Samstag, 7. Mai 2011

„Jeder, der sich frei ausdrücken möchte, hat diese Angst“

Seit über einen Monat ist Ai Weiwei in Haft. Pekings Kunstszene befindet sich in Schockstarre.

„Ein Land, das die Wahrheit zurückweist, Veränderungen verweigert und dem es am Geist der Freiheit mangelt, ist hoffnungslos“, hat Ai Weiwei einst in einem seiner vielen Blogeinträge geschrieben. Seit über einem Monat ist der bekannte Gegenwartskünstler nun verschwunden. Seither wartet Ai Weiweis Familie auf eine Stellungnahme der Sicherheitsbehörden, muss um das Wohlergehen Ais bangen. Den von ihm beschriebenen Mangel an Freiheit spürt Ai Weiwei nun in drastischer Form. Mit seiner Festnahme am 3. April am Pekinger Flughafen ist die Hoffnung all der Chinesen gesunken, die sich in ihrem Land frei äußern und einmischen wollen. Seit Monaten geht Chinas Führung verstärkt gegen Kritiker vor. Und der Fall Ai Weiwei zeigt, dass auch Künstler nicht mehr vor den Repressionen des Staates sicher sind. Wie kann man unter diesen Bedingungen als Künstler in China arbeiten?

Eine Frage, die sich viele Künstler in Peking stellen. Nach der Festnahme Ai Weiweis befindet sich die Kunstszene der chinesischen Hauptstadt in einer Schockstarre. Im beliebten Künstlerviertel „798“ ist davon auf den ersten Blick nichts zu spüren. Chinesische und ausländische Touristen schlendern über das alte Industriegelände, lassen sich von Straßenmalern porträtieren, sitzen in einem der zahlreichen Cafés oder schauen sich in Galerien um. Kaum etwas erinnert an Ai Weiwei, der 2001 maßgeblich an der Entstehung dieser Kunstzone beteiligt war. Doch der friedliche Schein trügt. Zwar hat Chinas Regime durchaus den wirtschaftlichen Nutzen des wachsenden Kunstmarktes im eigenen Land erkannt. Frei entfalten darf sich dieser deswegen noch lange nicht. „Nach unserem Gefühl befinden wir uns gerade in der schlimmsten Phase seit 1989. Die Politik ist rückwärtsgewandt, die Rede- und Meinungsfreiheit wird eingeschränkt wie lange nicht“, sagt Gao Zhen. Zusammen mit seinem Bruder Gao Qiang bildet er das international bekannte Künstlerduo „Gao-Brüder“. Im Viertel „798“ haben sie ihr Atelier, das etwas versteckt liegt. Es ist ihnen verboten, es für den Publikumsverkehr zu öffnen. Die Verhaftung Ai Weiweis hat die Brüder geschockt. Wie so viele hatten sie gedacht, Ais Berühmtheit und der Schatten seines Vaters Ai Qing, dessen patriotische Gedichte noch heute in Chinas Schulen gelehrt werden, könnten ihm als Schutzschild dienen. „Jetzt zeigt sich, dass es egal ist, welchen Hintergrund du hast. Sobald die Geduld der Regierung am Ende ist, schlägt sie zu“, sagt Gao Zhen.

Es gibt viele Grenzen, die Künstler in China nicht übertreten dürfen. Doch vor allem kämpfen sie mit der Willkür der Behörden. Denn ist gibt keine festen Regeln, was noch im erlaubten Rahmen ist und was nicht. Die Gao-Brüder testen mit ihrer Kunst immer wieder aus, wie weit sie gehen können. Über Jahre durften sie nicht ausreisen. In China konnten sie viele ihre Werke bis heute nicht ausstellen. Ihre Kunst ist politisch, setzt sich häufig mit Chinas Geschichte auseinander. Besonders die Kulturevolution, unter der auch ihre Familie zu leiden hatte, spielt eine große Rolle in den Werken der „Gao-Brüder“. Berühmt ist ihre Bronzeinstallation „The Execution of Christ“. Mao-Figuren in Lebensgröße richten ihren Gewehrlauf auf Jesus, eine von ihnen schaut zu Boden. „Wir versuchen mit unserer Kunst und in dem was wir sagen, immer klar unsere Meinung zu äußern. Natürlich erschwert das unsere Arbeit “, erklärt Gao Zhen.

Die Lage in China ist angespannt. Offener Protest gegen die Verhaftung Ai Weiweis ist in dieser Situation kaum möglich. Eine von Künstlern geplante Demonstration für Ai im „798“ wurde im Vorfeld verhindert. Kritik an den Behörden ist, wenn überhaupt noch, im Internet möglich. Doch auch dort wird es immer schwieriger, die Zensur zu umgehen. Virtuelle Unterschriftensammlungen oder Internetseiten, auf denen man Poster mit der Forderung „Befreit den Genossen Ai Weiwei“ herunterladen kann, gehören zu den Aktionen, die Solidarität mit Ai Weiwei zeigen. Protest oder kritische Kunst – in China gibt es derzeit kaum Raum für abweichende Meinungen. Der Videokünstler Wang Bo versucht den winzigen Spielraum zu nutzen, der geblieben ist. Mit einem neuem Trickfilm dokumentiert er den Fall Ai Weiwei und die Grenzen der Meinungsfreiheit in China. Ein Nachrichtensprecher beginnt seinen Bericht: „Es war einmal ein Chinese, der Sonnenblumenkerne verkaufte ...“. Doch bevor er den Satz beenden kann, wird er von seinem Nachrichtenstuhl gezerrt. Der nächste Sprecher kann nur noch „Es war einmal ...“ sagen, bevor er weggeschnappt wird. Der letzte traut sich nur noch einen Seufzer auszustoßen, der sich anhört wie der Name Ai. Mit den Sonneblumenkernen spielt Videokünstler Wang Bo auf eines der bekanntesten Werke Ai Weiweis an. Für eine Ausstellung im „Tate Modern“ in London ließ er 100 Millionen Sonnenblumenkerne aus Porzellan anfertigen. So zeichnete er ein Bild Chinas, in dem das Individuum in der Masse untergehen zu droht.

Auch die Kunst der Gao-Brüder setzt sich immer wieder mit dem Mangel an individueller Freiheit auseinander. Schon deshalb stellt sich den Künstlern die Frage, ob ihnen ein ähnliches Schicksal wie Ai Weiwei droht. „Jeder, der sich frei ausdrücken möchte, hat diese Angst. Um uns verschwinden immer wieder Menschen. Das passiert die ganze Zeit“, so Gao Zhen. Die Verhaftung Ais interpretiert er als Warnung an alle, es mit Kunst und Kritik nicht zu weit zu treiben. „Kreativität ist die Kraft, die Vergangenheit abzulehnen, den Status Quo zu verändern und neue Potenziale zu suchen“, hat Ai Weiwei einmal geschrieben. Chinas Führung ist offenbar nicht bereit, ein derartiges Kunstverständnis zu akzeptieren.

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Donnerstag, 28. April 2011

Danke für die schöne Kunst

„Aufklärung“? Davon weiß in Peking kaum jemand. Ein Rundgang

„Ist das hier wirklich der Einlass?“, fragt eine ältere Frau skeptisch. So richtig mag sie nicht glauben, dass der Zutritt zu Chinas berühmten Nationalmuseum so unauffällig geregelt sein soll. Doch obwohl kein Schild den Weg weist, hat sich an einem Gitter südlich der Vorderseite des Museums eine kleine Menschenschlange gebildet. Die wenigen wartenden Menschen fallen im Gewirr Tausender Touristen in Pekings Innenstadt rund um den Platz des Himmlischen Friedens kaum auf. Und weil sich niemand in der Schlange sicher ist, ob es hier nun ins Museum geht, werden zwei etwas hilflos wirkende Wachmänner mit Fragen überschüttet. Erstaunlich häufig wird dabei nach der deutschen Ausstellung gefragt, der man nachsagt, dass sie in China kaum jemanden interessiert.

Doch der Gedanke, die Schau zur „Kunst der Aufklärung“ könnte aller Unkenrufe zum Trotz ein Publikumsmagnet sein, währt nicht lange. „Ach nein, von der deutschen Ausstellung habe ich vor wenigen Minuten zum ersten Mal gehört. Die interessiert mich nicht“, erzählt ein junger Mann, der gerade noch lautstark nach eben dieser gefragt hatte. „Mir hat nur jemand gesagt, dass wenn ich eine Karte für die deutsche Ausstellung kaufe, ich auch den Rest des Museums sehen kann“, erklärt er. Wie viele Besucher hatte der chinesische Tourist vergeblich versucht, eine der Gratiskarten für das wiedereröffnete Nationalmuseum zu ergattern. Die werden jeden Morgen ausgegeben und sind schnell vergriffen. Nachmittags führt der Weg ins Museum dann nur noch über die Karten für die deutsche Ausstellung. Deren Preis ist seit Mittwoch von ursprünglich 30 Yuan (etwa 3,20 Euro) auf 10 Yuan gesenkt worden.

Im Inneren des größten Museumsgebäudes der Welt geht es dann für chinesische Verhältnisse ruhig zu. In der gigantischen Eingangshalle verlieren sich die Menschen, die sich angesichts derartiger Dimensionen klein und unbedeutend fühlen müssen. Details wie der Mangel an Sitzgelegenheiten lassen erahnen, dass das Nationalmuseum nicht als Raum für Menschen gedacht ist, sondern einmal mehr der Machtdemonstration des kommunistischen Regimes dient. Mehr als eine geduldete Nebenrolle, ein Farbklecks in der chinesischen Propagandaschau, war den deutschen Ausstellungsmachern von chinesischer Seite nie zugedacht. Schon deshalb lässt sich über den Sinn des hauptsächlich vom Auswärtigen Amt finanzierten Kulturprojektes vortrefflich streiten.

Während in Deutschland nach dem Einreiseverbot für den Sinologen Tilman Spengler und besonders nach der Verschleppung Ai Weiweis die Kritik an dem Gemeinschaftsprojekt weiter an Schärfe gewinnt, geht die deutsche Schau in Chinas Hauptstadt völlig unter. Ein Abbruch der Ausstellung, wie ihn viele Kritiker fordern, würde in China kaum auffallen. Nur wenige Menschen wissen überhaupt von deren Existenz. Die staatliche Presse berichtet bisher äußerst zurückhaltend darüber.
Schon deshalb halten sich die Besucherzahlen in der Ausstellung, die etwas versteckt im ersten Stock des Nationalmuseums liegt, in Grenzen. Lediglich eine Handvoll Chinesen lassen sich an manchen Tagen in den drei Hallen zählen. Immerhin weisen seit letzter Woche Schilder den Weg zur „Kunst der Aufklärung“. Aber die wenigen Besucher, die es in die Aufklärungsausstellung schaffen, sind von den Schaustücken der deutschen Staatsmuseen durchaus beeindruckt. 600 Exponate, Gemälde des 18. Jahrhunderts, Möbelstücke, Kleider und wissenschaftliche Geräte sind zu sehen.
Besonders die Fremdheit einzelner Ausstellungsstücke scheint die chinesischen Besucher zu faszinieren. Gemälde aus dem Klassizismus, die deutschen Museumsbesuchern häufig zu vertraut sind, um noch zu begeistern, wecken die Neugier der Chinesen, die oft minutenlang vor Exponaten verweilen. Doch von der auf deutscher Seite vielbeschworen Botschaft freiheitlicher Werte scheint bei den Besuchern kaum etwas anzukommen. „Ja, von Aufklärung habe ich schon einmal gehört“, sagt ein Pekinger Student, der die Ausstellung mit einem Freund eher zufällig besucht. Auf die Frage, ob er einen Bezug zur Gegenwart erkennen kann, schüttelt er den Kopf. „Davon habe ich keine Ahnung.“

Wie ihm geht es vielen Besuchern. Die junge Lehrerin Yu Qi aus der Stadt Jingdezhen in der südlichen Provinz Jiangxi ist da eher eine Ausnahme. Sie gehört zu den wenigen Besuchern, die extra für die deutsche Aufklärungsschau nach Peking gekommen sind. Akribisch notiert sie sich Namen und Daten einzelner Kunstwerke. Vertieft steht sie über einer der Medienstationen, die den Besuchern den geistigen Aufbruch Europas näher bringen sollen. „Kunst und Literatur haben eine tiefe soziale Bedeutung für jede Gesellschaft. Ich glaube aber nicht, dass jemand darüber nachdenkt, wenn er durch die Ausstellung geht“, sagt die Lehrerin etwas verlegen. „Aber vielen Dank für die schöne Kunst!“

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Samstag, 9. April 2011

Unter keinem guten Stern

Ai Weiwei bleibt vorerst verschwunden. Doch offenbar ist sich die Führung in Peking nicht einig, wie man mit dem berühmten Künstler verfahren soll. Die Menschrechtslage in China verschärft sich unterdessen weiter.

Noch immer gibt es keine Auskünfte über Ai Weiweis Verbleib. Seit letztem Sonntag ist der bekannte chinesische Künstler nun verschwunden, nachdem ihn Grenzpolizisten am Pekinger Flughafen abgeführt hatten. „Ich bin sehr besorgt. Die Polizei sagt mir nicht wie es ihm geht, warum er festgenommen wurde. Noch nicht einmal wo er ist, sagen sie mir“, erklärt Lu Qing, Ai Weiweis Frau, die sich am Donnerstag verzweifelt an ausländische Journalisten gewandt hatte. Die 79-jährige Mutter des Künstlers brachte die Sorge um ihren Sohn auf einem handgeschriebenen Zettel zum Ausdruck. „Ai Weiwei, männlich, 53 Jahre alt. Ist am 3.4.2011 gegen 8:30 Uhr am Flughafen von zwei Männern abgeführt worden. Falls sie wissen, wo er ist, rufen Sie seine Familie an“, heißt es in der Vermisstenanzeige, die Gao Ying an der Mauer ihres Hofhauses aufgehängt hat. Mittlerweile hat sich ein Foto der Anzeige über Mikroblogs im Internet verbreitet, ist zum Symbol der Empörung zahlreicher chinesischer Internetnutzer geworden – der Zensur zum Trotz.

Mit ihrer Weigerung, über Ai Weiweis Aufenthalt zu informieren, verstößt die Polizei auch gegen chinesisches Gesetz. „Sie hätten die Gründe für Ais Inhaftierung schon innerhalb von 48 Stunden angeben müssen“, erklärte Liu Xiaoyun, ein mit dem Künstler befreundeter Anwalt gegenüber der Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“. Doch dieses Recht gilt offenbar nicht für Regimekritiker. Während die Polizei im Fall Ai Weiwei beharrlich schweigt, mehren sich die Anzeichen, dass gegen den Künstler ein Prozess vorbereitet wird. Auf der regelmäßigen Pressekonferenz des Außenministeriums in Peking bestätigte ein Sprecher eine vorangegangene Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, laut der Ai „Wirtschaftsverbrechen“ zur Last gelegt werden. „Der Fall Ai Weiwei wird von der Polizei nach den Gesetzen des Landes untersucht“, sagte Hong Lei, Sprecher des Außenministeriums am Donnerstagnachmittag vor der Presse. Die Ermittlungen hätten nichts mit Menschenrechten oder Redefreiheit zu tun. Weitere Informationen zur Festnahme des Künstlers verweigerte der Sprecher. Ein Mitarbeiter Ai Weiweis bezeichnete den erhobenen Vorwurf gegenüber dem Tagesspiegel als „völlig absurd“.

Offenbar scheint man sich auch in den Führungszirkeln der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) nicht mehr ganz sicher, ob das Vorgehen gegen Ai Weiwei eine gute Idee ist. Hatte die englischsprachige Ausgabe der Zeitung „Global Times“, die als Sprachrohr der KPCh dient, noch am Mittwoch gegen Ai Weiwei gewettert und dessen Verhaftung gerechtfertigt, schlug die Staatszeitung am Freitag mildere Töne an. „Der Vorwurf der mutmaßlichen Wirtschaftsverbrechen bedeutet ja nicht, dass Ai für schuldig befunden wird“, heißt es in einem Kommentar der Zeitung. Druck aus dem Westen dürfe bei der Entscheidung des Gerichts aber keine Rolle spielen. Doch es scheint so, als hätten die scharfen Proteste aus dem Ausland zumindest einen gewissen Einfluss auf den Fall Ai Weiwei. Der neue Artikel stützt außerdem die Meinung von Beobachtern in Peking, die innerhalb der Führungsriege der KPCh einen Machtkampf zwischen Hardlinern und gemäßigten Kräften vermuten. Hinzu kommt, dass Ai Weiweis Vater in China noch großes Ansehen genießt. Ai Qing war ein berühmter Künstler und kommunistischer Vordenker – das harte Vorgehen gegen seinen Sohn dürfte einigen Funktionären missfallen. Welche Bedeutung all das für Ai Weiweis Schicksal hat, lässt sich noch schwer abschätzen.

Denn mit seinen vielen kritischen Interviews und Aktionen hat der Gegenwartskünstler und Internetaktivist, dessen Wirken eng mit Widerstand und Kritik verknüpft ist, die Regierung in Peking gegen sich aufgebracht. Als er mit freiwilligen Helfern eine Liste von Kindern ins Internet stellte, die beim Erdbeben in Sichuan 2008 getötet wurden, erntete er viel Aufmerksamkeit. Tausende Kinder starben damals, weil ihre Schulen auf Grund von Korruption und Schlamperei in minderwertiger Qualität errichtet wurden. Ai wollte aufklären und erntete den Zorn der Behörden. Doch Ai Weiwei ist nicht allein. Die Liste der Bürgerrechtler, die verfolgt und unterdrückt werden, wird immer länger. Anwälte, Umweltaktivisten, Intellektuelle und einfache Chinesen, die gegen Korruption und Misswirtschaft aufbegehren, geraten schnell an die von Chinas Machthabern häufig beschworene „rote Linie des Rechts“. In China gibt es derzeit so viele „rote Linien“, dass sich kritische Geister kaum noch bewegen können. Die Führung in Peking und ihre Parteifunktionäre biegen die Gesetze zurecht, wie es ihnen gerade beliebt. Als schlafende Schönheit bezeichnete eine bekannte Pekinger Bürgerrechtsanwältin vor Kurzem Chinas Rechtssystem. Die Gesetze sind vorhanden, sie werden nur gar nicht oder nach Belieben der Herrschenden angewendet.

Seit der Vergabe des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo, spätesten aber seitdem im Internet anonyme Aufrufe zur „Jasmin-Revolution“ nach arabischem Vorbild verbreitet wurden, geht Chinas Führung verstärkt gegen Regimekritiker vor – offenbar getrieben von der irrationalen Angst, dass der Revolutionsfunke auf das eigene Land überspringen könnte. Die kleinen Fortschritte in der Zivilgesellschaft, die China mit den Olympischen Spielen zweifellos gemacht hat, wurden praktisch wieder außer Kraft gesetzt. „Amnesty International“ bezeichnete die Inhaftierung Ai Weiweis zu Wochenbeginn als eine „weitere Verschärfung der Lage“. Allein in den letzten Tagen wurden laut der Menschenrechtsorganisation „Chinese Human Rights Defenders (CHRD)“ 30 Bürgerrechtler festgenommen, zahlreiche Menschen werden vermisst. Am Donnerstag verhaftete die Polizei erneut zwei Bürgerrechtler. Die Anwältin Ni Yulan und ihr Partner Dong Jiqin wurden wie Ai Weiwei ohne Angabe von Gründen festgenommen. Ni hat bereits zwei Jahre in Haft verbracht. Sie hatte Familien vertreten, die gegen Zwangsumsiedlungen klagten. Ende März sorgte die Verurteilung des Bürgerrechtlers Liu Xianbin zu der hohen Haftstrafe von zehn Jahren für Aufsehen. Seine Rufe nach Freiheit und Demokratie wertete ein Gericht als schweres Verbrechen. Wie in so vielen Fällen verurteilte das Gericht den Aktivisten auf Grund des diffusen Tatvorwurfs der „Untergrabung der Staatsgewalt“. Eine gängige Praxis, um das in der chinesischen Verfassung vorhandene Recht auf freie Meinungsäußerung auszuhöhlen.

Ob auch Ai Weiwei eine langjährige Haftstrafe droht, bleibt weiter offen. Die wenig konkrete Anschuldigung, Ai habe „Wirtschaftsverbrechen“ begangen, wirkt äußerst konstruiert. Offenbar tun sich die Behörden schwer, den Vorwurf zu untermauern. Am Freitag durchsuchten Polizeibeamte erneut Ais Atelier. Bei einer ersten Hausdurchsuchung hatten Beamte Computer und Dokumente beschlagnahmt. Wann es zum Prozess kommen könnte, ist bisher noch völlig unklar. Weiterhin verschweigen die Behörden, wo der Künstler inhaftiert wurde. Seiner Familie bleibt lediglich die Hoffnung auf ein baldiges Lebenszeichen von ihm.

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Montag, 4. April 2011

Die Kunst der Unterdrückung

Die Menschenrechtslage in China verschlechtert sich immer weiter: Der Künstler Ai Weiwei wollte wegen Repressalien verstärkt im Ausland arbeiten – jetzt darf er nicht mehr reisen. Den Künstler schützte auch seine weltweite Bekanntheit nicht.

Es ist ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Menschenrechtslage in China dramatisch verschlechtert hat: Der weltbekannte Künstler Ai Weiwei wurde am Sonntagmorgen gegen 9 Uhr 30 am Pekinger Flughafen von der Ausreise nach Hongkong abgehalten. Ein Mitarbeiter des Künstlers bestätigte dem Tagesspiegel, dass Ai Weiwei von Beamten der Grenzpolizei abgefangen und abgeführt wurde. Zuvor hatten Freunde des Künstlers in Blogs über dessen Verhaftung berichtet. Seither ist Ai Weiwei nicht zu erreichen. Bisher war nicht zu erfahren, ob Ai offiziell festgenommen wurde und warum ihm die Behörden die Ausreise verweigerten. Ein befreundeter Künstler und Nachbar, der nicht namentlich genannt werden möchte, berichtete von einem erhöhten Polizeiaufgebot vor Ai Weiweis Anwesen. Einige Straßen seien abgesperrt worden. Die Polizei soll eine Hausdurchsuchung vorgenommen haben. Außerdem wurden mehrere Mitarbeiter des Künstlers festgenommen und zur Vernehmung auf eine örtliche Polizeiwache gebracht.

Der politisch engagierte Künstler hat mit zunehmender Schärfe die Politik der kommunistischen Regierung kritisiert. Diese geht seit Monaten massiv gegen Regimekritiker vor, nachdem im Internet anonyme Aufrufe zur „Jasmin-Revolution“ nach arabischem Vorbild in China verbreitet wurden. Zahlreiche Bürgerrechtler wurden verhaftet oder sind verschwunden. Laut der Menschenrechtsorganisation „Chinese Human Rights Defenders (CHRD)“ werden seit Mitte Februar außerdem mehr als 200 Aktivisten in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. „Das Vorgehen der Sicherheitsbehörden ist seit 1998 nicht mehr so schlimm gewesen“, erklärte der internationale Direktor von CHRD Renee Xia. Damals wurden mehrere Dutzend Aktivisten verhaftet, die eine demokratische Partei in China gründen wollten.
Ai Weiwei hat offensichtlich geahnt, dass ihn seine Berühmtheit in dieser Phase der Repressionen nicht dauerhaft schützen wird. „In Peking droht mir Ärger“, sagte er vor kurzem im Interview mit dem Tagesspiegel. Wohl auch deshalb hatte der 53-Jährige bekannt gegeben, ein Studio in Berlin eröffnen zu wollen. Neben seinem Atelier in Peking will sich Ai Weiwei in den ehemaligen AEG-Hallen an der Spree ein Ausweichquartier schaffen. Als Flucht aus China wollte er dies aber nicht verstanden wissen. Eigentlich wollte er am 29. April eine Ausstellung in Berlin eröffnen.

Nicht zum ersten Mal gerät Ai Weiwei mit den chinesischen Behörden aneinander. Bereits kurz vor der Verleihung des Friedensnobelpreises an den inhaftierten Bürgerrechtler Liu Xiaobo hinderte ihn die Polizei an der Ausreise. Sein Atelier in Schanghai wurde im Februar abgerissen, eine für März geplante Werkausstellung in Peking auf Druck der Behörden abgesagt. Vor dem Pekinger Studio des Künstlers sind Überwachungskameras installiert, sein Telefon und seine Aktivitäten im Internet werden überwacht. Die Polizei übt auch Druck auf Bekannte und Freunde aus. Nach Angaben Ai Weiweis ist die Polizei auch schon mit Gewalt gegen ihn vorgegangen. Im August 2009 hatten ihn Polizisten in der Stadt Chengdu in der Provinz Sichuan zusammengeschlagen, als er zur Unterstützung des Aktivisten Tan Zuoren in die Stadt gereist war.

Das Vorgehen der Polizei gegen Ai Weiwei ist auch aus deutscher Sicht brisant. Denn die Festnahme erfolgt gerade einen Tag nach der Abreise von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) aus Peking. Dieser hatte bei seinen Gesprächen in China die Einhaltung der Menschenrechte angemahnt. Für Aufsehen sorgte die deutsche Ausstellung zu „Kunst der Aufklärung“ im umgebauten Nationalmuseum in Peking, die Westerwelle am Freitag eröffnete. Die deutsche Delegation hatte die politische und gesellschaftliche Strahlkraft des Kunstprojektes hervorgehoben. Der nun verhaftete Ai Weiwei bezweifelte dagegen den aufklärerischen Einfluss der Ausstellung auf die Gesellschaft, da die Medien in China nicht frei über diese berichten könnten. Außenminister Westerwelle hatte auf einem Dialogforum zur Ausstellung am Samstag noch für die Freiheit des Einzelnen und mehr Toleranz geworben. „Wir sind von der Universalität dieser Werte überzeugt. Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind die wichtigste Orientierung für die Gestaltung unserer Politik“, erklärte Westerwelle in Peking. Gleichzeitig hob er hervor, dass es den Menschen in China zunehmend möglich werde, selbstbestimmt eigene Ziele zu verfolgen. Ein Eindruck, den derzeit nur wenige Beobachter in China teilen.
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Samstag, 2. April 2011

Außenpolitik ohne Strahlkraft

Deutlich wie nie zuvor offenbart die Chinareise von Minister Westerwelle, wie wenig Einfluss die deutsche Außenpolitik auf die Führung in Peking hat. Wo die Realpolitik versagt, soll eine deutsche Ausstellung zur Aufklärung Fortschritte bringen.

Es war wohl der einfachste Programmpunkt seiner Chinareise. Mit einer kurzen Rede, vornehmlich geschmückt mit Lob für die chinesischen Gastgeber, hat Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Freitagnachmittag die deutsche Ausstellung zur „Kunst der Aufklärung“ im Nationalmuseum in Peking eröffnet. Das Kulturprojekt im Herzen der chinesischen Hauptstadt dürfte zumindest für einen kurzen Lichtblick auf Westerwelles Reise gesorgt haben. Doch der deutsche Außenminister wird in Gedanken wohl noch bei den nicht ganz so erfreulichen Gesprächen mit Ministerpräsident Wen Jiabao und Außenminister Yang Jiechi gewesen sein. Denn trotz öffentlich zur Schau gestellter Höflichkeit verfestigt sich der Eindruck, dass die deutsche Diplomatie in China derzeit an ihre Grenzen gerät. Die guten Beziehungen beider Länder, die so gerne hervorgehoben werden, gelten nur für einfache Themen. Nicht aber für kritische Punkte, wie die Einhaltung der Menschenrechte. Ganz unabhängig davon, welcher Politiker in Peking vorspricht und diese anmahnt: Die kommunistische Führung kümmert es nicht. Freiheitliche Zugeständnisse werden gemacht oder auch wieder zurückgezogen, je nachdem in welchem Maße die Parteiführung um die Stabilität im Land, vor allem aber um ihren Machterhalt, fürchtet.

Gut lässt sich dies im Moment an den Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten in China festmachen. Die haben sich in den vergangenen Wochen drastisch verschlechtert. Seitdem im Internet zu Protesten nach arabischem Vorbild aufgerufen wurde, schüchtern die Behörden gezielt China-Korrespondenten ein, um eine kritische Berichterstattung zu verhindern. Reporter wurden vorübergehend festgenommen und die Ausweisung angedroht. Schon im Vorfeld der Reise von Guido Westerwelle hatten deutsche Korrespondenten den Außenminister deshalb in einem gemeinsamen Brief gebeten, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Dass der chinesische Außenminister Yang Jiechi diese heute nach einem Gespräch mit Westerwelle zugesichert hat, sollte man nicht überbewerten. Zum einen, weil die Zusage bei dem nächsten kritischen Ereignis schnell vergessen sein wird. Zum anderen, weil das chinesische Außenministerium trotz eigentlicher Zuständigkeit derzeit kaum über die Macht verfügt, das Versprechen in die Tat umzusetzen. Die Mächtigen im Führungszirkel der kommunistischen Partei werden sich zu Forderungen nach Presse- und Meinungsfreiheit kaum äußern. Ansprechen muss ein deutscher Außenminister das brisante Thema dennoch. Bereits zu Beginn des Besuches in Peking hatte Westerwelle bei seinem Treffen mit Vize-Ministerpräsident Li Keqiang, der als Nachfolger von Wen Jiabao gilt, die mangelnde Meinungsfreiheit und Pressefreiheit in China zum Thema gemacht. „Für uns ist die Presse- und Meinungsfreiheit ein Kernanliegen. Ich habe Vize-Ministerpräsident Li dazu aufgefordert, diese zu gewährleisten“, erklärte Westerwelle am Donnerstagabend in Peking.

Westerwelle hat die Frage der Menschenrechte mehrfach angesprochen. Dabei soll es auch konkret um einzelne Personen wie den inhaftierten Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo gegangen sein. Dass die Gespräche in Peking einen positiven Effekt auf die freiheitliche Entwicklung in China haben könnten, scheint der deutsche Außenminister allerdings selbst nicht zu glauben. Chinas Führung ist derzeit noch weniger beizukommen als sonst. Getrieben von einer irrationalen Angst, dass der arabische Revolutionsfunke auch auf das eigene Land überspringen könnte, gehen die Behörden seit Wochen mit aller Härte gegen Regimekritiker vor. Die kleinen Fortschritte, die China mit den Olympischen Spielen zweifellos gemacht hat, wurden praktisch wieder außer Kraft gesetzt.

Wie wenig Einfluss die deutsche Außenpolitik im Umgang mit der neuen Wirtschaftsmacht China hat, lässt sich auch am Fall des Sinologen Tilman Spengler ablesen. Spengler reiste in der Vergangenheit zwischen Deutschland und China hin und her, um die Ausstellung „Kunst der Aufklärung“ mit vorzubereiten. Weil er aber 2010 bei der Verleihung der Hermann-Kesten-Medaille eine Laudatio auf Liu Xiaobo hielt, wurde ihm nun die Einreise verweigert. Und dass, obwohl er als Mitglied der Delegation des Außenministers reisen sollte. Der will diesen Umstand naturgemäß nicht als Eklat werten. Ein Affront gegenüber dem deutschen Außenministers ist es allemal. Doch Westerwelle setzt weiter auf den Dialog mit China. So bleibt ihm nicht viel mehr, als das Reiseverbot für Spengler zu bedauern. Eine Absage der Chinareise stand nicht zur Debatte. „Der Nutzen der Reise ist zu groß, als dass man diese hätte absagen können. Gerade in Hinblick auf die Eröffnung der Ausstellung zur Kunst der Aufklärung mit der wir Tausende Menschen erreichen, auch in der Zivilgesellschaft“, sagte Westerwelle in Peking. Nicht verwunderlich, aber doch hilflos wirkt es, dass die deutsche Außenpolitik ihre Hoffnung auf eine Kunstausstellung zur Aufklärung setzt, um für Werte wie Selbstbestimmung und Freiheit in China zu werben. „Die Ausstellung ist weder laut noch plakativ. Daraus aber den Schluss zu ziehen, sie wäre unpolitisch, geht fehl“, sagte Westerwelle zu deren Eröffnung. Der deutsche Außenminister scheint von der politischen und gesellschaftlichen Strahlkraft der Ausstellung überzeugt. Viel mehr als diese Hoffnung wird er nicht nach Deutschland zurückbringen können.

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Donnerstag, 31. März 2011

Keine leichten Aufgaben

Außenminister Westerwelle ist zu einem dreitägigen Besuch in Peking eingetroffen. Unterdessen hat sich die Menschenrechtslage in China spürbar verschlechtert.

Etwas Abstand von dem politischen Unwetter, das sich in Berlin zusammenbraut, kommt Außenminister Guido Westerwelle (FDP) vielleicht ganz gelegen. Die rund 7365 Kilometer, die zwischen Berlin und Peking liegen, verschaffen dem angeschlagenen FDP-Chef zumindest räumliche Distanz – auch zur eigenen Partei. Nach dem Wahldebakel der FDP vom Wochenende wächst der Druck auf Westerwelle auch innerhalb der eigenen Reihen. Zu den mildesten Forderungen gehört da, Westerwelle solle sich mehr auf sein Außenamt konzentrieren. Dazu hat der Minister mit seinem heute beginnenden Chinaaufenthalt direkt Gelegenheit. Doch zur Erholung von den innenpolitischen Strapazen eignet sich der Besuch in Peking nicht. Die Menschrechtslage in China hat sich in den letzten Wochen deutlich verschlechtert, erschwert die Reise des Außenministers. Deren eigentlicher Zweck, die Eröffnung einer deutschen Ausstellung zur „Kunst der Aufklärung“ in Chinas umgebauten Nationalmuseum, könnte in dieser angespannten Situation zur diplomatischen Gratwanderung geraten. Die Aufklärung und die Demokratisierung Europas sind eng miteinander verbunden. Auch wenn Chinas Führung, der die Kontrolle ihrer Bürger über deren freiheitlichen Rechte geht, darin keinerlei Aktualität erkennen mag. Die Ausstellung im Zentrum der kommunistischen Herrschaft birgt einige Symbolkraft. Außenminister Westerwelle wird das Thema Menschenrechte schon deshalb nicht übergehen können, auch wenn die Forderung nach deren Einhaltung der kritischste Punkt in den Beziehungen beider Länder ist.

Dabei sendet die chinesische Seite im Vorfeld der Reise des deutschen Außenministers durchaus positive Signale aus. „China hofft, dass der Besuch von Außenminister Westerwelle die strategischen Kooperationen beider Länder verstärken, die Entwicklung der Partnerschaft vorantreiben wird“, hieß es in der vergangenen Woche aus dem Außenministerium in Peking. Dass der Dialog beider Länder mittlerweile auf Ministerebene geführt wird, gilt als Zeichen der Annäherung. Diesmal dürfte der Militäreinsatz in Libyen im Mittelpunkt der Gespräche stehen, wenn Westerwelle unter anderem auf Ministerpräsident Wen Jiabao und Außenminister Yang Jiechi trifft. Immerhin muss Westerwelle von chinesischer Seite keine Schelte für die deutsche Haltung in der Libyenfrage befürchten. Denn Chinas Regierung hat sich nicht nur bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat enthalten, sondern stellt den Militäreinsatz in Libyen prinzipiell in Frage.

Deutschland und China mögen zuletzt enger zusammengerückt sein - Westerwelles Chinareise ist dennoch keine einfache Aufgabe. Denn wie alle westlichen Politiker muss der Außenminister beim Thema Menschrechte einen diplomatischen Balanceakt vollbringen. Es gilt, die Gastgeber nicht mit einer zu offenen Kritik zu brüskieren. Gleichzeitig kann Westerwelle das Thema nicht verschweigen, will er in der Heimat nicht noch mehr an Beliebtheit einbüßen. Diese Aufgabe gestaltet sich diesmal noch delikater als sonst. Denn mit aller Macht gehen nervöse Sicherheitsbehörden derzeit gegen Regimekritiker und Bürgerrechtler vor, offenbar aus Angst, der arabische „Revolutionsvirus“ könnte auch die Volksrepublik erfassen. Seit im Februar die ersten Internetaufrufe zu „Jasmin-Protesten“ in China veröffentlich wurden, sind mehr als 100 Menschrechtsaktivisten und Bürgerrechtler verschwunden, festgenommen oder unter Hausarrest gestellt worden. Menschrechtsorganisationen beklagen die massive Unterdrückung der chinesischen Bürgerrechtsbewegung. Zuletzt hatte die Verurteilung des Bürgerrechtlers Liu Xianbin zu zehn Jahren Haft für Empörung gesorgt. Liu hatte in verschiedenen Artikel mehr Demokratie gefordert.

Nimmt Außenminister Westerwelle die Anmahnung der Menschrechte ernst, wird er nicht darum herum kommen, ganz konkrete Fälle mit seinen chinesischen Gesprächspartnern zu erörtern. So hoffen Bürgerrechtler, dass Westerwelle vehement die Freilassung des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo und ein Ende des Hausarrests für dessen Frau Liu Xia fordert. Auf seiner Agenda dürfte Westerwelle auch die Beschwerden deutscher Korrespondenten in China haben. In einem gemeinsamen Brief baten diese den deutschen Außenminister, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Die Journalisten beklagen gezielte Einschüchterungen seitens der chinesischen Behörden, die eine kritische Berichterstattung verhindern wollen. Seit Wochen schränkt die Polizei ihre Bewegungsfreiheit ein, nimmt Reporter vorübergehend fest und droht ihnen mit Ausweisung.

In dieser schwierigen Phase eröffnet Außenminister Westerwelle am Freitag die Ausstellung zur „Kunst der Aufklärung“ mit Leihgaben aus deutschen Museen - im Zentrum der Stadt, am Tian'anmen-Platz, auf dem Chinas Führung 1989 Demonstrationen für mehr Demokratie niederschlug. Auf deutscher Seite ist man sich der Brisanz des Kulturprojekts scheinbar bewusst, gibt sich aber zurückhaltend. „Wir wollen keine politische Belehrung, sondern einen gesellschaftlichen Dialog“, sagte der deutsche Botschafter in Peking Michael Schaefer vergangene Woche. Auch für den Außenminister dürfte diese Formel gelten. Dennoch wird Westerwelle einen Weg finden müssen, das Thema Menschrechte anzusprechen. Angesichts der derzeitigen Lage wären mehr als ein paar der üblichen, meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgetragenen Floskeln, wünschenswert. Ob in China oder Deutschland – einfache Aufgaben gibt es für Guido Westerwelle derzeit nicht.

Freitag, 25. März 2011

Presseschau 04/11

China will Waffenruhe in Libyen

Peking - Der internationale Militäreinsatz gegen Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi hat diese Woche auch in China die Erdbebenkatastrophe in Japan von den Titelseiten verdrängt. Ausführlich informiert die Staatspresse über die Luftangriffe westlicher Staaten gegen Stellungen in Libyen. Allerdings lässt sich in der Berichterstattung der gelenkten Presse deutlich die offizielle politische Linie der chinesischen Führung ablesen. China steht dem militärischen Eingriff in Libyen äußerst kritisch gegenüber. Bei der Abstimmung über die UN-Resolution in der vergangenen Woche im Weltsicherheitsrat hatte sich Vetomacht China der Stimme enthalten. Obwohl es die Entscheidung über die Einrichtung einer Flugverbotszone und zu Luftschlägen gegen Gaddafis Truppen nicht blockierte, zeigte China schon damals deutlich sein Missfallen über die militärische Intervention.
Mitte der Woche verbreiteten zahlreiche chinesische Tageszeitungen die Forderung der Regierung in Peking nach einer sofortigen Waffenruhe. „Alle Beteiligten müssen umgehend das Feuer einstellen und die Probleme mit friedlichen Mitteln lösen“, zitierte „China Daily“ die Sprecherin des Außenministeriums Jiang Yu am Mittwoch. In der gleichen Ausgabe der staatlichen Zeitung finden sich weitere Artikel zur Unterstützung der chinesischen Position. So berichtet die „China Daily“ auch über Indiens Haltung im Libyen-Konflikt. Indien hatte sich bei der bei der Abstimmung im Weltsicherheitsrat ebenfalls enthalten und kritisiert den Militäreinsatz gegen Gaddafis Regime.

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Samstag, 19. März 2011

Japans Katastrophe in Chinas Medien

Chinas Medien berichten ausführlich über die Katastrophe in Japan. Noch werden deren Folgen für das eigene Land aber ausgeklammert.

Auch in China schauen die Menschen gebannt auf die Katastrophe in Japan. Und sie werden durch die staatlich gelenkte Presse ausführlich informiert. Das Fernsehen berichtet in regelmäßigen Abständen über die neusten Entwicklungen. Tageszeitungen informieren auf umfangreichen Sonderseiten. Zahlreiche chinesische Journalisten sind im Nachbarland vor Ort.

Doch trotz der aufwendigen Berichterstattung der Staatspresse werden zentrale Fragen bisher weitgehend ausgeklammert. Welche Folgen könnte die nukleare Katastrophe in Japan für die eigene Bevölkerung haben? Sind unsere Reaktoren sicher? Fragen, die in den westlichen Medien emotional diskutiert werden, fallen in der Volksrepublik bisher unter den Tisch. Gelassen bis distanziert wird über die nukleare Katastrophe berichtet. China, selbst geplagt von zahlreichen Erdbeben, zeigt sich durchaus solidarisch mit den Opfern von Erdbeben und Tsunami. Wie man die Atomkrise und deren Folgen einordnen soll, da ist sich die Staatspresse scheinbar unsicher. Denn die hat kräftig am Ruf der Atomenergie als sauber und sicher mitgearbeitet. Erfolgreich hat Pekings Propagandaapparat Atomkraft zur „grünen“ Energiequelle erklärt. Ein Image, das man nur ungern aufgeben möchte. Denn noch sind Atomkraftgegner in China rar. Sicherheitsdebatten finden nur unter Experten statt. Und auch wenn die Regierung am Mittwoch bekannt gab, vorerst alle Genehmigungsverfahren für neue Atomkraftwerke wegen der Vorfälle in Japan zu stoppen: dauerhaft will man nicht auf den erst jüngst beschlossenen Ausbau der Atomenergie verzichten. Eine öffentliche Debatte über die Sicherheit der chinesischen Meiler soll deshalb offenbar vermieden werden - eine Erklärung für die gelassene Berichterstattung der Staatsmedien.

Auf Dauer dürfte dieser Kurs allerdings nicht aufrechtzuerhalten sein. Angesichts der sich zuspitzenden Lage im Kernkraftwerk Fukushima 1 steigen auch die Sorgen der Menschen in China. In Teilen des Landes kam es am Donnerstag zu Panikkäufen von Salz, im Glauben das darin enthaltene Jod könne vor radioaktiver Strahlung schützen. Nach Berichten der Zeitung „China Daily“ sind in vielen Apotheken Jodtabletten ausverkauft. Chinas Medien werden sich in Zukunft wohl doch auf eine Diskussion über die Folgen der atomaren Katastrophe in Japan einlassen müssen.

Wie aus anderen Länder über die Katastrophe in Japan berichtet wird:
www.tagesspiegel.de

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