziehungen beider Länder dürften auch nach dem Treffen von Hu mit US-Präsident Barack Obama enttäuscht werden. Zwar misst die chinesische Führung den Beziehungen mit den USA große Bedeutung bei. Doch mit Chinas wirtschaftlichem Aufschwung ist auch dessen Selbstvertrauen gewachsen, das der US-Botschafter in China, Jon Huntsman, laut von Wikileaks enthüllten Dokumenten gar als „chinesische Überheblichkeit“ bezeichnete. Mit Nachdruck versucht China, eigene Interessen durchzusetzen – auch gegenüber der Supermacht USA. Getrieben wird die Volksrepublik vom Wunsch nach internationaler Anerkennung. Dazu passt, dass China auch zu einem immer größeren Konkurrenten für westliche Entwicklungsorganisationen wird: Die Volksrepublik vergab in den vergangenen zwei Jahren mehr Kredite an Schwellen- und Entwicklungsländer als die Weltbank. Dies berichtete die „Financial Times“ am Dienstag. Demnach verlieh China 2009 und 2010 mindestens 110 Milliarden Dollar an Regierungen und Unternehmen aus der Dritten Welt. Die Weltbank habe in diesem Zeitraum Kredite über 100,3 Milliarden Dollar an Entwicklungsländer vergeben. Damit baut die Volksrepublik ihren weltweiten Einfluss kontinuierlich aus.

Peking will mit Washington auf Augenhöhe agieren. Dabei hat China sich noch nicht entschieden, ob es die USA als Partner oder als Konkurrent betrachten will. Deswegen sind die Signale, die China derzeit aussendet, eher gemischt.

So wollen Hu Jintaos versöhnliche Worte nicht richtig zur eigentlichen Position der chinesischen Führung passen. Denn in keiner der vielen Streitfragen mit den USA scheint Peking bereit, sich wirklich zu bewegen. So bügelte Hu die wiederholten Forderungen nach einer stärkeren Aufwertung des Yuan im Vorfeld seines US-Besuches erneut ab. Doch nicht nur in Wirtschaftsfragen gibt man sich unnachgiebig. Auch beim Thema Menschenrechte wird man keine Annäherung erwarten können – Einmischung von außen unerwünscht. Die USA aber dürfte das kaum davon abhalten, die Menschenrechtssituation anzusprechen. In der Nordkoreakrise ist man sich zwar einig, dass eine neuerliche Eskalation der Situation verhindert werden muss, der Weg dahin bleibt strittig. Vor allem aber der Streitpunkt Taiwan dürfte die chinesisch-amerikanischen Beziehungen weiterhin belasten. Aus Ärger über US-Waffenlieferungen an Taiwan, das China als abtrünnige Provinz betrachtet, hatte Peking gar die Militärkontakte mit den USA vor etwa einem Jahr weitgehend eingefroren. Dennoch sind weitere US-Waffengeschäfte mit Taiwan absehbar.

Obwohl der Besuch von US-Verteidigungsminister Robert Gates in Peking vergangene Woche neue Bewegung in die Militärbeziehungen gebracht hat, bleiben diese brisant. Denn China rüstet auf, zeigt den USA überdeutlich seine Muskeln. So überraschte die Nachricht vom erfolgreichen Testflug eines chinesischen Tarnkappen-Kampfflugzeugs Gates, als dieser gerade in Peking mit Hu Jintao zusammentraf. Kaum Zufall, sondern Signal, dass es die USA nicht nur mit einer wirtschaftlich, sondern auch mit einer militärisch aufstrebenden Macht zu tun haben. „Chinas Entwicklung von Waffen und Ausrüstung folgt seinen eigenen Notwendigkeiten, um seine Souveränität, Sicherheit und territoriale Integrität zu schützen“, ließ das chinesische Außenministerium verkünden. Pekings ungewöhnliche Offenheit in Rüstungsfragen scheint eine Reaktion auf das starke Engagement der USA im Westpazifik zu sein. Chinas Führung betrachtet diese Entwicklung mit Argwohn, sieht eigene Interessen in der Region gefährdet.

Wie wichtig der Besuch auch für die USA ist, zeigen die akribischen Vorbereitungen aufseiten der Gastgeber. Ausländische Diplomaten wurden eigens ins Außenministerium geladen, um einer Grundsatzrede der Hausherrin Hillary Clinton zu den amerikanisch-chinesischen Beziehungen zu lauschen. Ein Schlüsselsatz daraus lautete: „Dies ist kein Verhältnis, das einfach in Schwarz-Weiß-Kategorien passt, wie etwa Freund oder Rivale.“ Man sei an einem „kritischen Punkt“ der Beziehungen angelangt. Das klingt ganz nach Überdenken alter Schablonen und nach Neubeginn. Trotzdem ist es kein Zufall, dass Clinton auch betont hat, dass die Wirtschaftskraft Chinas lediglich ein Drittel der US-Wirtschaft entspricht. Die realen Kräfteverhältnisse sollen klargemacht werden. Schließlich werten einige Kommentatoren den Gipfel in Washington als das Treffen einer aufsteigenden Großmacht mit einer Weltmacht, die ihre besten Zeiten hinter sich hat.

www.tagesspiegel.de

News aus China

News, Berichte, Reportagen, Gedanken und Diskussionen über China

Aktuelle Beiträge

Gebaut wurde schon! Und...
Gebaut wurde schon! Und nach nicht einmal einem Jahr...
girico - 11. Jun, 14:41
Kim Jong Il: Das Phantom...
Kim Jong Il: Er war der "Irre mit der Bombe": allgegenwärtig...
sergiohh - 20. Dez, 08:06
Presseschau: 10/12/11
Kinderspielzeug und -kleidung aus China haben einen...
sergiohh - 10. Dez, 13:27
Presseschau: 26/11/11
„China gibt seine Klimaziele bekannt“ titelte am Mittwoch...
sergiohh - 26. Nov, 05:55
Presseschau: 19/11/11
20 Tote, 44 Verletzte bei Unfall mit Kindergartenbus Neun...
sergiohh - 19. Nov, 04:00

Links

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 5440 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 11. Jun, 14:42

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren