Mittwoch, 29. Juni 2011

Kooperation und Konkurrenz

Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao geht in Europa auf große Einkaufstour. Doch die chinesische Unterstützung für die angeschlagene Eurozone ist kein reiner Freundschaftsdienst.

Europareisen chinesischer Politiker geraten immer mehr zu groß angelegten Einkaufstouren. Auch auf seiner aktuellen Reise durch Ungarn, Großbritannien und Deutschland hat Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao, viel Geld im Gepäck. In Deutschland, wo unter der Leitung von Wen Jiabao und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) derzeit die ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen stattfinden, sollen zahlreiche Wirtschaftsabkommen unterzeichnet werden. Deutschland rechnet mit Abschlüssen in Milliardenhöhe – vor allem in der Automobil- und Flugzeugbaubranche. Ihr Handelsvolumen wollen beide Länder in den nächsten fünf Jahren von über 130 Milliarden auf 200 Milliarden Euro steigern. In anderen europäischen Staaten, die schwerer von der internationalen Finanz- und Eurokrise getroffen wurden, geht das chinesische Engagement noch weiter. So erklärte Wen Jiabao am Samstag in Budapest, ungarische Staatspapiere kaufen zu wollen. „China hat Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung Europas und sieht sich als langfristigen Investor in Staatsschulden europäischer Staaten“, so Wen. Wie schon zuvor betonte er die Unterstützung seines Landes für Europa und den Euro. Vom deutschen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) gab es dafür Lob. „China hat in den letzten Monaten eine stabilisierende Rolle auf dem europäischen Finanzmarkt gespielt. Dafür sind wir dankbar“, erklärte Westerwelle in einem Interview mit der chinesischen Zeitung „Beijing News“ von Dienstag.

Schon längst hat Peking auch in andere strauchelnde Eurostaaten investiert. Ob Griechenland, Portugal, Spanien, Italien oder Irland. China vergibt seit der internationalen Finanzkrise großzügig Kredite, kauft sich über Staatsanleihen in Europa ein. Dabei versteht es die Führung in Peking, sich als Retter der angeschlagenen Eurozone zu inszenieren. Mit dem an sich begrüßenswerten Euro-Engagement verfolgt China aber naturgemäß auch eigene Interessen. Die Europäische Union (EU) ist der wichtigste Außenhandelspartner des Landes, das noch in hohen Maßen von seinen Exporten abhängig ist. Eine allzu geschwächte EU hätte auch negative Auswirkung auf die chinesische Wirtschaft. Und China stützt den Euro schon deshalb, weil das Land etwa ein Viertel seiner 3,3 Billionen US-Dollar Devisenreserven mittlerweile in Euro angelegt hat. Daneben hofft Peking mit dem Engagement auf größeren politischen Einfluss. Je mehr die Volksrepublik in Europa investiert, desto schwerer fällt deren Regierungschefs Kritik, wenn es zum Beispiel um heikle Themen wie die Menschenrechtsfrage geht. So sehr Chinas Führung Gemeinsamkeiten hervorhebt – auch in Wirtschaftsfragen wird das Konfliktpotential steigen. Schon deshalb, weil China vehement eine größere Rolle in der internationalen Finanzpolitik einfordert. Der wachsende politische Einfluss dürfte Peking helfen, Streitfragen für sich zu entscheiden. Wie etwa bei Chinas Bemühungen, die Anerkennung des marktwirtschaftlichen Status des Landes in der EU durchzusetzen, um sich so vor Anti-Dumping-Verfahren schützen zu können. Ministerpräsident Wen Jiabao trug diesen Wunsch am Dienstag in Berlin erneut vor. Gerade mit Blick auf den Schutz von geistigem Eigentum überwiegt in der EU bisher die Ansicht, dass die Volksrepublik die Kriterien für den Status einer Marktwirtschaft noch nicht erfüllt. China wird in diesem und in anderen Bereichen den Druck auf die EU erhöhen.

Schon in der Vergangenheit hat das selbstbewusste Auftreten Chinas dabei für Unmut gesorgt. So hatte sich EU-Kommissar Karel De Gucht bereits Ende 2010 über die Einflussnahme Pekings beschwert. Die EU-Kommission sah schon damals mit Sorge, wie Chinas Führung Druck auf Mitgliedstaaten ausübte, damit sie gegen Strafzölle auf chinesische Dumpingware stimmen. In der Volksrepublik, aber auch in Deutschland, als wichtigstem Handelspartner Chinas in der EU, gibt es Stimmen, die vor einem wachsenden Konfliktpotenzial in den Wirtschaftsbeziehungen warnen. „China erhöht das Tempo, um seine Industrie auf Hightech-Produkte umzustellen. Das wird noch zu Handelsstreitigkeiten mit anderen Ländern führen, die solche Produkte herstellen“, erklärte Zhang Yuyan, Analyst des Instituts für Weltwirtschaft und Politik der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, bereits vor einigerer Zeit. Der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hob am Montag zwar die Bedeutung der Volksrepublik für die deutsche Wirtschaft hervor. Gleichzeitig machte er aber deutlich, dass China auf den internationalen Märkten ein immer stärkerer Konkurrent werde. „Deutschland muss darauf achten, dass offene Märkte keine Einbahnstraße sind“, sagte Rösler der „Bild“-Zeitung. Dagegen ist Außenminister Guido Westerwelle offenbar daran gelegen, die Angst vor der schon jetzt zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt China zu zerstreuen. Der Aufstieg einer Macht sei in der globalisierten Welt von heute nicht automatisch mit dem Abstieg anderer Länder verbunden, erklärte Westerwelle der Beijing News. „Nicht zuletzt in der Wirtschaft profitieren unsere Länder besonders vom Austausch. Keiner wird schwächer. Im Gegenteil, unsere beiden Länder werden stärker.“

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Montag, 27. Juni 2011

Pekings Wirtschaftsmacht erschwert den politischen Dialog

Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao kommt nach Berlin und will vor allem über Wirtschaft reden. Aber auch da gibt es Unstimmigkeiten zwischen Deutschland und China

Gerade einmal vier Tage nach der Freilassung des chinesischen Künstlers und Regimekritikers Ai Weiwei haben Chinas Sicherheitsbehörden einen weiteren prominenten Bürgerrechtler auf freien Fuß gesetzt. Nach dreieinhalb Jahren Haft wegen „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ konnte Hu Jia, der die Korruption in der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) angeprangert und sich für HIV-Infizierte in China eingesetzt hatte, nach Hause zurückkehren. Auf den ersten Blick könnte man fast meinen, dass die chinesische Führung rechtzeitig zu den ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin ihre Gefängnistore öffnen wolle.
Schon die überraschende Freilassung Ai Weiweis nährte den Verdacht, man wolle Chinas Ministerpräsidenten Wen Jiabao seine mehrtägige Europareise erleichtern, die Kritik an der Menschenrechtslage in der Volksrepublik abmildern. Doch wie viel Kalkül tatsächlich hinter den Maßnahmen der Regierung steckt, bleibt unklar. Dass Hu Jia gerade jetzt wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, ist wohl kein taktisches Manöver: Die Haftzeit des 37-jährigen war schlicht abgelaufen.

Dennoch könnte Wen Jiabao versuchen, die beiden aktuellen Fälle als positive Entwicklung in Sachen Menschenrechte zu verkaufen. Diese sollen laut der Bundesregierung bei den an diesem Montag beginnenden Regierungskonsultationen ein zentrales Thema sein. Denn die Einhaltung der Menschenrechte in China bleibt auch weiterhin der kritischste Punkt in den Beziehungen beider Länder. Besonders das Schicksal Ai Weiweis steht im Mittelpunkt des deutschen Interesses. Die vorläufige Freilassung des Gegenwartskünstlers hat daran nicht viel geändert. Seine Zukunft ist weiterhin ungewiss, er darf Peking nicht verlassen. Noch immer drohen ihm ein intransparentes Verfahren wegen angeblicher Steuerhinterziehung und eine langjährige Haftstrafe. Schon Mitte Mai hatte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung in Peking kein Blatt vor den Mund genommen. „Die Inhaftierung Ai Weiweis ist eine Belastung für die deutsch-chinesischen Beziehungen“, erklärte Markus Löning (FDP) bei einem Besuch in Chinas Hauptstadt. Von chinesischer Seite erntete Löning damals hauptsächlich Unverständnis für das deutsche Interesse an Ai Weiwei. Dabei hat die Bundesregierung mehrfach deutlich gemacht, dass es ihr nicht allein um das Schicksal Ai Weiweis geht, sondern um die Menschenrechtssituation im Allgemeinen. An dem Unverständnis über die deutsche Einmischung wird sich bis heute nichts geändert haben. Dass gar der deutsche Protest Einfluss auf die Freilassung gehabt haben könnte, ist daher unwahrscheinlich. Allzu scharf ist die deutsche Kritik in den letzten Monaten ohnehin nicht ausgefallen. Denn nach außen betonen Regierungsvertreter beider Seiten gerne die Kontinuität und Qualität der deutsch-chinesischen Beziehungen. Dafür werden heikle Themen zur Not auch ausgeklammert.

Dabei müssen deutsche Politiker immer häufiger feststellen, dass die Führung in Peking mit einem neuen Selbstbewusstsein in politischen Gesprächen agiert, manch einer interpretiert dieses gar als Arroganz. Die wachsende ökonomische Potenz der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt erschwert den Dialog und den eh schon geringen Einfluss ausländischer Staaten auf China. Eine der schmerzlichsten Erfahrungen dieser Art musste Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) bei seiner letzten Chinareise Ende März machen. Erst kam es zum Eklat um den Sinologen Tilman Spengler, dem, obwohl er als Mitglied der Delegation des Außenministers nach Peking fliegen sollte, die Einreise verweigert wurde. Chinas Mächtige erklärten Spengler zur unerwünschten Person, nachdem dieser 2010 bei der Verleihung der Hermann-Kesten-Medaille eine Laudatio auf den inhaftierten Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo gehalten hatte. Guido Westerwelle, der eigens angereist war, um die deutsche Ausstellung zur „Kunst der Aufklärung“ im Pekinger Nationalmuseum zu eröffnen, blieb nichts anderes übrig, als diesen Affront hinzunehmen. Und kaum war der deutsche Außenminister abgereist, ließen Chinas Sicherheitsbehörden Ai Weiwei verhaften. Damit geriet nicht nur das gemeinsame Ausstellungsprojekt in die Kritik, sondern der deutsch-chinesische Kulturaustausch insgesamt. Schlechte Voraussetzungen für das 2012 geplante „chinesische Kulturjahr“ in Deutschland.

Dagegen ist wenig überraschend, dass es in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China die größte Übereinstimmung gibt. Innerhalb der EU ist Deutschland Chinas wichtigster Handelspartner. Und die Volksrepublik gilt deutschen Unternehmen als bedeutender Absatzmarkt und Investitionsstandort. Besonders die Autoindustrie profitiert von einer starken Nachfrage nach deutschen Fahrzeugen. Rund 130 Milliarden Euro betrug das Handelsvolumen beider Länder 2010.
Ganz frei von Unstimmigkeiten sind aber auch die Wirtschaftsbeziehungen nicht. So weigert sich die Europäische Union und mit ihr die deutsche Regierung weiterhin, der Volksrepublik den Status einer Marktwirtschaft zuzusprechen. Und deutsche Unternehmen beschweren sich regelmäßig über einen erschwerten Zugang zum chinesischen Markt. Dennoch sind die deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen traditionell gut – scheinbar völlig unabhängig von der politischen Partnerschaft. Daran hat nicht zuletzt die Mehrheit der deutschen Wirtschaftsvertreter einen Anteil, die anhaltende Menschenrechtsverletzungen China mit stoischer Gelassenheit kritiklos hinnimmt – aus Angst, den mächtigen Wirtschaftspartner China zu verärgern. Das Schweigen der deutschen Unternehmen zur Verhaftung Ai Weiweis ist in diesem Zusammenhang ein eindrucksvolles Beispiel. Den früheren BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel bewegte ein derart apathisches Verhalten gar zu einer öffentlichen Schelte deutscher Firmen. In einem Gespräch mit der dpa Ende Mai hatte sich Henkel enttäuscht gezeigt, dass sich nur wenige deutsche Unternehmen dem von ihm mitinitiierten Berliner Appell zur Freilassung Ai Weiweis angeschlossen hatten. Dabei hätten einige Manager nicht nur die Unterschrift verweigert, sondern gar argumentiert, dass China keine Demokratie brauche.

Einen derartigen Zynismus kann sich die Bundesregierung im Umgang mit China nicht leisten, misst die Mehrheit der deutschen Bevölkerung der Einhaltung der Menschenrechte doch weltweit große Bedeutung bei. So wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim Zusammentreffen mit Chinas Ministerpräsidenten in Berlin das Thema Menschenrechte ansprechen müssen. Und sie wird der deutschen Öffentlichkeit glaubhaft vermitteln müssen, dass sie sich dabei nicht nur routinemäßig vorgetragener Floskeln bedient. Ihre chinesischen Gäste wird sie damit allerdings nicht beeindrucken können. Diese sind für Kritik von außen derzeit wenig empfänglich.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sieht in der wachsenden Rolle Chinas eine "Herausforderung für die deutsche Wirtschaft". Sie sei für den Wettbewerb mit China aber "gut gewappnet", sagte Rösler der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe). "China bedeutet für uns ein Mehr an Chancen, wenn wir wie bisher unsere Wettbewerbsfähigkeit durch Innovation, Flexibilität und Kundennähe sichern", sagte Rösler vor einem Besuch von Chinas Regierungschef Wen Jiabao in Berlin. Kostenvorteile habe China im Bereich der "eher einfachen Produkte". "Deshalb liegen unsere Chancen vor allem in innovativen und technologieintensiven Gütern und Dienstleistungen."

Am Montagabend wird Wen an der Spitze einer großen Wirtschaftsdelegation zu den ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin erwartet. Angela Merkel (CDU) will zum Auftakt ein Abendessen für den Gast geben. Bei den zweitägigen Gesprächen will Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) nach eigenen Angaben auch die Menschenrechte ansprechen.

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Freitag, 24. Juni 2011

Ai Weiwei - Schweigender Protest

Der chinesische Künstler Ai Wei Wei ist zwar zu Hause, aber nicht frei.

Nur kurz trat Ai Weiwei vor die Tür seines Studios in Peking. „Mir geht es gut. Aber bitte verstehen Sie, dass ich nichts sagen darf“, erklärte Ai, der sichtbar an Gewicht verloren hatte, den wartenden Pressevertretern am Donnerstagmorgen. Überraschend haben Chinas Sicherheitsbehörden den Künstler und Regimekritiker am Mittwochabend aus der Haft entlassen, nachdem er am 3. April am Pekinger Flughafen festgesetzt und an einen unbekannten Ort verschleppt worden war. Da der Künstler offenbar von den Sicherheitsbehörden zum Schweigen verpflichtet wurde, bleibt viel im Fall Ai Weiwei unklar. Das Außenministerium in Peking bestätigte am Donnerstag lediglich, dass Ai auf Kaution freigelassen worden sei. Die Ermittlungen gegen den Künstler laufen demnach weiter, er dürfe daher Peking vorläufig nicht ohne Erlaubnis verlassen. Am Mittwoch hatte die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua die Freilassung Ai Weiweis verkündet und mit einem „Schuldeingeständnis“ des Künstlers begründet. Demnach hätte Ai angeblich zugegeben, mit dem von ihm „kontrollierten“ Unternehmen „Fake Cultural Development“ einen großen Betrag an Steuergeldern hinterzogen und vorsätzlich Geschäftsunterlagen zerstört zu haben. Nach Angaben von Xinhua hätte auch eine chronische Erkrankung des Künstlers eine Rolle bei seiner Entlassung gespielt. Die Familie des Künstlers hatte den gegen ihn erhobenen Vorwurf des Steuerbetrugs mehrfach zurückgewiesen.

Tatsächlich liegt der Verdacht nahe, dass sich Chinas Mächtige mit einem konstruierten Verfahren des aufmüpfigen Künstlers entledigen möchten. Es wäre nicht das erste Mal, dass einem Regimekritiker Wirtschaftsvergehen vorgeworfen werden, um diesen zum Schweigen zu bringen. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen haben die chinesischen Behörden auch schon in anderen Fällen den Vorwurf von Wirtschaftsverbrechen gegen Bürgerrechtler erhoben. Noch immer droht auch Ai Weiwei ein Gerichtsverfahren und eine mehrjährige Haftstrafe. Die Einstellung des Verfahrens nach der Zahlung eines Strafgeldes ist eine Möglichkeit. Dass es doch zu einem Prozess gegen den Künstler kommt, die andere. Ob Ai Weiwei sich wirklich der Steuerhinterziehung schuldig gemacht hat, wird man auch nach einem eventuellen Verfahren nicht mit Sicherheit sagen können. Chinas Gerichte sind für ihre Geheimniskrämerei bekannt. Und noch immer haben eben nicht Richter und Gesetze das Sagen, sondern die Kommunistische Partei Chinas (KPCh).

Der Fall Ai Weiwei macht einmal mehr deutlich, wie weit China noch von der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien entfernt ist. Wochenlang haben die Sicherheitsbehörden Ai festgehalten, ohne seine Familie zu informieren, ohne dass er einen Anwalt einschalten konnte. Seine Frau Lu Qing durfte ihn nur ein Mal an einem unbekannten Ort für wenige Minuten treffen. Wochenlang blieb der Künstler in Haft, ohne dass öffentliche Anklage erhoben wurde. Um dieses Vorgehen zu rechtfertigen, den Schein der Rechtsstaatlichkeit zu wahren, erklärten die Behörden die Inhaftierung Ais im Nachhinein zum Hausarrest – aus dem er nun auf Kaution freigekommen ist. Ein einmaliger Vorgang. Zum ersten Mal hat Chinas Polizei einen Festgenommenen auf Kaution wieder freigelassen. Denn besonders bei Regimekritikern gehen die Behörden willkürlich und mit aller Härte vor. In den letzten Monaten verschärfte das Regime in Peking die Verfolgung von Bürgerrechtlern und Kritikern noch einmal. Offenbar auch aus Angst, die Revolutionswelle aus der arabischen Welt könnte in die Volksrepublik herüberschwappen. Dutzende Regimekritiker sind ähnlich wie Ai Weiwei den Repressionen der Behörden ausgesetzt. Zuletzt wurde am Mittwoch offenbar der bekannte Bürgerrechtsanwalt Xu Zhiyong verschleppt. Vier Mitarbeiter Ai Weiweis, die wie der Künstler im April verschleppt worden waren, bleiben weiterhin spurlos verschwunden. Die Ehefrau des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo steht noch immer unter Hausarrest.

Umso erstaunlicher ist die plötzliche Entlassung des weltberühmten Künstlers. Möglich, dass Chinas Führung vor der anstehenden Europareise von Wen Jiabao, die Chinas Ministerpräsidenten auch zu Regierungskonsultationen nach Berlin führt, Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen möchte – auch wenn ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums verneinte, dass äußere Faktoren Einfluss auf den Umgang mit Ai Weiwei gehabt hätten. Üblicherweise geht China vor Auslandsreisen einen Schritt auf die jeweiligen Staaten zu, um seinen Regierungsvertretern einen politischen Spießrutenlauf zu ersparen. Und die Einhaltung der Menschenrechte ist ein zentrales Streitthema zwischen China und den europäischen Staaten. Besonders die deutsche Regierung hatte wiederholt die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien eingefordert.
Denkbar ist auch, dass sich die gemäßigten Kräfte in den Machtzirkeln der KPCh vorerst durchgesetzt haben, die ein allzu hartes Vorgehen gegen den einflussreichen Künstler ablehnen. Beobachter in Peking gehen davon aus, dass sich in der kommunistischen Führung eine Auseinandersetzung zwischen Hardlinern und gemäßigten Kräften abspielt – gerade im Hinblick auf die im nächsten Jahr beginnenden Machtwechsel in Partei und Regierung. Ais Entlassung als Zeichen zu deuten, dass die chinesische Führung ihr massives Vorgehen gegen Regimegegner nun generell überdenkt, geht aber fehl. Durch seine weltweite Bekanntheit bleibt Ai Weiwei ein Sonderfall. Und auch er ist zwar zu Hause, aber nicht frei.

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Samstag, 28. Mai 2011

Internetboom beim „Feind des Internets“

Chinas Internetmarkt wächst trotz staatlicher Zensur rasant. Doch ausländische Unternehmen bleiben weitgehend außen vor

Chinas Machthaber können sich nicht richtig mit dem Internet anfreunden. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen (RoG) verlieh China vor kurzem gar den Titel „Feind des Internets“, da staatliche Kontrolleure alle Inhalte im Internet systematisch überwachen, Unerwünschtes löschen und zensieren. Webseiten mit heiklen Inhalten, wie über das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens oder den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, sind in China nicht zu erreichen. Regierungskritische Blogger werden verfolgt und nicht selten weggesperrt. Um die Kontrolle über das Internet noch auszuweiten, hat China gerade erst ein neues zentrales Aufsichtsgremium mit weitgehenden Rechten geschaffen. Das „State Internet Informatiom Office“ überwacht das Internet und entscheidet über die Zulassung jeglicher Onlineanwendungen. Chinas Machthaber stehen besonders den sozialen Netzwerken skeptisch gegenüber. Nicht erst, seit mit der Hilfe von Facebook, Twitter und Co die Massenproteste in der arabischen Welt organisiert wurden, wächst die Angst der Führung vor den schwer zu kontrollierenden Kommunikationsplattformen. Facebook, Twitter oder auch Youtube sind schon deshalb nicht über das chinesische Internet erreichbar.

Die Bevölkerung lässt sich davon jedoch nicht beirren. 457 Millionen Internetnutzer hat China bereits Ende 2010 gezählt. Geschätzte 75 Millionen Menschen bloggen. Da internationale Unternehmen auf dem weitgehend abgeschotteten Markt kaum Zugang finden, profitieren vor allem chinesische Internetfirmen von dem Boom. In den letzten Jahren ist so eine Parallelwelt entstanden, in der es für jeden ausländischen Internetdienst eine chinesische Entsprechung gibt. Anstatt Twitter verwenden Chinas Internetnutzer den Mikroblog-Dienst Weibo des Unternehmens Sina, der sich deutlich an dem Konkurrenten orientiert. Facebook heißt in China RenRen und auch Youtube hat sein Pendant in Youku.

Den naheliegenden Vorwurf, man kupfere Ideen von ausländischen Anbietern ab, weisen Chinas Internetunternehmen allerdings zurück. „Wir kopieren nicht. Die Entwicklung unserer sozialer Netzwerke unterscheidet sich deutlich von der bei Twitter oder Facebook“, erklärte Charles Chao, Chef von Sina kürzlich. Auch wenn sie sich an der westlichen Konkurrenz orientieren. Die Eigenarten des chinesischen Marktes beflügeln nach Meinung verschiedener Experten den Innovationsgeist von Chinas Entwicklern. Diese agieren äußerst erfolgreich. So sind alle genannten Internetfirmen mittlerweile an der NASDAQ gelistet. Youku erwirtschafte im ersten Quartal 2011 immerhin Umsätze von etwa 20 Millionen Dollar. Laut Unternehmensangaben besuchen das Video-Portal rund 281 Millionen Nutzer im Monat.

Für ihren Erfolg müssen sich Chinas Unternehmen allerdings mit der Regierung in Peking und deren Zensoren arrangieren. Jegliche Form des Massenaustausches wird unterbunden, kritische Einträge werden gefiltert und gelöscht. So sind chinesische soziale Netzwerke häufig nicht viel mehr als harmlose Chatrooms oder Treffs für Onlinespiele. Doch da Chinas Internetfirmen den Markt unter sich aufteilen können, fällt dieser Makel kaum ins Gewicht. Dass westliche Anbieter in China hinten anstehen, ist laut Christian Schmidkonz, Professor für „Wirtschaft in Asien“ an der „Munich Business School“ selbst verschuldet. „Sie haben es in der Frühphase des Internets in China verpasst, ihre Dienste an die Bedürfnisse des Marktes anzupassen, sind deshalb erfolglos geblieben“, sagt Schmidkonz. Dabei sei das Internet in der Vergangenheit offener für ausländische Anbieter gewesen als jetzt. „Inzwischen verstehen es Regierung und chinesische Firmen sehr wohl, protektionistische Hürden aufzubauen“, so Schmidkonz.

Fehlendes Verständnis für den chinesischen Markt attestiert der Experte auch der Suchmaschine Google. Schon vor dem Teilrückzug Googles, das sich nicht mehr selbst zensieren wollte, war der chinesische Konkurrent Baidu die populärste Suchmaschine im Land, hat derzeit einen Marktanteil von etwa 76 Prozent. Wohl weil man schon früh auch auf Musik und Unterhaltung gesetzt hat, was Google laut Schmidkonz zuerst versäumt hatte. Chinas Internetnutzer hätten auch heute noch ein wesentliches Interesse an Unterhaltung, weniger an politischen Nachrichten.

Völlig unpolitisch ist Chinas Internetgemeinde allerdings nicht. Als die Regierung 2009 versuchte alle neuen Computer mit der vorinstallierten Filtersoftware „Grüner Damm“ auszustatten, formierte sich ein breiter öffentlicher Widerstand. Die Pläne mussten begraben werden. Außerdem wächst die Zahl der Blogger, die das Internet nutzen, um Korruptionsfälle anzuprangern oder Lebensmittelskandale aufzudecken. Daneben gibt es auch einen kleinen Kreis von Internetaktivisten, die regierungskritische Texte bloggen. Doch wer in Chinas so direkt in Opposition zum Machtapparat geht, dem droht die Verfolgung durch die Behörden. Nirgendwo auf der Welt sitzen laut RoG mehr Aktivisten in Haft, die wegen Internetbeiträgen verurteilten wurden, als in China.

Das Anwachsen der Onlinegemeinde wird Chinas Führung auch nicht durch noch so strikte Maßnahmen verhindern können. Vermutlich wird sie es auch gar nicht wollen, weiß man doch auch in Peking, dass mit der jungen Branche viel Geld zu verdienen ist. Doch die verstärkten Zensurmaßnahmen und das harte Vorgehen gegen Internetaktivisten zeigen, dass Peking sich dennoch vor der Dynamik fürchtet, die gerade soziale Netzwerke entfachen können. Und nichts fürchten Chinas Machthaber mehr als den Kontrollverlust.

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Freitag, 27. Mai 2011

Kim Jong Il in China

Zum dritten Mal in einem Jahr ist Nordkoreas Diktator nach China gereist. Dort hat sich Kim Jong Il offenbar mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Volksrepublik vertraut gemacht.

Viel geheimnisvoller kann ein Staatsbesuch kaum sein. Zum dritten Mal seit Mai letzten Jahres ist Nordkoreas Diktator Kim Jong Il nach China gereist. Wie schon bei den vorherigen Reisen ins Nachbarland blieb Vieles im Dunkeln. Aus dem abgeschotteten Nordkorea dringen seit jeher wenige Informationen nach außen. Und auf Wunsch Kim Jong Ils schweigt sich auch Peking über die Besuche aus, bis der Diktator wieder nach Nordkorea zurückgekehrt ist. Dennoch sind auf der aktuellen Reise Informationen an die Öffentlichkeit gedrungen. Schon deshalb, weil Kim Jong Il Flugzeuge meidet, stets mit dem Zug reist. Sobald der Sonderzug aus Pjöngjang die Grenze Chinas überschreitet, gibt es die ersten Augenzeugenberichte und zahlreiche Spekulationen.

Am Freitag vergangener Woche hatte Kim laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap seine überraschende Chinareise begonnen, seitdem verschiedene Städte besucht. Im nordöstlichen Changchun soll Kim das Werk des zweitgrößten chinesischen Autoherstellers, First Automobile Works (FAW), in Augenschein genommen haben. Weitere Besuche bei Technologieunternehmen und in Kaufhäusern sollen auf dem Programm Kim Jong Ils gestanden haben. Nach Angaben von Yonhap ist der nordkoreanische Machthaber dann am Mittwoch zu politischen Gesprächen nach Peking gereist, wo es zu einem Treffen zwischen Kim Jong Il und Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao gekommen sei. Bei dem Besuch des Diktators stand offenbar der Ausbau der wirtschaftlichen Kooperation beider Länder im Vordergrund. Auf einem Gipfeltreffen zwischen China, Japan und Südkorea am letzten Wochenende in Tokio hatte Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao nach südkoreanischen Angaben erklärt, Kim Jong Il eingeladen zu haben, um ihm die Gelegenheit zum Studium der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas zu geben.

Nachhilfe, die Nordkoreas Führer dringend nötig zu haben scheint. Der kommunistische Staat ist weitgehend heruntergewirtschaftet, kann seine Bevölkerung kaum noch versorgen. Erst kürzlich hatte das Welternährungsprogramm (WFP) gewarnt, dass sich die Nahrungsmittelknappheit im isolierten Nordkorea angesichts bald aufgebrauchter Vorräte weiter verschärfen werde. Nordkorea hängt am Tropf der aufstrebenden Wirtschaftsmacht China, die mittlerweile der wichtigste Handelspartner des nordkoreanischen Regimes ist. Das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten ist 2010 von 2,68 auf 3,46 Milliarden US-Dollar gestiegen. Und Chinas Führung liefert Öl und Nahrungsmittelhilfen, um Nordkorea vor dem Kollaps zu bewahren. Peking will so Flüchtlingsströme aus dem verarmten Nachbarstaat verhindern. Doch gleichzeitig drängt Chinas Führung Kim Jong Il offenbar zu grundlegenden Wirtschaftsreformen. Ökonomisch am Boden bleibt Nordkorea unberechenbar und beschädigt mit seinem kriegerischen Gebaren das außenpolitische Ansehen Chinas.

Als letzter Verbündeter Nordkoreas hat es sich China zur Aufgabe gemacht, Nordkorea zur Wiederaufnahme der 2009 eingefrorenen Gespräche über dessen Atomwaffenprogramm zu bewegen. So will Peking internationale Anerkennung als Friedensstifter sammeln. Eine militärische Intervention Südkoreas und der USA in Nordkorea will Chinas Regierung verhindern, da ihr am Status quo in der Region gelegen ist. Noch immer sieht die Volksrepublik Nordkorea als Puffer zu Südkorea und den Tausenden dort stationierten US-Soldaten. Schon deshalb drängt man auf die Wiederbelebung der „Sechs-Parteien-Gespräche“. Derartige Bemühungen wurden durch Pjöngjangs Unberechenbarkeit aber immer wieder behindert. Zuletzt hatte der Angriff Nordkoreas auf die südkoreanische Insel Yeonpyeong im November 2010 für Verstimmungen zwischen Peking und Pjöngjang gesorgt. Zwar hatte Chinas Führung Nordkorea öffentlich in Schutz genommen. Doch hinter den Kulissen zeigen sich chinesische Außenpolitiker schon länger entnervt von ihrem Partner. So zitierten von Wikileaks enthüllte Depeschen den chinesischen Vizeaußenminister He Yafei mit den Worten, Nordkorea benehme sich wie ein „verzogenes Kind“, um die Aufmerksamkeit des „Erwachsenen zu bekommen“. He Yafei habe die Äußerungen nach Nordkoreas Raketentest im April 2009 getätigt und mit ihnen auf den Wunsch Nordkoreas angespielt, direkt mit den USA über sein Atomwaffenprogramm verhandeln zu wollen. Der Konflikt um den Untergang des südkoreanischen Kriegsschiffs „Cheonan“ im März 2010 oder eben der Angriff auf die Insel Yeonpyeong – all das dürfte die Stimmung chinesischer Diplomaten nicht verbessert haben.

Dennoch bleibt China Kim Jong Ils wichtigster Partner. Und je mehr Nordkorea wirtschaftlich zusammenbricht, desto mehr muss der „geliebte Früher“ auf seinen großen, erfolgreichen Nachbarn hören. China scheint bereit, seinen Einfluss auf Nordkorea stärker nutzen zu wollen. Allerdings will die Volksrepublik vornehmlich wirtschaftliche Reformen herbeiführen. An einem Sturz der Kim-Dynastie ist China offensichtlich nicht interessiert. Bereits im August 2010 reiste Kim Jong Il mit seinem Sohn Kim Jong Un nach China, den der gesundheitlich angeschlagene Diktator als Nachfolger installieren möchte. Damals soll sich Kim Jong Il den Segen Pekings für die Machtübergabe an seinen Sohn geholt haben. Ob Kim Jong Il auch diesmal von Kim Jong Un begleitet wurde, blieb bisher unklar. Soviel Geheimniskrämerei gehört wohl dazu, wenn Nordkoreas skurriler Diktator reist.

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Freitag, 20. Mai 2011

China investiert Milliarden in Bahnausbau

China investiert Milliarden in den Ausbau und die Modernisierung seines Schienennetzes. Gleichzeitig wachsen die Zweifel an Wirtschaftlichkeit und Nutzen des Prestigeprojekts der Regierung.

Eine Wasserflasche musste als Beweis für Chinas Ingenieurkunst herhalten. Auf dem Kopf gestellt, fiel sie auch beim Beschleunigen und Abbremsen des Schnellzuges nicht um. Euphorisch feierte Chinas Staatspresse letzte Woche den ersten Testlauf auf der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Peking und Schanghai, die im Juni endgültig eröffnet wird. Mit Tempo 300 km/h wird die Fahrzeit von zehn auf rund fünf Stunden verkürzt. Die Strecke gilt als Herzstück des chinesischen Bahnausbaus. Zwar werden laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua die Investitionen in das Mammutprojekt 2011 gesenkt, im Vergleich zum Vorjahr von 823 Mrd. Yuan (89 Mrd. Euro), auf etwa 745,5 Mrd. Yuan (81 Mrd. Euro). Dennoch brechen derartige Ausgaben weiterhin alle Rekorde. In den nächsten fünf Jahren will China bis zu 400 Mrd. Euro in den Bahnausbau investieren. Dann sollen 120 000 Kilometer Bahnnetz, davon 16 000 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecken, bereitstehen. Der Ausbau ist Teil des umfangreichen Konjunkturprogramms, mit dem die Regierung das Land durch die Weltwirtschaftskrise manövriert hat. Noch immer spielt es auch als Beschäftigungsmotor eine wichtige Rolle für Chinas Wirtschaftswachstum.

Das gigantische Ausmaß des Projekts ruft allerdings nicht nur Bewunderer auf den Plan. Spätestens seitdem der ehemalige Eisenbahnminister Liu Zhijun aufgrund von Korruptionsvorwürfen Mitte Februar abgesetzt wurde, mehren sich Stimmen im Land, die an der Wirtschaftlichkeit der staatlichen Bahnindustrie zweifeln. Diese hat allein im ersten Quartal dieses Jahres einen Verlust von 3,7 Mrd. Yuan (400 Mio. Euro) eingefahren. Forderungen nach einen Trennung von Staat und Bahn erteilte das Eisenbahnministerium dennoch vor wenigen Tagen eine Abfuhr. „Wir werden sie nicht privatisieren. Die Bahnindustrie ist ein wichtiger Sektor, der die Lebensadern unserer nationalen Wirtschaft betrifft“, sagte Ministeriumssprecher Wang Yongping. Das Ministerium hat 2011 als entscheidendes Jahr für den Bahnausbau ausgerufen. Tatsächlich steht dieser nun am Scheideweg. Es gilt, die wuchernde Korruption in den Griff zu bekommen, Schulden abzubauen und das angekratzte Image des Bahnministeriums wieder aufzupolieren.

In der Kritik stehen vor allem die Hochgeschwindigkeitsstrecken, die einer kostspieligeren Schienenlegung bedürfen – inklusive einer Vielzahl von Tunneln und Viadukten. Ein einziger Kilometer Hochgeschwindigkeitsschienen kostet laut chinesischer Experten bis zu drei Mal so viel, wie ein Kilometer herkömmlicher Strecke. „Machbarkeitsstudien für die Strecken von Peking nach Tianjin, Wuhan nach Guangzhou und Zhengzhou nach Xi’an von 2003 empfahlen eine Geschwindigkeit von 200 Km/h. Doch nach Baubeginn ordnete das Bahnministerium an, diese auf 350 Km/h anzupassen,“ schreibt das Wirtschaftsmagazin „Caixin Weekly“. Nach Meinung der Autoren eine Maßnahme, die eine Kostenexplosion zur Folge hatte. Für den Bau der 115 Kilometer langen Bahnstrecke von Peking nach Tianjin waren zum Beispiel ursprünglich 12,3 Mrd. Yuan (1,3 Mrd. Euro) vorgesehen. Doch bis zur Eröffnung der Strecke 2008 stiegen die Kosten auf beinahe das Doppelte - für eine Zeitersparnis von weniger als zehn Minuten pro Reise.

Bereits im letzten Jahr warnte die Weltbank, dass sich nur wenige der Hochgeschwindigkeitsstrecken wirtschaftlich rechnen. Auch weil viele Strecken am Bedarf vorbeigebaut werden. Zwar sind gerade einfache Chinesen auf Züge als Transportmittel angewiesen. Doch die teuren Ticketpreise für die neuen Schnellzüge können sie häufig nicht aufbringen. So musste zum Beispiel eine neue Verbindung zwischen Peking und Fuzhou nur zwei Monate nach Eröffnung im Februar 2010 wieder stillgelegt werden. Es wurden kaum Karten verkauft. Doch der Ausbau des Streckennetzes gilt nicht nur der besseren Anbindung der Millionenstädte im Land. China will seine Technologie zum Exportschlager machen. Konkrete Pläne, zahlreiche Staaten Südostasiens mit dem chinesischen Hochgeschwindigkeitsnetz zu verbinden, bestehen bereits. So soll unter anderem eine Linie von China über Laos, Thailand und Malaysia nach Singapur führen. Auch nach Übersee strecken Chinas Hersteller ihre Fühler aus.

Die „China Southern Locomotive and Rolling Stock (CSR)“, nach eigenen Angaben weltweit drittgrößter Produzent von Hochgeschwindigkeitssystemen, hat bereits ein Joint Venture mit „General Electrics“ geschlossen, um Zugang zum US-Markt zu bekommen. In Länder wie Venezuela, Brasilen, Neuseeland, Australien, Saudi Arabien und Argentinien exportieren chinesische Hersteller bereits ihre Technologie. Auch den europäischen Markt hat man mittlerweile im Blick. Geschäfte mit britischen Unternehmen stehen laut der staatlichen Zeitung „China Daily“ kurz vor dem Abschluss.

Die Geschwindigkeit, mit der Chinas Unternehmen in die Spitzengruppe der Produzenten für Hochgeschwindigkeitstechnologie gelangen konnten, erstaunt viele Konkurrenten. Doch Vorwürfe, man habe für die Entwicklung seiner Züge Technologie vom japanischen Shinkansen, französischen TGV oder dem ICE geklaut, wies das Bahnministerium bereits mehrfach zurück. Ausländische Systeme seien lediglich als Plattform genutzt worden, um eigene Technologien zu entwickeln. Nicht zuletzt hat China in den letzten Jahren massiv in die Entwicklung der Technologie investiert. Ein gutes Beispiel dafür ist der Standort Changchun, bisher vor allem als Autostadt bekannt. Seit 2007 wird die Stadt zur Basis für die Bahnindustrie ausgebaut. Eine 51 Quadratkilometer große Wirtschaftszone für Forschung und Entwicklung ist geplant. Schon jetzt produziert die „China Northern Locomotive and Rolling Stock (CNR)“ hier für den heimischen Markt. „Mit der Unterstützung der Zentralregierung für den Ausbau der Bahntechnologie, bricht für Transportindustrie in Changchun eine neue Morgendämmerung an“, sagte CNR-Präsident Cui Dianguo Ende April. Sein Unternehmen exportiert auch erfolgreich ins Ausland. Stolz ist man in Changchun aber besonders auf die Produktion des „CRH380“ - der Schnellzug, der auf der Strecke von Peking nach Schanghai eingesetzt wird. Eine Strecke, die sich wohl auch rentieren wird.

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Dienstag, 17. Mai 2011

Ai Weiwei lebt – seine Ehefrau durfte ihn sehen

Sechs Wochen nach seiner Festnahme gibt es ein erstes Lebenszeichen von Ai Weiwei. Am Sonntag durfte seine Frau den bekannten Künstler und Regimekritiker erstmals besuchen.

Immer wieder hatte seine Familie die chinesischen Behörden vergeblich um Auskunft über den Verbleib und Gesundheitszustand des Künstlers gebeten. „Er sieht soweit gesund aus und bekommt auch alle Medikamente, die er benötigt“, berichtete Ai Weiweis Schwester Gao Ge dem Tagesspiegel am Montag. Sie seien alle erleichtert, würden aber weiter auf eine offizielle Erklärung der Behörden warten. Nach Angaben von Ais Schwester ist Lu Qing auf eine Polizeistation in Peking gerufen worden und wurde von dort aus zu dem Treffen mit Ai Weiwei gefahren, ohne ausmachen zu können, an welchen Ort sie gebracht wurde. Ai und seine Frau hätten sich nur kurz unterhalten und lediglich über familiäre Angelegenheiten sprechen dürfen.

Ob Ai Weiwei weiß, welche Vorwürfe gegen ihn erhoben werden, ist nach dem Treffen unklar. Von offizieller Seite werden ihm „Wirtschaftsverbrechen“ vorgeworfen. Nach seiner Verhaftung hatte die Polizei das Atelier des Künstlers mehrfach durchsucht, Dokumente und Computer beschlagnahmt. Noch immer weigern sich die Behörden, detailliert über die Vorwürfe gegen Ai Weiwei Auskunft zu geben. Einen offiziellen Haftbefehl gibt es bisher nicht, weswegen seine Familie noch keinen Anwalt einschalten konnte.

Das überraschende Treffen zwischen Ai Weiwei und seiner Frau eröffnet Raum für Spekulationen über den rechtlichen Status des Vorgehens der Behörden. Da das Treffen scheinbar nicht in einem Gefängnis stattgefunden hat, vermuten Beobachter, dass der 53-jährige Künstler formal unter „Hausarrest“ gestellt wurde. So könnten die Behörden die eigenen Gesetze umgehen, nach denen ein Haftbefehl erlassen und Anklage erhoben werden müsste. Ähnlich wie im Fall Ai Weiwei gingen die Behörden auch gegen den heutigen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo vor. Nach seiner Festnahme im Dezember 2008 wurde dieser ein halbes Jahr ohne Anklage festgehalten.

Ai Weiwei hat die Machthaber in Peking besonders als Internetaktivist gegen sich aufgebracht. Der Künstler war am 3. April am Flughafen festgenommen worden. Die Inhaftierung Ais, der derzeit mit verschieden Kunstschauen im Ausland vertreten ist, hatte international für Empörung gesorgt.

www.tagesspiegel.de

Samstag, 14. Mai 2011

Anschlag auf Bank in Chinas Nordwesten

Bei einem Anschlag in einer Bank im tibetischen Teil Chinas sind am Freitag mindestens 39 Menschen verletzt worden. Der Täter soll ein ehemaliger Angestellter der Bank sein.

Peking - Die Angestellten einer Bank in der Stadt Wuwei im Nordwesten Chinas hatten am Freitag gerade ihre morgendliche Sitzung begonnen, als die selbst gebastelte Benzinbombe explodierte. Bei dem Brandanschlag im tibetischen Kreis Tianzhu in der Provinz Gansu wurden nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua mindestens 39 Menschen verletzt, davon 19 schwer. Feuerwehrleuten gelang es, den Brand in der Bankfiliale gegen Mittag zu löschen. Nach Augenzeugenberichten seien zahlreiche Menschen mit sichtbaren Verbrennungen auf Tragen aus der Bank transportiert worden.

Bereits wenige Stunden nach dem Bombenanschlag veröffentliche die Kreisregierung in Tianzhu eine Erklärung zu dem Vorfall. Demnach habe ein ehemaliger Bankangestellter, der wegen Unterschlagung entlassen wurde, gegen acht Uhr morgens aus Rache eine Benzinbombe in den Sitzungsraum der Bank geworfen. Einige Angestellte seien in Panik aus einem Fenster im fünften Stock der Bank auf ein benachbartes dreistöckiges Gebäude gesprungen. Der Täter sei bereits identifiziert worden, es handele sich um einen 39-jährigen Han-Chinesen. Mit ihrer schnellen Reaktion zeigte sich die Kreisregierung offenbar bemüht, Gerüchten vorzubeugen, der Anschlag sei auf ethnische Spannungen zwischen tibetischen und chinesischen Einwohnern zurückzuführen. Etwa ein Drittel der Bevölkerung im Kreis Tianzhu sind Tibeter. Die lokale Polizei habe die Ermittlungen aufgenommen und fahndet nach dem Täter, der geflüchtet ist.

(c) hao.de

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